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Bundestag beschließt Novellierung des Arzneimittelgesetzes
Die Bundestagsabgeordnete Marlies Volkmer (SPD) – Berichterstatterin im Gesetzgebungsverfahren – erklärte im Plenum, der Pharmastandort Deutschland werde von den neuen Zustimmungs- und Genehmigungsverfahren der AMG-Novelle profitieren. Das Gesetz sei ein "gutes Zeichen" für die Firmen. "Eine starke Pharmaindustrie in Deutschland verbessert auch die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten".
Volkmer betonte zudem die Verbesserungen der Arzneimittelsicherheit für Kinder durch das Gesetz: Durch die Einführung des Kriteriums der Gruppennützigkeit soll die Entwicklung spezifischer Arzneimittel für Kinder und Jugendliche erleichtert werden. "Danach ist nicht nur der unmittelbare individuelle Nutzen für eine klinische Prüfung notwendig, sondern auch ein direkter Nutzen für die Gruppe der Patienten, die an der derselben Krankheit leidet wie die Versuchsperson", erläuterte Volkmer. Damit soll auch der riskante Off-label-use von Erwachsenenmedikamenten beendet werden.
Dem Schutz der minderjährigen Probanden sollen zudem die Neuregelungen zum Datenaustausch zwischen Ethikkommissionen und Bundesoberbehörden dienen. Letztere haben "Zugriff auf die europäische Datenbank, in der Informationen über den Inhalt, den Beginn, aber auch über die Beendigung und den Abbruch klinischer Prüfungen registriert werden", so Volkmer.
Union: Spielräume der EU nicht ausreichend genutzt
Die Opposition lehnte das neue Regelwerk hingegen ab. Der CDU-Abgeordnete Wolf Bauer – ein ausgebildeter Apotheker – kritisierte, es wurde die "Chance vertan, den vorhandenen Spielraum im deutschen Interesse auszuschöpfen". Unter anderem sei es "nicht förderlich", dass die explizite Genehmigung für bestimmte Arzneimittel beibehalten wurde.
Die EU-Richtlinie sieht dieses Genehmigungsverfahren zwingend nur für Arzneimittel zur Gentherapie/somatischen Zelltherapie (inkl. xenogener Zelltherapie) sowie bei der Prüfung von Arzneimitteln mit genetisch veränderten Organismen vor. Die Koalitionsfraktionen wollen die explizite Genehmigung aber auch für noch nicht zugelassene Arzneimittel, die z. B. unter das zentrale Zulassungsverfahren fallen und die biologischen Ursprungs sind.
Der Hinweis von Rot-Grün, dass die Genehmigungsfrist höchstens 60 Tage betrage, die Genehmigung also auch früher erteilt werden kann, tröstet die Union nicht: "Angesichts der Erfahrung mit der Nachzulassung besteht die Gefahr, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Bearbeitung auch hier nicht bewältigen kann", so Bauer. Darüber hinaus kritisierte der Unionspolitiker, die dezentrale Ansiedlung von Kontaktstellen auf Länderebene, bei denen Prüfungsteilnehmer Informationen einholen können. Damit entstehe "unnötiger Verwaltungsaufwand und eine Zeitverzögerung", so Bauer.
Auch dass die Verjährungsfrist für die Gebührenerhebung beim BfArM rückwirkend aufgehoben werden soll, lehnt die Union ab. Das Bundesgesundheitsministerium, so Bauer, räume selbst ein, dass es zu einer verfassungsrechtlichen Überprüfung der geänderten Vorschrift kommen könne. "Rechtssicherheit, ein ganz wichtiges Gut, kann durch diese Regelung somit nicht erreicht werden", betonte der CDU-Politker.
Grüne: Für Union sind monetäre Aspekte zentral
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen Biggi Bender erklärte, die Umsetzung der Richtlinie sei notwendig gewesen, da sehr unterschiedliche rechtliche Bestimmungen in den EU-Mitgliedstaaten existierten. Jetzt werde die Durchführung multinationaler Prüfungen vereinfacht sowie der Patienten- und Probandenschutz innerhalb der EU weiterentwickelt. Das nun vorliegende Gesetz sei "ein bedeutender Schritt in Richtung einer Arzneimittelforschung und -versorgung, der die bestehenden unterschiedlichen Wirkungsweisen von Medikamenten bei Frauen, Kindern und Jugendlichen berücksichtigt", so Bender.
Sie betonte zudem, dass nun klar gestellt sei, dass eine klinische Forschung an gesunden Kindern nicht durchgeführt werden darf. Auch müsse der Willen des kranken Minderjährigen, an einer klinischen Forschung nicht teilzunehmen, beachtet werden. An die Adresse der Union gerichtet wies die grüne Gesundheitspolitikerin darauf hin, dass ethische Aspekte zwischen CDU/CSU sowie Rot-Grün im Gesetzgebungsverfahren nicht strittig blieben – wohl aber solche, in denen es um Geld ging, etwa die Frage der verjährten Gebührenansprüche oder der wohnortnahen Kontaktstellen. Bender: "Sie wollten die Kassen der Pharmaindustrie ebenso wie die der Länder schonen".
