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GKV: Hausarztmodelle in der Planung
So hatte es sich die Regierungskoalition von Anfang an vorgestellt: Der Hausarzt als Lotse, der den Patienten durchs Gesundheitssystem leitet und somit vermeidet, dass es zu Mehrfachuntersuchungen und Doktor-Hopping kommt. Eine Praxisgebühr sollte nur dann anfallen, wenn ein Patient ohne vorherige Konsultation seines Hausarztes direkt einen Facharzt aufsucht.
In den Konsensverhandlungen mit der Union und der FDP hatte die rot-grüne Idee jedoch keinen Bestand. Statt dessen wurde die generelle Praxisgebühr von zehn Euro eingeführt – und in der Öffentlichkeit erschien diese neue Zuzahlung prompt als Kern der Gesundheitsreform. Doch die Möglichkeit, Versicherten die ungeliebte Praxisgebühr über Modelle der hausarztzentrierten Versorgung zu ersparen, ist ein ebensolcher Bestandteil des GMG.
Am vergangenen Wochenende entfachte die Diskussion hierüber, nachdem die Barmer Ersatzkasse bekannt gegeben hatte, noch in diesem Jahr ein Hausarztmodell einführen zu wollen. Dies bedeutet jedoch nicht die Abschaffung der Praxisgebühr. Vielmehr wird es im Falle der Barmer voraussichtlich darauf hinauslaufen, dass Versicherte am Jahresende 40 Euro zurück bekommen, wenn sie sich verpflichten, im Krankheitsfall immer zuerst ihren Hausarzt aufzusuchen.
In der zweiten Jahreshälfte soll es los gehen
Eckart Fiedler, Vorstandsvorsitzender der Barmer, erklärte am 19. April im Deutschlandradio, die Barmer Ersatzkasse habe mit dem Deutschen Hausärzteverband und der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft einen Vorvertrag geschlossen. "Wir haben noch gewisse Fragen zu klären – deshalb Vorvertrag –, aber es wird zügig daran weitergearbeitet".
In der zweiten Jahreshälfte soll die praktische Umsetzung beginnen. Fiedler betont, die Freiwilligkeit des Modells – sowohl für Ärzte als auch für Versicherte. Wer sich für eine Teilnahme entscheide, verpflichte sich allerdings, sich besonderen Konditionen zu unterwerfen. Zum Beispiel müsse der Hausarzt besondere Qualifikationsanforderungen erfüllen, Fortbildungen nachweisen und eine evidenzbasierte Medizin versprechen, so Fiedler.
Ob sich mit dem Modell tatsächlich sparen lässt, weiß der Barmer-Chef noch nicht. Klar sei jedoch, dass es derzeit erhebliche Qualitätsdefizite in der Versorgung gebe – so komme es zu Doppeluntersuchungen und belastenden Untersuchungen. "Wir wissen auch, dass in der Frage der Arzneitherapie Qualitätsdefizite da sind", sagte Fiedler.
Deshalb wolle man ein Qualitätsmanagement aufziehen. Sollte das Hausarztmodell nicht das Geld einbringen, das durch den Verzicht auf die Praxisgebühr verloren geht, werde die Barmer das Programm wieder einstellen, erklärte Fiedler. Denn das GMG bestimmt, dass nachgewiesen werden muss, dass der gezahlte Bonus durch Einsparungen an anderer Stelle wieder aufgewogen wird.
An eine Beitragssatzsenkung durch das Modell glaubt Fiedler momentan allerdings nicht. Anlass für die Einführung des Hausarztmodells sei weniger, den Beitrag senken zu wollen, als das Bewusstsein zu stärken, qualitätsbewusster handeln zu müssen, so der Kassenchef.
Andere Kassen wollen nachziehen
Neben der Barmer arbeiten weitere gesetzliche Krankenkassen an Hausarztmodellen. So will die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) nach Angaben eines Sprechers spätestens im Herbst ein entsprechendes Modell anbieten. Die Vorbereitungen liefen "auf Hochtouren".
