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Kongress
W. CaesarPhytotherapie mit hohen Ansprüchen
Mehr und bessere Studien
Kongresspräsident Prof. Dr. Hans Reuter, Köln, hielt Rückschau auf die 13 vorhergegangenen Kongresse, die die Gesellschaft für Phytotherapie seit 1987 veranstaltet hat. In dieser Zeit habe es einerseits eine Internationalisierung der Forschung gegeben, die insbesondere zur Gründung der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP) führte; andererseits habe die Interdisziplinarität, vor allem die Zusammenarbeit mit Arzneipflanzenforschern, Pharmakologen und Klinikern zugenommen.
So konstatierte Reuter, dass die Qualität und die Anzahl der klinischen Studien mit Phytopharmaka in einem erfreulichen Maße gestiegen seien. Er rief dazu auf, angesichts der Ausgrenzung der Phytotherapie aus dem GKV-Leistungskatalog die Forschung nicht zu vernachlässigen, sondern sie im Gegenteil noch zu forcieren.
Im Ausland gehen die Uhren anders
Dr. Dieter Thomae MdB, arzneipolitischer Sprecher der FDP, kritisierte als Gastredner das GMG bezüglich der nicht mehr gegebenen Erstattungsfähigkeit der Phytopharmaka wie auch der Präparate der anthroposophischen und der homöopathischen Therapierichtung und forderte, dass "Naturheilmittel" weiterhin zum Wohle der Patienten angewandt werden sollten, gerade auch im "System" der GKV.
Er zeigte sich davon beeindruckt, dass z. B. Staaten im Nahen Osten die Etablierung der Phytotherapie derzeit mit öffentlichen Geldern fördern, während wir die gut etablierte Therapie behindern. Als positiv bewertete er die Gesetzeslage zur Zulassung bzw. Registrierung von Phytopharmaka in der Europäischen Union; die dezentrale europäische Zulassung eines Präparates durch gegenseitige Anerkennung der nationalen Zulassung habe sich bewährt.
Die Forschung solle durch einen umfassenden Unterlagenschutz gefördert werden; wenn ein Hersteller für ein Präparat ein neues Anwendungsgebiet belegt habe, solle er für einen angemessenen Zeitraum das ausschließliche Nutzungsrecht haben.
Prof. Dr. Rudolf Bauer, Graz, Vorsitzender der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung, zeigte sich optimistisch, dass eine qualitativ hochwertige Forschung die Zukunft der Phytotherapie sichern könne. Mit plausiblen Studienergebnissen könne man sowohl Ärzte als auch Patienten überzeugen.
Wie sein Vorredner hob er die Marktchancen hervor, die sich den Phytopharmakahersteller hier und dort im Ausland bieten, wo die Phytotherapie eine Aufwertung erfährt. Neidvoll berichtete er von der Aufbruchstimmung, die unter Arzneipflanzenforschern in Nordamerika herrscht. In den USA hat der Staat die Forschung an "Naturheilmitteln" im letzten Jahr mit 315 Mio. US-$ gefördert, und in diesem Jahr sind dort 325 Mio. US-$ bewilligt. Es sei zu befürchten, dass Deutschland seine Spitzenstellung in diesem Segment einbüßt.
Prof. Dr. Ivar Roots, Berlin, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Klinische Pharmakologie und Therapie, hob hervor, dass es für den Pharmakologen keinen prinzipiellen Unterschied zwischen chemisch definierten Arzneistoffen und standardisierten Pflanzenextrakten gibt; beide können mit denselben Studiendesigns auf ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit untersucht werden.
Er erinnerte daran, dass Paul Martini (1889 – 1964) als Chefarzt am Berliner Hedwigskrankenhaus vor gut 70 Jahren die kontrollierte klinische Arzneimittelprüfung in Deutschland etabliert hatte ("Methodenlehre der therapeutischen Untersuchung", 1932).
Die meisten Referate des Kongresses wurden in Blöcken präsentiert, die nach Indikationsgebieten zusammengestellt waren; denn die Therapie, nicht das Potenzial einzelner Arzneipflanzen, stand im Mittelpunkt des Kongresses.
