Arzneistoffporträt

T. WegenerBrennnesselwurzelextrakt bei gutartiger Pr

Mit zunehmendem Alter kommt es bei vielen Männern zu einer rektal-palpatorisch ertastbaren gutartigen, knotigen Vergrößerung der Prostata (BPH; benigne Prostatahyperplasie). Betroffen sind 25% der 40- bis 50-Jährigen und 80% der über 70-Jährigen. Fast jeder zweite ist bzw. wird in seinem Leben von einer BPH betroffen. Die Hyperplasie der Prostata ist bei 75 bis 100% aller Männer über 65 Jahren nachweisbar, führt jedoch nur bei einem Teil (ca. 30 Ų 40%) zu Beschwerden der Blasenfunktion [2, 7, 8, 18, 19]. Von allen Betroffenen entscheiden sich etwa 20% für eine operative Therapie und 50 bis 65% für die medikamentöse Therapie; die Übrigen verbleiben ohne Therapie [16, 19].

Der Anlass für den Patienten, erstmalig einen Arzt oder Apotheker aufzusuchen und um Diagnose oder Rat zu fragen, beruht auf den typischen Miktionsstörungen (s. Kasten). Die Ätiologie der BPH ist trotz zahlreicher Bemühungen bis heute nicht abschließend geklärt. Diskutiert werden heute fünf Hypothesen (s. Kasten): die Dihydrotestosteron-, die Östrogen-, die Stroma-Epithel-Wechselwirkungs-, die Stammzell- und die Verminderte Zelltod-Hypothese [2, 8, 19].

Bei fast allen Betroffenen ist zudem eine Kongestion (intraalveolärer Drüsenstau und/oder ein interstitielles Ödem ohne Entzündung) in unterschiedlichem Ausmaß etabliert. Eine Begleitentzündung (reaktive Prostatitis) liegt bei etwa 80% der Patienten vor [2, 19].

Diagnostik

Zur Diagnose einer BPH ist die genaue Erfassung der vorliegenden Beschwerden erforderlich. Dafür wie auch zur Bewertung einer Therapie gilt heute der standardisierte Internationale Prostata Symptomen Score (IPSS) zur Quantifizierung der subjektiven Symptome als anerkannt (s. Kasten). Bei der Anamnese werden Fragen zur Miktion, zum Trinkverhalten und zu sonstigen Beschwerden gestellt. Eine körperliche Untersuchung umfasst u. a. die digitorektale Untersuchung, die Uroflowmetrie sowie die Sonographie des Harntrakts mit der Restharnbestimmung. Labordiagnostisch werden Urinsediment und -kultur, Kreatinin im Serum sowie der PSA-Wert (prostataspezifisches Antigen) bestimmt [8, 23].

Therapie

Nach der Diagnostik wird – je nach vorhandenem Schweregrad – die Entscheidung für eine sinnvolle Therapie (chirurgische Operation oder Medikation) oder ein kontrolliertes Zuwarten getroffen. Liegt nur eine geringe Beschwerdeintensität vor (definiert für einen IPSS von weniger als 7 Punkten), ist eine Therapie nicht zwingend erforderlich. In vielen Fällen – nicht zuletzt auch aus ökonomischen Gründen – wird für ein kontrolliertes Zuwarten entschieden. Für eine Pharmakotherapie stehen Phytotherapeutika, alpha-Adrenozeptorenblocker oder 5-alpha-Reduktasehemmer zur Verfügung.

Eine etablierte lange Tradition in der Therapie der BPH-assoziierten Miktionsbeschwerden haben pflanzliche Arzneimittel. Eingesetzt werden die Brennnesselwurzel, die Wurzel von Hypoxis rooperi, die Früchte der Sägezahnpalme, Kürbissamen und Gräserpollen [11, 14, 24]. Für wässrig-alkoholische Zubereitungen aus der Brennnesselwurzel liegen Studien mit mehreren tausend BPH-Patienten vor.

In diesen Studien zeigte sich eine deutliche Besserung subjektiver und objektiver Miktionsbeschwerden bei gleichzeitig ausgezeichneter Verträglichkeit. So wurden z. B. eine Verminderung des nächtlichen Harndrangs (Nykturie) und der Restharnmenge sowie eine Steigerung des Uroflow nachgewiesen [1, 3, 4, 9, 16, 17, 20].

