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Praxis aktuell
Praxisfragen: Problemrezeptur Erythromycin
Die Rezeptur stellt für den Dermatologen eine wichtige Säule in der Therapie dar. Auch wenn in Apotheken die Individualrezeptur mit 1,5% vom Umsatz kaum ins Gewicht fällt, so ist sie doch eine unentbehrliche apothekerliche Tätigkeit. Eine Untersuchung von Altmeyer aus dem Jahr 1997 ergab, dass immerhin jede zweite Verordnung eines Externums eine Individualrezeptur war.
Deren Qualität wird einerseits durch die Art der Konzeption und andererseits durch die Herstellungsweise in der jeweiligen Apotheke bestimmt. Nur wenn Konzeptions- und Herstellungsqualität zu einer Einheit zusammengeführt werden, kann das angepeilte Therapieziel auch erreicht werden.
Es ist die Aufgabe der Apotheke, die Plausibilität von Rezepturen zu prüfen, das therapeutische Konzept zu erkennen und Kompositionsfehler wie Inkompatibilitäten und Instabilitäten aufzuspüren. Dazu bedarf es einer speziellen Sensibilität sowie spezieller Kenntnisse. Dem Verordner sollten bei auftretenden Rezepturproblemen entsprechende Optimierungs-Vorschläge unterbreitet werden.
In einer Reihe von drei Beiträgen werden daher "Highlights" aus einer Rezeptur-Fax-Hotline beschrieben, analysiert und die Lösungen besprochen. Bevor Sie umblättern und die Antwort lesen, überlegen Sie sich eine Lösung des Problems! So können Sie Ihre Geschicklichkeit testen und ggf. verfeinern. Wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!
Problemrezeptur Nr. 1: Erythromycin
Gemessen an der Anzahl der Rezeptur-Anfragen zu Erythromycin-Zubereitungen stellt dieses Makrolid-Antibiotikum das größte "Sorgenkind" in der Rezeptur dar.
Rezeptur-Beispiel
Erythromycin 1,0 Ungt. emulsific. aquos. ad 50,0
Fragen: Welche Probleme sind bei dieser Rezeptur zu erwarten? Welche Optimierungsempfehlungen geben Sie dem verordnenden Dermatologen?
Antwort: Immer wieder wird Erythromycin in Individualrezepturen mit anderen Wirk-, Hilfsstoffen und Grundlagen kombiniert, die seine chemische Stabilität gefährden. Erythromycin besitzt ein extremes Wirk- und Stabilitätsoptimum bei pH 8,5. Es gibt keinen anderen Wirkstoff, der mit seinem Optimum harmoniert.
Andere Wirk- und Hilfsstoffe wie gewisse Konservierungsstoffe (Sorbinsäure oder Sorbinsäure/Kaliumsorbat-Gemische) und Grundlagensysteme, die einen sauren pH-Wert besitzen oder erzeugen, zersetzen das Molekül innerhalb weniger Stunden zu unwirksamen Artefakten.
In dem o. a. Rezepturbeispiel wurde die Ungt. emulsific. aquos. mit einer Mischung von 0,05% Sorbinsäure und 0,07% Kaliumsorbat vorkonserviert vom pharmazeutischen Großhandel geliefert und weist demzufolge einen pH von 5 bis 6 auf. Daher muss das pH-Optimum für Erythromycin durch den Zusatz einer Base auf pH 8,5 eingestellt werden.
Im Falle einer O/W-Creme wie hier setzt man als organische Base das Trometamol, im Falle von W/O-Cremes oder W/O-Lotionen als anorganische Base eine Natriumhydrogencarbonat-Lösung zu. Dabei ist zu beachten, dass bei pH 8,5 viele in wasserhaltigen Systemen vorkommende Konservierungsmittel wie Parabene, Sorbinsäure bzw. Sorbinsäure/Kaliumsorbat-Gemische wie hier in der Ungt. emulsific. aquos. eingesetzt, Benzoesäure, Benzylalkohol u. a. im basischen Milieu nicht mehr wirksam sind.
Um die mikrobielle Stabilität zu gewährleisten, müssen solche Zubereitungen nach-konserviert werden. Hierzu eignet sich vorzugsweise Propylenglykol in einer Konzentration von 20% [bezogen auf die Wassermenge], da es pH-unabhängig konservierend wirkt.
