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Raumfahrt: Mit Kernkraft zum Mars
Militarisierung der Raumfahrt
Trotz der tiefen Trauer um die sieben toten Astronauten der Raumfähre Columbia wird die Eroberung des Universums weitergehen, doch möglicherweise anders als erwartet. "Der Weltraum ist ein Medium wie Land, Wasser und Luft, in dem in Zukunft militärische Aktivitäten zur Erlangung US-nationaler Sicherheitsziele durchgeführt werden." Diese Worte stehen in der Direktive 3100.10 zur Weltraumpolitik, die am 9. Juli 1999 vom Verteidigungsministerium der USA veröffentlicht worden ist. Das All wird langfristig in das Herrschaftssystem der USA integriert. Für das Jahr 2020 wird mit Kampflasern, Mikrowellenwaffen und Ähnlichem ein globaler Schutz vor Raketenangriffen mit Reaktionszeiten von wenigen Minuten aus dem All heraus angestrebt.
Die Umstrukturierung der Weltraumforschung macht vor keinem Projekt halt. So soll der Betrieb der Space Shuttles möglicherweise privatisiert, die Erforschung der äußeren Planeten zurückgestellt werden. Geplante Missionen wie die zum Jupitermond Europa und zum Pluto entfallen. Dagegen rückt der Mars wieder in den Vordergrund der friedlichen Weltraumforschung.
Mit Kernkraft zum Mars
Als China ankündigte, noch in diesem Jahr mit Shenzhou (Göttliches Schiff) ins All zu starten, gaben die USA das Projekt eines nuklearen Raketentriebwerks bekannt, für das in den nächsten fünf Jahren 1 Milliarde US-Dollar zur Verfügung stehen. Sean O'Keefe, der neue Chef der NASA, vergleicht dessen Bedeutung mit der des Feuers, das Prometheus einst den Menschen gebracht haben soll.
Der Prometheus-Nuklearmotor soll den Hin- und Rückflug zum roten Planeten in vier Monaten ermöglichen. Im Jahr 2010 will man dann auf dem Mars landen. Mit den heute verfügbaren chemischen Triebwerken würde ein Flug zum Nachbarplaneten und zurück mehr als ein Jahr dauern. Eine so lange Einwirkung der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper ist aber sehr ungesund. Die Langzeitaufenthalte der russischen Kosmonauten im All zeigen, dass teilweise irreversible Schäden an Knochen, Muskeln und Gelenken auftreten. Nach einem Jahr im All kann ein Mensch wochenlang nicht laufen.
Die Strahlenbelastung im All ist zudem immens. Schon in 400 km Höhe über dem Erdboden steigt die Strahlungsintensität auf das Tausendfache an. Jenseits des erdnahen Weltraums beträgt die mittlere berechnete Strahlenbelastung 2 Millisievert pro Tag. Auf der Erde liegt sie dagegen bei 2,4 mSv/Jahr.
Nuklearreaktoren könnten die bisherigen Forschungsmissionen erheblich erweitern. Es stünde unbegrenzte Energie für Experimente zur Verfügung, eine wesentlich effizientere Erkundung der äußeren Planeten und der Ränder des Sonnensystems wären möglich. Doch Raketen mit Kernreaktoren sind nichts wirklich Neues. Und sie benötigten in jedem Falle eine konventionelle Rakete mit chemischem Antrieb, um die Erdanziehung zu überwinden.
Triebwerke actio gleich reactio
Alle Fahrzeuge, die die Atmosphäre verlassen, bestehen im Wesentlichen aus einer Brennkammer und einer Düse. Im Detail ist ein Raketenantrieb zwar extrem kompliziert, physikalische Grundlage ist jedoch das dritte Newtonsche Axiom, wonach der Impuls, das Produkt aus Masse (kg) und Geschwindigkeit (m/s), erhalten bleibt. Dieser Satz besagt in seiner einfachsten Formulierung, dass jede Aktion eine gleich starke Reaktion in die entgegengesetzte Richtung bewirkt. Ein Tintenfisch stößt Wasser nach hinten aus, um vorwärts zu kommen. Ebenso treibt das ausgestoßene Verbrennungsgas eine Rakete in die entgegengesetzte Richtung.