Als pharmakologische Basis der klinischen Wirksamkeit der Brennnesselwurzel gelten die Hemmung der 5-alpha-Reduktase und der Aromatase, Wechselwirkungen mit dem SHBG (Sexualhormon-bindendes Globulin), eine Hemmung proinflammatorischer Mediatoren sowie antiphlogistische Eigenschaften. Tierexperimentell wurde eine Reduktion des Prostatavolumens, in humanpharmakologischen Studien eine Abnahme der Zellproliferation gefunden [5, 6, 10, 12, 15, 21, 22, 25].

Planung und Durchführung der Studie

Kenndaten In einer Anwendungsbeobachtung wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit eines 20%igen alkoholischen monographiekonformen Brennnesselwurzelextraktes (Prosta-Truw®) untersucht. In die Studie wurden in 49 Zentren 525 Patienten mit benigner Prostatahyperplasie in den Stadien II und III nach Vahlensieck aufgenommen, wobei das Stadium II überwog (77,3%).

Die Patienten hatten ein mittleres Alter von 64,1 Jahren und waren leicht übergewichtig (mittlerer Body-Mass-Index von 26,1 kg/m²). Die semiquantitative Palpation ergab – trotz Vorliegen der Miktionsbeschwerden – für 22,7% keinen auffälligen Befund; bei den weiteren Patienten verteilten sich die Palpationsbefunde auf 42,7% für "+", 27,8% für "++" und 2,5% für "+++".

Das Prüfmedikament wurde über einen Therapiezeitraum von 3 Monaten angewandt. Zur Bewertung der Therapie nach 6 und nach 12 Wochen dienten sowohl typische Symptome als auch der IPSS. Weiterhin wurden die Urinbefunde sowie relevante laborchemische Werte dokumentiert. Alle erhobenen Daten wurden deskriptiv ausgewertet und dargestellt (s. Kasten).

Dosierung, Begleiterkrankungen und Begleittherapie Die Anwendungsempfehlungen von 3 x 1 Kapsel täglich wurden von 87,4% eingehalten; in Einzelfällen wurden bis zu 6 Kapseln/Tag eingenommen. Während der Studiendauer behielten 18 Patienten (3,4%) ihre anderweitige Pharmakotherapie der Miktionsbeschwerden bei (1 x Adrenozeptorblocker, 2 x 5-alpha-Reduktasehemmer, 3 x nichtsteroidale Antiphlogistika, 4 x Phytopharmaka oder Homöopathika).

Von 253 Patienten mit nicht-konkurrierenden Begleiterkrankungen setzten 80,6% die Einnahme ihrer Medikation auch während der Studie fort; unter den Begleiterkrankungen dominierten Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.

Ergebnisse der Studie

Klinische Befunde Bei allen erhobenen klinischen Befunden ergab sich eine deutliche und zunehmende Verbesserung im Therapieverlauf, vor allem bezogen auf die Miktions-assoziierten Symptome. Die abgefragten Symptome bildeten sich im Mittel um etwa ein Drittel zurück, wobei die Rückbildungsraten zwischen 16% und 49% lagen. Das beste Ergebnis zeigte sich bei der Nykturie. Im explorativen Mantel-Haenszel-Test waren die Symptomrückbildungen im Vor-Nach-Vergleich signifikant (Tab. 1).

IPSS und Lebensqualität Der Internationale Prostata-Symptomen-Score (IPSS) sank im Studienverlauf von 16,7 (Ausgangswert) auf 11,6 Punkte nach 6 Wochen (– 30,8%) und auf 8,9 Punkte (– 46,8%) nach 12 Wochen (Abb. 1). Berücksichtigt man die Definition des Schweregrades (0 – 7 = leichte Symptomatik, 8 – 19 = mäßige Symptomatik, 20 – 35 = schwere Symptomatik), so darf die Veränderung in dieser Studie als klinisch relevant betrachtet werden. Bezogen auf die Einzelfragen war der Therapieeffekt auch hier am deutlichsten bei der Frage zum "nächtlichen Aufstehen, um Wasser zu lassen".

Im explorativen Mantel-Haenszel-Test waren die Veränderungen aller IPSS-Einzelscores im Vor-Nach-Vergleich signifikant. Der Lebensqualität-Score sank von initial 3,2 auf 2,1 Punkte (– 34,5%) zum Zeitpunkt der Zwischenuntersuchung und auf 1,6 Punkte (– 50%) am Ende der Studie (Abb. 2).

Laborchemische Befunde Die Therapeuten waren um die Mitteilung von Urin- bzw. Blutbefunden gebeten worden, sofern diese routinemäßig erhoben wurden. Für Hämoglobin, Eiweiß und Leukozyten wurde eine Verbesserung der Befunde dokumentiert; keine Änderungen ergaben sich für die Glucosewerte.