Erkrankungen der Atemwege
Seit Jahrzehnten bewährt sich Efeublätterextrakt in der Behandlung der chronischen Bronchitis. In einer Anwendungsbeobachtung über vier Wochen waren 38 % der Patienten (n = 1336) nach der Behandlung beschwerdefrei, lediglich bei etwa zehn Prozent trat keine symptombezogene Besserung ein. Eine retrospektive Datenerhebung bei Kindern (n = 52 478) zeigte die geringe Inzidenz unerwünschter Wirkungen (0,22 %). Als Wirkmechanismus wird die Hemmung des infektionsbedingten Abbaus von β2-Rezeptoren der Bronchialzelle postuliert (Prof. Dr. Karin Kraft, Rostock).
Relativ jung ist der Einsatz von Umckaloabo (Extrakt aus den Wurzeln von Pelargonium sidoides) bei akuter Bronchitis. Obwohl es sich bei dieser Symptomatik überwiegend um virale Infekte handelt, werden 60 bis 80 % der Patienten mit Antibiotika behandelt. Eine kürzlich veröffentlichte Metaanalyse zeigte, dass der Schaden der Antibiotikatherapie hier geringer ist als der zu erwartende Nutzen.
Eine sinnvolle Alternative zu diesem Arzneimittelmissbrauch (in den meisten Fällen) bietet Umckaloabo. In einer plazebokontrollierten Studie verzeichneten 69 versus 30 Prozent der Patienten einen Behandlungseffekt nach vier Tagen; die Heilung erfolgte unter Verum hochsignifikant schneller als unter Plazebo; die Nebenwirkungen waren vernachlässigbar (Prof. Dr. Heinrich Matthys, Freiburg).
Umckaloabo wirkt antibakteriell, antiviral und sekretolytisch. Seine antibakterielle Wirkung beruht jedoch nicht auf einem bakteriziden Effekt, wie er von Antibiotika bekannt ist, sondern kommt auf indirektem Wege zustande: In-vitro-Versuche mit β-hämolysierenden A-Streptokokken zeigten, dass Umckaloabo deren Adhäsion an lebende bukkale Epithelzellen hemmt, aber die Adhäsion an abgestorbene Epithelzellen, die sich natürlicherweise reichlich im Speichel finden, steigert.
So werden die Bakterien großenteils aus dem Verkehr gezogen, bevor sie an der Schleimhaut der Atemwege ihre schädliche Wirkung entfalten können. Da Antibiotika wegen der bedrohlichen Resistenzentwicklung generell sparsam und sehr gezielt eingesetzt werden sollen, kann bei Atemwegserkrankungen die Gabe von Umckaloabo eine sinnvolle Alternative sein (Prof. Dr. Franz Daschner, Freiburg).
Wenn bei der Behandlung mit Umckaloabo Superinfektionen mit Bakterien auftreten, könnte die zusätzliche Gabe von Penicillin V indiziert sein. Daher ist es für die Praxis relevant zu wissen, ob das Phytopharmakon die Pharmakokinetik des Antibiotikums verändert. Eine plazebokontrollierte Versuchsreihe an Probanden ergab, dass zwischen Verum- und Plazebogruppen bezüglich der Plasmaspiegel und der AUC des Penicillins keine signifikanten Unterschiede bestanden (Prof. Dr. Ivar Roots, Berlin).
Dreiarmige klinische Studien mit Phytopharmaka sind zwar noch die Ausnahme, werden aber immer häufiger durchgeführt, so z.B. mit dem Extrakt Ze 339 gegen allergische Rhinitis. Es handelt sich um den Blätterextrakt einer bestimmten Pestwurz-Sorte (Petasites hybridus 'Petzell'), der aufgrund der Extraktion mit überkritischem CO2 reich an Sesquiterpenen (Petasin) und arm an Pyrrolizidinalkaloiden ist.