Schub und Impuls
Die Antriebskraft, Schub genannt, ist die Beschleunigung, die durch die mit hoher Geschwindigkeit ausgestoßene Materie erzeugt wird. Wird 1 kg mit 1 m/s² beschleunigt, entspricht das 1 Newton (N) Schub. Die Energie zur Beschleunigung der Rakete liefern bei chemischen Motoren z. B. flüssiger Wasserstoff oder Ozon, die mit flüssigem Sauerstoff oxidiert werden. Das Gas erhitzt sich, dehnt sich aus und strömt durch die Düse aus. Es wird als Stützmasse bezeichnet. Der Schub des Raketenmotors hängt vom Querschnitt der Düse und von der Dichte und der Ausströmgeschwindigkeit der Stützmasse ab.
Um von der Erde abzuheben, muss der Schub der Rakete größer sein als ihr Gewicht (einschließlich Kraftstoff). Ariane 5, die 750 t wiegt, erzeugt einen Schub von fast 1200 t (1,2 Mio. N). Außerhalb der irdischen Schwerkraft entfällt das Gewicht des Raumfahrzeugs. Dort bestimmen die Menge und die Ausströmgeschwindigkeit der Stützmasse die Flugleistung. Neben dem Schub entscheidet der spezifische Impuls über die Effizienz eines Raketentriebwerks. Er beschreibt, wie lange der Kraftstoff für 1 N Schub zur Aufrechterhaltung der Bewegung reicht, und wird in Sekunden angegeben. Er ist im Vakuum am größten und in der Atmosphäre durch den Luftdruck mehr oder weniger stark reduziert. Während ein chemischer Raketenmotor einen sehr hohen Schub bewirkt, ist sein spezifischer Impuls mit etwa 500 Sekunden gering. Bei elektrischen Antrieben ist es gerade umgekehrt. Ihr Schub liegt nur bei einigen Zehntel Newton, aber sie haben spezifische Impulse von bis zu 10 000 Sekunden. Daher können nur chemische Antriebe eine Rakete in den Himmel heben, während elektrische Antriebe im Weltraum höhere Geschwindigkeiten erreichen.
Elektrische Antriebe
Nach der Art der Beschleunigung unterscheidet man u. a. elektrostatische und elektrothermische Antriebe. Elektrostatische oder Ionentriebwerke wandeln eine Treibstoffflüssigkeit – Caesium oder Xenon – in Kationen um und beschleunigen sie durch statische elektrische Felder. Bevor der Treibstoff ausgestoßen wird, muss er durch Zugabe von Elektronen wieder neutralisiert werden, um eine elektrische Aufladung der Triebwerke zu vermeiden. In Ionentriebwerken können Ausströmgeschwindigkeiten von bis zu 200 000 m/s erzielt werden. Sie wurden maßgeblich an der Universität Gießen entwickelt. In der 1998 gestarteten US-amerikanischen "Deep Space 1"-Mission wurde erstmals ein Ionentriebwerk eingesetzt.
Beim elektrothermischen Lichtbogentriebwerk, auch "arc jet" genannt, wird eine Flüssigkeit (z. B. Hydrazin), die durch einen ringförmigen elektrischen Lichtbogen (Gasentladung bei hoher Stromstärke und geringer -spannung) strömt, auf bis zu 50 000 K erhitzt und in einer Düse wieder entspannt. Als Stützmasse wird meist Wasserstoff verwendet, der durch die hohe Energiezufuhr in Plasma verwandelt wird, d. h. in ein elektrisch neutrales Gemisch von Ionen, Elektronen und Lichtquanten zerfällt. So lassen sich leicht Ausströmgeschwindigkeiten von 10 000 m/s erreichen.
Das Entscheidende bei all diesen Entwicklungen ist die Primärenergiequelle. Im sonnennahen Bereich können dies Solarzellen leisten, wie es bei der Internationalen Raumstation ISS z. B. der Fall ist. Auch viele Satelliten beziehen ihre Energie von der Sonne. In sonnenfernen Bereichen sind Brennstoffzellen oder Radionuklidgeneratoren (RTG), die bereits seit Jahren im Einsatz sind, vorzuziehen. So ist die 1997 gestartete Sonde Cassini mit einem RTG ausgestattet. RTGs erscheinen als der Schlüssel für die Eroberung des Alls. Denn Energie bestimmt nicht nur Schub und Geschwindigkeit, sie ist auch für Experimente, schnelle Datenübertragung, unerwartete Reparaturen und ausgeklügelte Flugmanöver erforderlich.