Uroflow und Restharn Der mittlere Uroflow, der für 102 Patienten gemessen und dokumentiert wurde, verbesserte sich im Studienverlauf von 11,14 ml/s über 14,22 ml/s auf 15,74 ml/s, was einer Zunahme von 41,4% entspricht (Abb. 3). Die mittlere Restharnmenge, hier für 172 Patienten, verminderte sich von 72,8 ml über 49,8 ml auf 42,7 ml (– 41,4%; Abb. 4).

Urteil der Patienten und Therapeuten Insgesamt 317 Patienten (60,4%) führten die Therapie mit dem Brennnesselwurzelextrakt auch nach Ende der Studie weiter; 142 Patienten (27%) beendeten die Therapie regulär, da keine Beschwerden mehr vorlagen oder sie nicht mehr therapiepflichtig waren. Die therapeutische Wirkung trat im Urteil der Patienten nach etwa 25 Tagen ein; 6% der Patienten gaben den Wirkeintritt innerhalb von 7 Tagen, 26% nach 8 bis 14 Tagen, 29% nach 15 bis 30 Tagen und 21% nach ca. 21 Tagen an.

Bei der abschließenden globalen Bewertung der Wirksamkeit (5-stufige Verbal Rating Scales) bewerteten die Therapeuten für 70,2% der Patienten die Therapie mit "ausgezeichnet" oder "gut", für 16,2% mit "mäßig" und für 13,1% mit "minimal" oder "unzureichend". Die Bewertung durch die Patienten selbst war vergleichbar.

Verträglichkeit 47 Patienten (9%) brachen die Therapie vorzeitig ab. Als Grund hierfür wurde in 25 Fällen (4,8%) eine "unzureichende Therapie" angegeben, in 12 Fällen wurde eine Prostataoperation durchgeführt, in 2 Fällen wurde das Arzneimittel von den Patienten abgelehnt, und in einem Fall wurde die Studie wegen unerwünschter Ereignisse (Übelkeit und Völlegefühl) beendet (bei den übrigen Fällen lagen andere Gründe vor).

Die Therapeuten bewerteten die globale Verträglichkeit in 41,5% der Fälle mit "ausgezeichnet", in 53% mit "gut", in 3,6% mit "mäßig" und in 1,9% mit "minimal" oder "unzureichend"; der mittlere Wert auf der 5-stufigen Skala lag bei 1,67. Die Bewertungen durch die Patienten waren ebenfalls vergleichbar: 41,5% "ausgezeichnet", 53,3% "gut", 3,4% "mäßig", 1,8% "minimal" oder "unzureichend".

Responder-Analysen Eine explorative Responder-Analyse in Bezug auf Einflussgrößen wie das Alter oder den BMI ergab keine besonderen oder auffälligen Befunde. Die Analyse zeigte, dass die Therapeuten den Therapieerfolg bei Patienten mit leichteren Stadien der BPH etwas besser beurteilten.

Diskussion

Die Ergebnisse dieser Studie konnten die bisher bekannten Erkenntnisse zur Wirksamkeit und ausgezeichneten Verträglichkeit der Brennnesselwurzel bei Patienten mit Miktionsbeschwerden bestätigen. Bei Anwendung des Prüfpräparates (Prosta-Truw®) zeigte sich über 3 Monate eine relevante Besserung typischer Beschwerden, eine Wirkung, die parallel mit der Therapiedauer, offenbar auch mit der Beschwerdeintensität, an Wirkstärke zunimmt. Auch der Lebensqualität-Score zeigte eine sehr deutliche Verbesserung.

In den letzten Jahren sind die pflanzlichen Arzneimittel, die zur Behandlung der BPH angeboten werden, immer wieder in Kritik geraten. Dies beruht primär auf den Empfehlungen einer BPH-Konsensuskonferenz der WHO, nach der die Wirksamkeit eines Pharmakons bei der BPH in plazebokontrollierten Studien geprüft werden sollte. Wegen einer möglichen spontanen Verbesserung BPH-induzierter Symptome sollten diese zudem als Langzeituntersuchungen mit einem Nachuntersuchungszeitraum von mindestens einem Jahr durchgeführt werden.

Langzeitstudien mit pflanzlichen Arzneimitteln bei der BPH liegen bisher jedoch kaum vor, was deren Bedeutung für eine Empfehlung zur (Langzeit-) Therapie eingeschränkt hat. Es ist allerdings in vielen Studien – wie auch hier – gezeigt worden, dass Phytopharmaka die den Patienten besonders belastenden Miktionsbeschwerden in kurzer Zeit bessern können.

