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Vielleicht hätte unsere Gesundheitsministerin schon im vergangenen Jahr – während des Bastelns an der Gesundheitsreform – ab und an mal ein Beruhigungsmittel nehmen sollen – ein pflanzliches, versteht sich, ganz ohne Risiken und Nebenwirkungen, selbst gekauft in der Apotheke, nicht verordnet, sondern vom Apotheker empfohlen. Dann hätte sie sich vielleicht auch mal ein bisschen mehr Zeit genommen, in Ruhe die Folgen und Auswirkungen ihrer Gesundheitsreform zu durchdenken.

Gerade dem Arzneimittelsektor, einem zentralen Punkt des GKV-Modernisierungsgesetzes, hätte mehr Sachverstand gut getan. So zeigen sich nun nach und nach die Schwächen des Reformwerkes, z. B. der Ausschluss der nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel von der GKV-Erstattung. Für jeden Insider ist es klar, dass der Status eines Arzneimittels (OTC oder Rx) kein Kriterium für seine Erstattungsfähigkeit sein kann und darf – das führt z. B. zu Substitutionsverordnungen durch die Ärzte, die Therapie verteuert sich.

Schmidt bekommt mittlerweile von mehreren Seiten Druck in dieser Sache, von Patientenvereinigungen, von der Pharmaindustrie und ihren Verbänden und von Ärzten samt Verbänden. Erst Ende Februar haben zum Beispiel die Gesellschaft für Phytotherapie, die Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung und die Deutsche Gesellschaft für Klinische Pharmakologie und Therapie eine Resolution verabschiedet (DAZ Nr. 10, S. 37), die sich für die Wiederzulassung rezeptfreier Arzneimittel in der GKV-Versorgung einsetzt.

Aktueller Anlass für weitere Aktivitäten gegen die Ausgrenzung ist neben den massiven Umsatzrückgängen, die Phytopharmakahersteller beklagen (deren Präparate sind in erster Linie vom Erstattungsausschluss betroffen), der näher rückende 16. März. Bis zu diesem Termin will das Spitzengremium der Selbstverwaltung über die Ausnahmeliste für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel entscheiden, die auch künftig von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden sollen.

Ursprünglich sollten sich auf dieser Liste nur rund 40 Präparate, so die Verständigung zwischen Ärzten und Kassen, wiederfinden. Pharmaverbände machen sich nun für Arzneimittelvielfalt stark, d. h. für eine erhebliche Ausweitung der Liste.

Diese Proteste scheinen zu fruchten. Macht Ulla Schmidt gar eine Kehrtwendung? Angeblich soll sie ihrerseits nun Druck machen auf die Selbstverwaltung, die Regelungen großzügig auszulegen und zu handhaben. So war zu lesen, dass sie z. B. dafür plädiert, auch Arzneimittel der Alternativmedizin, sprich homöopathische und anthroposophische Mittel, in der Erstattungsfähigkeit zu halten – das kommt einem Aufweichen ihres eigenen Reformwerkes gleich.

Ich frage mich nur, wie sie es dann erklären (lassen) will, dass Cimicifuga racemosa D6 bei Wechseljahrsbeschwerden von den Kassen erstattet werden darf, ein Phytopharmakon mit Traubensilberkerze aber nicht. Auch dieses Gerangel um die Ausnahmeliste ist für mich ein Zeichen dafür, wie inkompetent das Reformgesetz gefertigt ist.

Thema Apothekenberatung: letzte Woche fand sich eine Nachricht in der Mailbox, dass Apotheken weltweit anonym gecheckt wurden. Das Unternehmen International Service Check/Multisearch testete in einer Auftragsstudie von November bis Dezember 2003 insgesamt 512 Apotheken in den USA, Mittel- und Südamerika sowie in Europa, auch in Deutschland. Untersucht wurden u. a. Beratungs- und Kompetenzqualitäten, Produktempfehlungsverhalten und Freundlichkeit.

Die europäischen Apotheken schnitten mit 60,2% in der Gesamtwertung am besten ab. Die USA folgte an zweiter Stelle vor Mittel- und Südamerika. Hinsichtlich der Kompetenz standen die europäischen Apotheken vorne, in Sachen Freundlichkeit hatten die Amis die Nase vorne. Ein Fazit aus der Studie: in den USA folgt nicht jedem freundlichen Lächeln eines Apothekers ein hilfebringender Ratschlag, während im alten Europa wohl weniger gelächelt, aber mehr beraten wird. Na, es wird noch.

Zum "test"-Bericht und seinen Ergebnissen nimmt der in den letzten Tagen per E-Mail verschickte Heilpraktiker-Newsletter Stellung. Er kritisiert heftigst Vorgehensweise und Ergebnisse der Berliner Tester. Gleichzeitig nimmt er dies zum Anlass, dem Apotheker jegliche Befugnis in Sachen Krankheitsfeststellung abzusprechen.

Er bezieht sich dabei auf § 1 des Heilpraktikergesetzes, wonach nur Ärzte und Heilpraktiker heilen dürften und zum Heilen auch schon die Feststellung und das Lindern von Krankheiten gehöre. Ginge es nach den Vorstellungen des Heilpraktiker-Letters, dürfte der Apotheker nicht einmal einen Kunden zum Arzt schicken, wenn er aus den Schilderungen des Kunden eine Obstipation "festgestellt" hat – denn die Feststellung gehöre bereits zum Heilen.

Den Schreiber dieses Heilpraktiker-Briefes sollte man mal schleunigst informieren, dass der Apotheker sehr wohl von der tropfenden Nase auf einen Fließschnupfen schließen und ein entsprechendes Schnupfenmittel abgeben darf – ohne dass das Heilpraktiker- oder ärztliches Recht verletzt wird.

Peter Ditzel

Aufgeweicht

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