Im Vergleich mit Plazebo und Fexofenadin zeigt sich eine vergleichbare Wirksamkeit der beiden Medikationen mit einem Wirkungseintritt nach etwa 90 Minuten und ihre hochsignifikante Überlegenheit gegenüber Plazebo. Auch in einer zweiarmigen Studie gegen Cetirizin erwies sich der Pestwurzextrakt als gleichwertig (Dr. Oliver Hegener, Romanshorn).
Grapefruit als Arzneimittel?
Die Grenzen von Nahrungs- und Arzneimitteln können fließend sein, und zwar in juristischer, pharmakologischer und therapeutischer Hinsicht. Da Interaktionen zwischen Grapefruitsaft und Arzneistoffen, die durch bestimmte Isoenzyme des Cytochrom-P450-Systems metabolisiert werden, auftraten, lag es nahe zu untersuchen, ob Grapefruitsaft auch als Quelle für Arzneistoffe in Frage kommt.
Dr. Christoph Karle, Heidelberg, einer der Rudolf Fritz Weiss-Preisträger dieses Jahres, testete das antiarrhythmogene Potenzial von drei in der Grapefruit (und anderen Zitrusfrüchten) enthaltenen Flavonoiden: Naringenin, Morin und Hesperitin. Hauptangriffspunkt von Substanzen, die den Herzrhythmus beeinflussen, ist der HERG-Kaliumkanal.
(HERG steht für das "human ether-a-go-go-related gene", das zuerst bei der Drosophila entdeckt und für die tänzelnden Bewegungen verantwortlich gemacht wurde, die die Fliege nach Kontakt mit Ether ausführt.) Die Wirkung der Prüfsubstanzen wurde in vitro an Oozyten des Krallenfroschs (Xenopus) getestet.
Die drei Substanzen blockierten den HERG-Kanal konzentrationsabhängig und verlängerten damit die QTc-Zeit, doch war Morin nicht auswaschbar und wirkte bei hohen Frequenzen schwächer als in Ruhe; insofern hat es eher einen proarrythmogenen Effekt.
Naringenin war potenter als Hesperitin (IC50 = 103 bzw. 263 mM) und verschob die halbmaximale Inaktivierungsspannung in Richtung negativer Potenziale, während Hesperitin diesbezüglich wirkungslos war. So erscheinen weitere Untersuchungen mit Naringenin am aussichtsreichsten.
Prophylaxe durch Tee und chinesische Kräuter?
Priv.-Doz. Dr. Maria Wartenberg, Köln, die auf dem Kongress ebenfalls mit dem Rudolf Fritz Weiss-Preis ausgezeichnet wurde, befasste sich mit den krebsprotektiven Eigenschaften von vier antioxidativ wirksamen Substanzen, die in chinesischen Arzneipflanzen (aber nicht nur dort) vorkommen: Baicalein, Epicatechin, Berberin und Acteosid.
Als In-vitro-Modell dienten differenzierte Stammzellen, die sich ähnlich einem Embryo entwickelt hatten ("embryoid bodies"). Bereits am vierten Tag bildeten sich Blutgefäße, wobei Matrixmetalloproteinasen (MMP), Hypoxie-induzierbare Faktoren (HIF) und Gefäßepithel-Wachstumsfaktoren (VEGF) eine Rolle spielen; anschließend wurde in einige dieser Zellhaufen Krebsgewebe eingebracht ("confrontation cultures").
Die MMP sind für die Ausbreitung von Tumorzellen und die Vaskularisation von Tumorgewebe von großer Bedeutung, weil sie das den Tumor abschirmende Gewebe quasi durchlöchern. Die MMP-Hemmung erscheint deshalb als mögliche Strategie der Krebsprophylaxe.
Da die Expression von MMP mit der Konzentration von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) korreliert, lässt sie sich durch Antioxidanzien herunterregulieren; dies wurde in der Versuchsanordnung an beiden Zellsystemen sowohl mit Vitamin E als auch mit den vier genannten Pflanzeninhaltsstoffen gezeigt.
Da ROS auch physiologisch sinnvolle Funktionen – z. B. die Zerstörung einzelner Krebszellen – erfüllen, wäre es fatal, ihre Konzentration all zu sehr zu vermindern. Diese Gefahr dürfte aber bei der Zufuhr von Antioxidanzien durch Tee und andere Kräuter mit der Nahrung kaum bestehen, dagegen erscheint es denkbar, dass sie die ROS-Konzentrationen ausbalancieren und dadurch einen gewissen krebsprotektiven Effekt ausüben.