Da generell gilt, dass die unkomplizierte BPH ohne massive Restharnbildung keine gefährliche Erkrankung ist, kommt es hauptsächlich darauf an, die Beschwerdesymptomatik der Betroffenen zu lindern, was mit Phytopharmaka gelingt. Ein weiterer Vorteil der Phytopharmaka liegt in ihrer ausgezeichneten Verträglichkeit, wie hier am Beispiel der Brennnesselwurzel gezeigt wurde.

Patienten mit leichter bis mittlerer Symptomatik kann daher ein pflanzliches Arzneimittel, wie der geprüfte Brennnesselwurzelextrakt, empfohlen werden. In der Packungsbeilage wird darauf hingewiesen, dass pflanzliche Arzneimittel die Beschwerden bei vergrößerter Prostata verbessern, ohne jedoch deren Größe zu vermindern. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sollten daher beibehalten werden.

Miktionsstörungen

Obstruktive Symptome / Irritative Symptome Abgeschwächter Harnstrahl / Häufigeres Wasserlassen Verlängerte Miktion / Schmerzen beim Harnlassen Harnstottern / Harndrang Nachtröpfeln / Harninkontinenz Restharn / Restharngefühl

Die fünf BPH-Hypothesen

Dihydrotestosteron-Hypothese: Erhöhung des intrazellulären DHT, erhöhte Androgenrezeptorspiegel; erhöhte 5-alpha-Reduktase-Aktivität

Östrogen-Hypothese: Konzentrationen von Östrogenen und Sexualhormon-bindendem Globulin (SHBG) erhöht, Abnahme von Testosteron

Stroma-Epithel-Wechselwirkungs-Hypothese: Stromale Faktoren stimulieren epitheliales Wachstum, verantwortliche Wachstumsfaktoren u. a. EGF, TGF-β und FGF

Stammzell-Hypothese: Abnorme Proliferation von Stammzellen, deutliche Überproduktion differenzierter, stromaler und in der Folge epithelialer Zellen (Verhältnis von Stroma zu Drüsengewebe in gesunder Prostata ca. 2 : 1; bei BPH ca. 5 : 1)

Verminderte Zelltod-Hypothese: BPH-Gewebe verfügt im Vergleich zu gesundem Gewebe über eine geringere Mitosegeschwindigkeit, erhöhte Östrogenspiegel führen zu einer verlängerten Lebensdauer der Prostatazellen.

Daten zur Studie und zur Studienpopulation

Anzahl der Studienzentren: 49 Anzahl der Patienten: 525 Mittleres Alter: 64,06 &lusmn; 9,64 Jahre Body-Mass-Index: 26,1 ± 2,9 Aufnahmediagnose: BPH nach Vahlensieck – Stadium II: 77,3% – Stadium II – III: 0,4% – Stadium III: 14,7% Dauer der Beschwerden: ca. 40 Wochen Vortherapie: 277 Patienten (47,2%), darunter: 121 x Phytopharmaka 69 x Betasitosterin 34 x Brennnesselwurzel 33 x Homöopathika 62 x andere Pharmakotherapie einer Begleiterkrankung: 253 Patienten (48,2%; Mehrfachnennungen), darunter: 103 x kardiovaskuläre Erkrankungen 54 x Diabetes 20 x Fettstoffwechselstörungen 20 x Rheumatische Erkrankungen 20 x Gastrointestinale Erkrankungen 17 x Nieren/Harnwegs-Erkrankungen 37 x andere Studienmedikation: Prosta-Truw®; 1 Weichkapsel enthält 240 mg Trockenextrakt aus Brennnesselwurzel, DEV 6,7 – 8,3:1, Auszugsmittel Ethanol 20%; Empfohlene Tagesdosis: 3 Kapseln

Steckbrief Urticae radix

Stammpflanzen: Urtica dioica L., Urtica urens L. sowie Hybriden Verwendete Pflanzenteile: getrocknete Rhizome und Wurzeln Wirksamkeitsrelevante Inhaltsstoffe: δ-5-Sterole, 3-β-Sitosterin, Cumarin (Scopoletin), Urtica-dioica-Agglutinine, Lignane, Polysaccharide Wirkungen: Antikongestiv, antiinflammatorisch, immunmodulierend, Interaktionen mit SHBG, Hemmung der 5-α-Reduktase, der 3α- und 3β-Hydroxysteroid-Dehydrogenasen und der Aromatase.

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