Die o. a. angegebene Rezeptur müsste daher in folgender Weise optimiert werden. Die Herstellung sollte in folgenden Schritten ablaufen:
1. Erythromycin (evtl. Einwaage faktorisieren) mit Propylenglykol anreiben 2. in Ungt. emulsific. aquos. einarbeiten und auf etwa 45 g auffüllen 3. 0,1 g Trometamol auf die Oberfläche von 2. aufstreuen und so lange rühren, bis es nicht mehr in der Reibschale knirscht. 4. mit Universal-Indikator-Papier oder pH-Stäbchen (vorzugsweise mit halben pH-Wert-Anzeigen) den pH überprüfen 5. eine weitere kleine Menge Trometamol aufstreuen, umrühren, pH prüfen; 6. Vorgang wiederholen, bis das Stabilitätsoptimum von pH 8,5 erreicht ist. 7. mit Rest von Ungt. emulsific. aquos. ad 50 g auffüllen
Als weitere Alternative kommt die standardisierte Formulierung im NRF in Frage: Hydrophile Erythromycin – Creme 2% (NRF 11.77.)
Da Erythromycin eine Base darstellt und in der ambiphilen bzw. hydrophilen Creme dieser NRF-Vorschrift einen pH von etwa 10 erzeugt, muss dieser pH durch Zugabe einer Citronensäure-Lösung auf das Optimum von 8,5 "zurückgeholt" werden. Die Gegenwart ausreichender Mengen an Propylenglykol garantiert die mikrobielle Stabilität der fertigen Zubereitung.
Für die Verarbeitung von wasserhaltigen Erythromycin-Rezepturen sind grundsätzlich folgende Regeln zu beachten:
a) Erythromycin sollte stets allein in Individualrezepturen verordnet werden. Nur dann lässt sich sein Stabilitätsoptimum optimal einstellen und die mikrobielle Stabilität des jeweiligen Vehikelsystems garantieren. b) Die Dermatologen oder Ärzte anderer Fachrichtungen sollten von den Apotheken auf die Säurelabilität von Erythromycin nachdrücklich hingewiesen und dazu bewegt werden, ausschließlich standardisierte Formulierungen zu verordnen, so wie sie im NRF zu finden sind, z. B.: Hydrophile Erythromycin-Creme 0,5 / 1 / 2 oder 4% (NRF 11.77.) Ethanolhaltige Erythromycin-Lösung 0,5 / 1 / 2 oder 4% (NRF 11.78.) Ethanolhaltiges Erythromycin-Gel 0,5 / 1 / 2 oder 4% (NRF 11.84.)
Alle anderen "freien" Individualrezepturen müssen sich an diesem Standard messen lassen.
In unserer neuen Rubrik "Praxisfragen" stellen wir pharmazeutische Probleme aus dem Apothekenalltag vor und geben Lösungsvorschläge. Die ersten Folgen befassen sich mit galenischen Aufgaben und dermatologischen Fragen. In dieser Ausgabe: Tipps bei Problemen mit der Verarbeitung des Makrolid-Antibiotikums Erythromycin in Rezepturen.
Rezeptur-Beispiel (optimiert)
Erythromycin 1,0 Propylenglykol 3,0 Trometamol q.sat. pH 8,5 Ungt. emulsific. aquos. ad 50,0
Literaturtipp Rezepturen – Probleme erkennen, lösen, vermeiden
Zur Vertiefung des Themas Rezepturprobleme in der Apothekenpraxis wird auf das im Deutschen Apotheker Verlag erschienene Buch "Rezepturen – Probleme erkennen, lösen, vermeiden" von Dr. G. Wolf, Prof. Dr. R. Süverkrüp, Hrsg. Dr. G. Keller verwiesen.
Es enthält zahlreiche in der Praxis aufgetretene Rezepturprobleme und deren Lösungen. Ein klarer didaktischer Aufbau erlaubt eine sehr schnelle Orientierung in der Praxis.
Rezepturen – Probleme erkennen, lösen, vemeiden. Von Gerd Wolf und Richard Süverkrüp. Hrsg. Von G. Keller. 192 Seiten; Materialien für die Weiterbildung. ISBN 3769229886, Preis 45 Euro.
Zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag Stuttgart, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart, Tel. (07 11) 25 82-3 50, Fax (07 11) 25 82-2 90, E-Mail Service@Deutscher-Apo theker-Verlag.de, www.Deutscher- Apotheker-Verlag.de
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