FDP: Ablehnung wegen zu viel Bürokratie
Der FDP-Gesundheitspolitiker Detlef Parr betonte, dass man sich in vielen Punkten der AMG-Novelle einig geworden sei. So etwa in der Frage der Forschungsmöglichkeiten bei nicht-einwilligungsfähigen Personen. Zu begrüßen sei auch, dass es nach dem neuen Gesetz weiterhin möglich sei, Pflanzen oder Pflanzenteile zu importieren. Andererseits kritisierte auch Parr "bürokratische Lösungen". Es sei "nicht nachzuvollziehen, warum die Zahl der Krankheitsbilder erhöht worden ist, bei denen eine explizite Genehmigung eingeholt werden muss". Auch die rückwirkende Aussetzung der Verjährungsfristen sei letztlich ein Grund, warum die FDP den Gesetzentwurf ablehne.
Auch die SPD hat Vorbehalte
Auch der SPD-Abgeordnete und Mediziner Wolfgang Wodarg stimmte gegen den Gesetzentwurf. Ihm widerstrebt, dass der Prüfer bei klinischen Prüfungen nur noch "in der Regel", nicht jedoch zwingend ein Arzt zu sein hat. Er warnte davor, dass auf nicht-ärztliche Studienleiter das ärztliche Berufsrecht nicht angewendet werden könne.
Weitere Regelungen der Novelle
Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus unter anderem folgende Änderungen vor: Zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit für Kinder und Jugendliche soll eine Kommission Arzneimittel für Kinder und Jugendliche beim BfArM eingerichtet werden, die insbesondere im Rahmen von Zulassungsverfahren Stellungnahmen zur Anwendung von Arzneimitteln bei Kindern und Jugendlichen abgeben kann.
Was Arzneimittelfälschungen betrifft, so werden die Regelungen des AMG, die auf eine mindere Qualität gefälschter Arzneimittel und deren Auswirkungen abheben, klarer gefasst. Zudem wird der Strafrahmen für die Herstellung oder das Inverkehrbringen von gefälschten Arzneimitteln verschärft (maximal drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe).
Verstöße gegen das Werbeverbot für nicht zugelassene Arzneimittel sollen in Zukunft als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Geändert werden auch die Pflichten zur Meldung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Von Bedeutung ist dabei der Aufbau eines EU-weiten Datenbanksystems, das den Informationsaustausch über schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen zwischen den Mitgliedstaaten sicherstellen soll.
Der Bundesrat muss noch zustimmen
Der Gesetzentwurf bedarf nun noch der Zustimmung des Bundesrates. Die Länderkammer hatte bereits im Dezember 2003 eine Stellungnahme zum Gesetzentwurf abgegeben. Abgesehen von den nach wie vor von der Opposition bemängelten Regelungen der Novelle wurde auch ein Teil der Änderungsvorschläge in den nunmehr vorliegenden Gesetzentwurf aufgenommen. So ist man jetzt einig, dass die Arzneimittelpackung die Bezeichnung des Arzneimittels auch in Blindenschrift tragen muss. Zudem wurden etwa Erleichterungen für bestimmte traditionelle Arzneimittel in der Nachzulassung geregelt.
Im Abschnitt über die Herstellung von Arzneimitteln ist nun ermöglicht, Teilschritte der Herstellung von Prüfpräparaten auch in Apotheken vorzunehmen, sofern dies von der Herstellungserlaubnis gedeckt ist. Auch der von der Regierungskoalition angedachte Wegfall der Zustimmungspflicht des Bundesrats zu der Rechtsverordnung, die die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln festlegt, ist im neuesten Gesetzentwurf nicht mehr enthalten.
Eigentlich muss die EU-Richtlinie zur klinischen Prüfung bis spätestens 1. Mai in den Mitgliedstaaten umgesetzt sein. Die nächste planmäßige Sitzung des Bundesrats ist allerdings erst am 14. Mai.
Der Bundestag hat am 2. April eine Änderung des Arzneimittelgesetzes (AMG) verabschiedet. Mit der Novelle werden mehrere EU-Richtlinien umgesetzt. Geändert wurden unter anderem die Vorschriften zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln. Kernpunkte sind die Beteiligung von Ethik-Kommissionen und der zuständigen Bundesoberbehörde am Verfahren, Regelungen zur Unterstützung klinischer Prüfungen bei Kindern sowie Klarstellungen zur Probandenversicherung. Zudem sieht das Gesetz Änderungen bei den Bestimmungen zur Überwachung unerwünschter Nebenwirkungen sowie einen Erlaubnisvorbehalt für pharmazeutische Großhändler vor.
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