Schon seit längerer Zeit ist aufgefallen, dass in Ostasien die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen relativ gering ist. Dies wird immer wieder mit dem hohen Konsum von grünem Tee in Verbindung gebracht. Für Europa hatte die epidemiologische Rotterdam-Studie (1999) eine negative Korrelation zwischen Teekonsum und Atherosklerose ergeben.
Bei der Suche nach den gefäßprotektiven Inhaltsstoffen stieß man früh auf die Flavanoide, insbesondere auf das Epigallocatechin-3-gallat (EGCG). In vorkontrahierten Rattenaorten führt EGCG eine Vasodilatation herbei, die wiederum auf einer gesteigerten Aktivität der endothelialen NO-Synthase (eNOS) beruhte. Als weitere Zwischenstufen des Wirkmechanismus konnten nun in vitro die Phosphokinase A, die Phosphatidylinsotiol-3-Kinase und das Protein Akt nachgewiesen werden (Priv.-Doz. Dr. Verena Stangl, Berlin).
Erkrankungen des zentralen Nervensystems
Johanniskrautextrakt ist in Deutschland als Mittel zur Behandlung leichter bis mittelschwerer Formen der Depression gut etabliert, wenn es auf Grund des GMG auch nicht mehr zu Lasten der GKV verschrieben werden kann (eine Ausnahmeregelung erscheint nach Meinung von Experten fraglich).
In den USA geriet es durch die dort durchgeführte und 2001 publizierte Shelton-Studie in Misskredit, die allerdings schwere methodische Mängel aufwies: Die Patienten waren nicht nur schwer depressiv, sondern sie waren z. T. auch schon zehn Jahre lang in klinischer Behandlung gewesen.
Da die Shelton-Studie dennoch eine gewisse Besserung der Symptomatik ergab, die bei einer anderen Auswertung als signifikant hätte eingestuft werden können, veranlasste sie einen der deutschen Hersteller, Hypericum bei ambulanten Patienten mit mittelschweren bis schweren Formen der Depression zu testen.
In einer doppelblinden, sechswöchigen Vergleichsstudie mit Paroxetin, deren Interimsanalyse in Berlin präsentiert wurde, zeigten sich in beiden Gruppen nahezu gleiche Ansprechraten von 60% versus 63% und Remissionen von 47% versus 43%. Dabei wurden in der Hypericum-Gruppe deutlich weniger Nebenwirkungen beobachtet (Dr. Angelika Dienel, Karlsruhe).
Eine Metaanalyse von 30 klinischen Studien (darunter allerdings nur vier dreiarmige Studien), die mit Johanniskrautextrakt durchgeführt worden sind, bestätigte dessen signifikante Überlegenheit gegenüber Plazebo und Gleichwertigkeit mit synthetischen Antidepressiva, was die Wirksamkeit bei leichten bis mittelschweren Depressionen betrifft; hinsichtlich der geringeren Nebenwirkungsrate war er auch hier überlegen (Claudia Röder, Berlin).
Zu den vielseitigen gesundheitsfördernden Effekten des grünen Tees soll auch die Neuroprotektion zählen. In-vitro-Versuche mit einem standardisierten Extrakt an Neuroblastom-Zelllinien zeigten, dass er die Expression der Neutralen Endopeptidase induziert.
Da dieses Enzym β-Amyloid-Peptide abbaut, verhindert es, dass diese aggregieren und sich als Plaques auf den Nervenzellen ablagern – eine der beiden wichtigsten Ursachen für die Alzheimer Krankheit; somit könnte grüner Tee vor Alzheimer schützen bzw. dessen Manifestation hinauszögern (Prof. Dr. Matthias Melzig, Berlin).