Auch bei der Techniker-Krankenkasse (TK) geht es voran: "Wir werden unsere Vertragsverhandlungen bis Ende April abschließen", sagte TK-Sprecherin Dorothee Meusch. Auch die Gmünder Ersatzkasse und die Innungskrankenkassen denken Presseberichten zufolge über entsprechende Modelle nach. Die AOKen wollen zunächst noch die Ergebnisse eines Modellversuchs in Baden-Württemberg abwarten, bevor sie das Hausarztmodell anbieten.
Der Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Hans Jürgen Ahrens, gab zu bedenken, dass die Modelle "qualitative Merkmale erfüllen und sich rechnen" müssten. Die Mediziner müssten daher entsprechend geschult sein. Einsparungen zweifelt auch Ahrens an: Schon jetzt gingen über 60 bis 70 Prozent der Patienten zunächst zum Hausarzt.
BKKen wollen mithalten
Die über 200 Betriebskrankenkassen (BKK) wollen ebenfalls mitmischen. Karl Lauterbach, Kölner Gesundheitsökonom und Mitglied des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen, gibt den kleinen Kassen allerdings keine große Chance. Ärzteverbände hätten ein Interesse daran, zuerst mit den mitgliederstärksten Versicherungen zu verhandeln, sagte Lauterbach dem Spiegel-online.
Schon bei den Chroniker-Programmen habe sich gezeigt, dass die hochwertigen Programme vor allem von großen Kassen durchgeführt werden. Dieser Wettbewerbsvorteil könnte den von der Regierung erwünschten Nebeneffekt haben, dass sich die Anzahl der Krankenkassen verringern wird.
Der BKK-Bundesverband konterte, dass die geringere Größe der BKKen gerade ein Vorteil sei. So habe man "die Möglichkeit, mehr zu machen, als ein Pauschalangebot für viele Millionen Versicherte". Allerdings werde man genau prüfen, mit wem ein Vertrag für ein Hausarztmodell abgeschlossen werde. Die BKK wolle dies z. B. mit besonderen Anforderungen wie einer Fortbildungspflicht für die teilnehmenden Ärzte verbinden.
Zuspruch aus der Politik
Das Bundesgesundministerium begrüßte die Initiativen. Die beabsichtigten strukturellen Veränderungen begännen zu greifen, sagte eine Sprecherin. Auch Biggi Bender, die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, zeigte sich über die Ankündigungen der Kassen erfreut. Es müsse jedoch der Grundsatz gelten "Qualität geht vor Schnelligkeit".
Bevor es losgehen könne, müssten zwischen Krankenkassen und Hausärzten Vereinbarungen geschlossen werden, um etwa die notwendigen Qualitätsanforderungen festzulegen. Auch von der Union kam Zuspruch zu der neuen Wahlmöglichkeit für Versicherte.
So sagte der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Hermann Josef Arentz, der "Maßanzug in der Krankenversicherung" dürfe nicht länger nur ein Privileg der privat Versicherten sein. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dieter Thomae, begrüßte die neue Option für die Patienten, sich wahlweise für ein Hausarztmodell zu entscheiden, ebenfalls. Er bezweifelte allerdings, dass hiermit Geld eingespart werden kann.
Ärzte kritisch
Kritisch äußerte sich hingegen die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Ihr Sprecher, Roland Stahl, erklärte, es bestehe die Gefahr, dass die Kassen bei einem Verzicht auf die Gebühr ihren Spielraum für Beitragssenkungen beschnitten. Einsparungen hält er bestenfalls auf lange Sicht für möglich.
Der Vorsitzende des Hartmann-Bundes, Hans-Jürgen Thomas, appellierte an die Patienten, sich reiflich zu überlegen, ob es die 40 Euro Rückerstattung am Jahresende wirklich wert seien, "das elementare Recht auf die freie Arztwahl aufzugeben".
Das GKV-Modernisierungsgesetz hat die Grundlage für die so genannte Hausarzt-zentrierte Versorgung geschaffen. Hiernach können sich gesetzlich Versicherte gegenüber ihrer Krankenkasse verpflichten, ambulante fachärztliche Leistungen nur auf Überweisung des von ihnen gewählten Hausarztes in Anspruch zu nehmen. Dafür, dass sich Versicherte für das Hausarztmodell entscheiden, kann die Krankenkasse ihnen einen Bonus bieten. Einige große Krankenkassen planen nun derartige Modelle, mit denen ihre Versicherten sich die Praxisgebühr sparen können.
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