Kernreaktoren
Wernher von Braun hatte als Erster über einen Kernreaktor als Antriebssystem nachgedacht. In den Sechzigerjahren wurden die ersten Planungsstudien des verblüffend einfachen Konzepts NERVA (Nuclear Engine for Rocket Vehicle Applications) entwickelt. NERVA sollte flüssigen Wasserstoff stark erhitzen, der über eine Düse austritt und die Rakete antreibt. Allerdings gelangte NERVA unter anderem aus Umweltschutzgründen niemals zur Reife.
Vor zehn Jahren schon wurde in einer deutsch-russischen Zusammenarbeit der Kernreaktor Topas-25 entwickelt. Das Konzept sah vor, dass eine mit dem Reaktor betriebene Sonde zum Pluto fliegt. Ein Prototyp ist bereits mehr als ein Jahr lang durch den Raum geflogen. Topas-25 arbeitet mit hoch angereichertem Uran-235 und sollte eine Mindestlebensdauer von sieben Jahren haben. Das ISC-2000 genannte Projekt wurde aber nicht verwirklicht. Die USA machen nun mit Prometheus einen neuen Anlauf.
Die Gaskern-Nuklearrakete (GCNR) des Prometheus-Projekts wird, genau wie seinerzeit die Atombombe, in Los Alamos entwickelt. Der Kernreaktor soll – wie oben bei den elektrischen Triebwerken beschrieben – Wasserstoffgas auf Temperaturen bis 50 000 K erwärmen und in Plasma verwandeln. An der Ben-Gurion-Universität in Israel scheint man allerdings schon weiter zu sein. Professor Yigal Ronen will den Flug zum Mars auf zwei Wochen verkürzen. Seine Gruppe arbeitet an Metallfilmen aus Americium-242, deren Energiedichte hundertmal so groß sein soll wie die von Uran oder Plutonium. Doch auch das ist nicht das Ende der Fahnenstange. Visionen der ferneren Zukunft sind Kernfusionstriebwerke und vielleicht sogar Antimaterietriebwerke. Oder segeln die Raumfahrer dereinst auf Lichtquanten des Sonnenlichts zu fernen Planeten?
Bemannte Raumschiffe sollen in Zukunft mit Kernkraft angetrieben werden. Radionuklidgeneratoren sollen die Energie für Ionentriebwerke liefern, die im luftleeren Raum eine etwa dreimal so hohe Geschwindigkeit erlauben wie konventionelle Raketentriebwerke. Sonden mit diesem Antrieb könnten sogar bis zum fernen Pluto und zurück fliegen.
Radioaktive Gefahr
Der Start der mit einem RTG betriebenen und mit 5630 kg bislang schwersten Sonde Cassini war von wütenden öffentlichen Protesten begleitet. Denn laut Plan holte sie durch die Umrundung der Sonne Schwung für die lange Reise und flog am 18. August 1999 mit 64 000 km/h und in einem Abstand von 1173 km an der Erde vorbei. Wäre sie abgestürzt, hätte der Reaktor mit seinen 32,8 kg Plutonium-238 möglicherweise weite Landstriche verseucht. Zwischen 2000 und 200 000 Menschen wären dann nach verschiedenen Schätzungen an Krebs gestorben.
1964 war der Satellit SNAP 9A mit knapp einem Kilogramm Plutonium an Bord in der Atmosphäre verglüht. Das Plutonium ging auf der Südhalbkugel nieder. 1970 wurde der Niederschlag auf allen Kontinenten nachgewiesen. 1978 stürzte der Satellit Kosmos 954 mit Plutonium an Bord über Kanada ab. Laut einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission von 1989 sollte die Rechtfertigung nuklearbetriebener Satelliten in jedem Einzelfall durch ein internationales Gremium erfolgen.
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