Nachdem das BfArM im Juni 2002 die Zulassung für Kava-Präparate auf Grund lebertoxischer Risiken wiederrufen hatte, hat es Ende 2003 auch deren Nutzen negativ bewertet. Bedeutet dies das endgültige Aus für Kava als Arzneimittel? Möglicherweise nicht, denn die in der Südsee gelegenen Staaten, die Kava anbauen und durch den Zusammenbruch des Exports schwere ökonomische Einbußen erlitten haben, haben es durch diplomatische Verhandlungen erreicht, dass sowohl die WHO als auch die EU Kava neu evaluieren wollen (Dr. Jörg Grünwald, Berlin).
Gastroenterologie
Mehrere Studien befassten sich mit der Wirksamkeit und dem Wirkungsmechanismus des Präparates Iberogast®, das sich aus neun Pflanzenextrakten zusammensetzt und zur Behandlung dyspeptischer Beschwerden indiziert ist. Das Krankheitsbild ist durch eine gestörte Motilität des Dünndarms gekennzeichnet, die von der zirkulären Darmmuskulatur ausgeht, aber verschiedene Ursachen hat.
Auch die pharmakologischen Effekte werden mit verschiedensten Parametern gemessen; dazu zählen die Histamin-induzierte sowie die spontane Kontraktion des Muskels, das Ruhemembranpotenzial der Nervenzellen, die Slow-wave-Frequenz des Dünndarms (Normalwert: ca. 40/min), die Desensibilisierung der afferenten Nervenfasern für chemische und mechanische Reize (Schmerzschwelle).
Isolierte Untersuchungen einzelner Extraktbestandteile des Phytopharmakons zeigten, dass diese teilweise nur einzelne Parameter verändern, letzten Endes aber synergistisch wirken. Damit erscheint die hohe Anzahl der Extrakte in dem Präparat, die nach früheren Vorstellungen als irrational gegolten hätte, gerechtfertigt (Dr. M. Storr et al.).
Süßholzwurzel wird traditionell bei Magenbeschwerden angewandt. Dies mag damit zusammenhängen, dass die darin enthaltene Glycyrrhetinsäure auf Helicobacter pylori keimhemmend wirkt, wie in einer letztes Jahr publizierten Studie dargelegt wurde.
Darauf wurde in zwei medizinischen Allgemeinpraxen eine Pilotstudie durchgeführt: Zehn Patienten mit dyspeptischen Beschwerden und positivem H.-pylori-Stuhltest wurden 14 Tage lang mit Süßholzwurzel (Pulver in Kapseln) behandelt; danach hatten sich ihre Beschwerden gebessert, und sechs waren H.-p.-negativ. Eine Fortsetzungsstudie wird nun mit der doppelten Dosis durchgeführt.
Wenn eine mindestens 80%ige Eradikation erzielt wird, könnte Süßholz eine Alternative für das konventionelle Tripelschema mit Protonenpumpenhemmer und Antibiotika sein; die Kosten pro Patient würden nur 25 statt 140 Euro betragen (Prof. Dr. Claus-Peter Siegers, Lübeck).
Urologie
Ein altbekanntes Hausmittel bei Harnwegsinfektionen in Nordamerika ist Cranberry-Saft. Die Stammpflanze Vaccinium macrocarpon, die mit der Moosbeere (V. oxycoccus) nahe verwandt ist, wird mittlerweile auch in Deutschland angebaut. Der Saft enthält Polyphenole und insbesondere eine hohe Konzentration von Proanthocyanidinen; die letzteren verhindern, dass sich virulente Escherichia coli mit der ihr eigenen P-Fimbrien an die Schleimhaut der Harnwege anheftet.
Die Aufklärung dieses Wirkungsmechanismus widerlegt zugleich die frühere Hypothese, dass die bakterizide Wirkung durch eine Senkung des Urin-pH-Wertes über organische Säuren (Benzoesäure u. a.) zustande kommt. Zwei plazebokontrollierte Studien mit jungen Frauen bzw. postmenopausalen Frauen wiesen jeweils den hochsignifikanten Effekt der Therapie von Harnwegsinfektionen mit Cranberry-Saft nach (Priv.-Doz. Dr. Rainer Nowack, Lindau).
Weitere Vortragsblöcke waren den Themen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Dermatologie und Rheumatologie sowie Endokrinologika und Gynäkologika gewidmet.
BCS bei Phytos?
Die Kriterien Löslichkeit und Permeabilität sind Pfeiler eines biopharmazeutischen Klassifizierungssystems (BCS) für Arzneistoffe, das für die Zulassung und Austauschbarkeit von Präparaten mit gleichen Wirkstoffen relevant ist. Wenn nach diesem System die Resorption eines Arzneistoffs unproblematisch erscheint, können klinische Studien, die mit einem bestimmten Präparat durchgeführt wurden, auf ein anderes Präparat übertragen werden.
Die Arbeitsgruppe Phytopharmaka bei der europäischen Zulassungsbehörde EMEA hat, indem sie Vorschläge einer Arbeitsgruppe der FIP aufgegriffen hat, ein Papier zur biopharmazeutischen Charakterisierung von Phytopharmaka veröffentlicht, das in Fachkreisen sehr kontrovers diskutiert wird.
Widerspruch erregt insbesondere die Behauptung, dass auch bei Phytopharmaka eine schnelle Löslichkeit eine Voraussetzung für die klinische Wirksamkeit ist. Bisher ist über die Pharmakologie von Pflanzenextrakten noch zu wenig bekannt, um eine so pauschale Aussage zu stützen. Bisher wurde auch nicht nachgewiesen, dass lipophile Extrakte – analog zu lipophilen Synthetika – schlecht resorbiert werden (Dr. Friedrich Lang, Karlsruhe, und Priv.-Doz. Dr. Markus Veit, Gräfelfing).
Interaktionen von pflanzlichen Nahrungsmitteln mit Arzneimitteln
Vom 16. Januar 2004 datiert ein Entwurf des BfArM zu "Empfehlungen der Kommission E zur Klärung möglicher pharmakokinetischer Interaktionen bei pflanzlichen Arzneimitteln", zu dem Stellungnahmen bis zum 16. April beim BfArM einzureichen sind. Dr. Konstantin Keller, Professor am BfArM, erläuterte den Entwurf.
Ausgangspunkt der Empfehlungen waren die Zwischenfälle, die vor einigen Jahren aufgrund der Interaktion von Johanniskraut mit verschiedenen Arzneistoffen auftraten und die sich bei anderen Phytopharmaka wiederholen könnten. Das Risiko beschränkt sich nach Ansicht des BfArM auf Transportproteine (Pgp) und Modulatoren des Cytochrom-P450-Systems.
Die Hersteller von Phytopharmaka sollten diese in gängigen In-vitro-Modellen auf mögliche Interaktionen mit Pgp und CYP450 testen (bei ähnlichen Präparaten sind auch firmenübergreifende Tests möglich). Falls dieses Tests eindeutig negativ ausfallen, sind keine weiteren Untersuchungen notwendig; andernfalls sollten klinische Interventionsstudien durchgeführt werden.
Da es sich um "Empfehlungen" handelt, ist die Zulassung der Präparate zunächst nicht gefährdet. Das BfArM behält sich jedoch vor anzuordnen, dass in den Beipackzettel von Präparaten, die nicht nach dem oben genannten Schema getestet worden sind, ein entsprechender Hinweis einzufügen ist.
Prof. Dr. Volker Schulz, Berlin, verurteilte in einem ausführlichen Statement das Papier des BfArM. Die Tatsache, dass viele Pflanzen ein Interaktionspotenzial mit synthetischen Arzneistoffen besitzen, räumte er unumwunden ein; aber gerade durch die nahezu ubiquitäre Verbreitung dieses Phänomens stelle es im Grunde kein Problem dar.
Gefahren gehen durchaus nicht nur von Arzneidrogen aus – hier wird derzeit mit risikobehafteten 150 Spezies gerechnet –, sondern auch von diversen Gewürzen und Genussmitteln wie Nelken, Ingwer, Tee und Rotwein. Viele Flavonoide, die ein hohes Interaktionspotenzial mit Synthetika aufweisen, kommen sowohl in pflanzlichen Arzneimittel als auch in pflanzlichen Nahrungsmitteln vor. Doch auf Grund der aufgenommen Mengen stellen Früchte und Gemüse ein viel höheres Risiko dar als Phytopharmaka.
Schulz resümierte, es müsse eher bei den Synthetika geprüft werden, ob sie "alltagstauglich" sind. Bei Substanzen mit geringer therapeutischer Breite stelle sich die Frage, ob sie überhaupt für die ambulante Medikation geeignet sind.
Auf dem Kongress "Phytopharmaka und Phytotherapie 2004 – Forschung und Praxis", der Ende Februar in Berlin stattfand, demonstrierten Wissenschaftler aus Industrie und Hochschule eindrucksvoll die neuesten Studien aus dem Bereich der "grünen" Medizin und Pharmazie. Wir bringen einen kleinen Ausschnitt aus den über 40 wissenschaftlichen Referaten, die den hohen Standard der rationalen Phytotherapie belegen.
Rudolf Fritz Weiss-Preis
Der Rudolf Fritz Weiss-Preis der Gesellschaft für Phytotherapie dient der Auszeichnung von medizinischem Erkenntnismaterial, das zur wissenschaftlich begründeten Phytotherapie beiträgt und damit das Werk des Begründers der modernen Phytotherapie, Dr. Rudolf Fritz Weiss (1895 – 1992), weiterführen hilft.
Der Preis wird seit 1985 alljährlich verliehen, seit 1996 doppelt als großer Preis und kleiner Preis, die derzeit mit 5200 bzw. 2600 Euro dotiert sind. In diesem Jahr wurden erstmals – aufgrund einer Spende der Firma Bionorica – zwei große Preise vergeben: an Priv.-Doz. Dr. Maria Wartenberg und Dr. Christoph Karle.
Warum wirken Phytos langsam?
Die meisten Phytopharmaka müssen über einen längeren Zeitraum angewendet werden, bevor sie eine pharmakologisch nachweisbare Wirkung erzielen. Das liegt daran, dass sie nicht unmittelbar mit physiologisch aktiven Substanzen interagieren, sondern die Genexpression modulieren und ihre Wirkung auf diese Weise allmählich entfalten. So dauert es einige Zeit, bis sich eine neue Homöostase der fraglichen Genprodukte einstellt.
Dank an Hans Reuter
Der Kongress "Phytopharmaka und Phytotherapie 2004 – Forschung und Praxis" war eine gemeinsame Veranstaltung der Gesellschaft für Phytotherapie e.V., der Deutschen Gesellschaft für Klinische Pharmakologie und Therapie e.V. und der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung e.V.
Mit diesem Kongress ging eine Ära zu Ende, denn zum letzten Mal fungierte Prof. Dr. Hans Reuter, Köln, als Kongresspräsident. Reuter hatte die Kongresse der Gesellschaft für Phytotherapie ins Leben gerufen und bis heute nachhaltig geprägt.
Der erste Kongress im Jahr 1987 stand unter dem Motto "Klinik und Pharmakologie der Arzneipflanzen"; auch bei den 13 folgenden Kongressen blieb dieses Motto zwar nicht explizit, aber implizit bestehen. Reuter, der von Haus aus anorganischer Chemiker ist, aber den größten Teil seines Berufslebens innerhalb einer medizinischen Fakultät verbracht hat, war stets darum bemüht, die auf Erfahrung beruhende Therapie mit pflanzlichen Arzneimitteln auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen.
Er war ein Gegner der in den eigenen Kreisen anfangs sehr mächtigen "Schutzzaun"-Ideologie, und so gelang es ihm, manchen Kollegen, der der Phytotherapie ablehnend gegenüber stand, zu einer vorurteilsfreien Zusammenarbeit zu bewegen. Ob es letztlich etwas genützt hat – angesichts des GMG könnte man es bezweifeln. Doch es besteht wohl kein Zweifel darüber, dass es zu dieser Strategie keine Alternative gegeben hat und auch jetzt nicht gibt. cae
Der nächste Kongress ...
... der Gesellschaft für Phytotherapie findet im November 2005 in Berlin statt.
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