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DAZ aktuell
Westfalen-Lippe: 1600 Barmer Service-Apotheken
Der Bundesvertrag zwischen dem Deutschen Apothekerverband und der größten Einzelkasse auf Landesebene wird auch in Westfalen-Lippe mit Leben gefüllt. Fünf Module – Arznei-, Bonus-, Check-up- und Home-Service sowie pharmazeutisches Management – sind vorgesehen (siehe Kasten).
Kein Rabatt auf Apothekenpflichtiges
Entgegen ursprünglichen Wünschen der Krankenkasse gibt es keine Rabatte für Barmer-Versicherte auf apothekenpflichtige Arzneimittel, sondern nur auf apothekenübliche Waren. Dr. Horst-Lothar Müller, Vorsitzender des Apothekerverbands Westfalen-Lippe, bestätigte am 22. April vor Journalisten in Münster das Ansinnen der Krankenkasse. Der Verband habe jedoch die Einbeziehung apothekenpflichtiger Präparate in den Vertrag abgelehnt, da ansonsten ein gesundheitspolitisch bedenklicher Mehrgebrauch von Medikamenten drohe.
Neue Qualität der Betreuung
Laut Dr. Rötger von Dellingshausen, dem Geschäftsführer des Verbands, bedeutet die Initiative eine neue Dimension der Qualität in der Patientenbetreuung, sie macht die Tätigkeit der Pharmazeuten für die Kranken erlebbar. Er ging auch von einem positiven Schub in den Apotheken aus. 1900 Teilnehmer aus den Apotheken, also neben den Leitern auch Mitarbeiter, hätten die notwendigen Schulungen besucht.
Die Zertifikatskurse waren keine Lightversion, hieß es. Nach Angaben des Verbandschefs Müller sind die Barmer Service-Apotheken jetzt gefordert, das Wissen aus den Schulungen intern allen Mitarbeitern wie zum Beispiel den PTA weiterzuvermitteln. Für bislang nicht teilnehmende Apotheken werden bereits weitere Seminare ab Ende Mai geplant. Nur die Vorhaben über den Apothekerverband garantierten ein flächendeckendes Angebot für die Patienten, meinte Müller in Abgrenzung von anderen Kooperationen.
Wo Kollegen der Schuh drückt
Er ging gleichwohl auf Kritik der Kollegen ein. Unmut hatte es demnach im Berufsstand wegen der geringen Schutzgebühren bei den Check-ups gegeben. Müller bestätigte, dass dies nicht kostendeckend für die Apotheken sei, für Cholesterinmessungen fielen ansonsten mindestens fünf Euro an.
Der Kritik der Kollegen an den sehr zeitaufwändigen Verfahren zum Beispiel beim Arznei-Service oder dem pharmazeutischen Management begegnete er mit dem Hinweis, die Zeit dafür müssten sich der Leiter oder seine Mitarbeiter nehmen. Der individuelle Nutzen für die einzelne Apotheke liege in der Kundenbindung, hinzu komme der Vorteil für den gesamten Berufsstand, da schon bisher angebotene Leistungen der Apotheken im öffentlichen Bewusstsein verankert werden.
Daher sollten sich die Kollegen einbinden lassen, warb Müller um bisher unentschlossene Kollegen. Laut Müller treibt etliche Kollegen auch die Sorge um möglichen Missbrauch des Home-Service um. Ob wirklich innerhalb von sechs Stunden geliefert werden müsse, hänge von der Dringlichkeit der Erkrankung ab (sichtbar anhand der Art des Arzneimittels), außerdem müssten die Patienten immobil sein, beispielsweise gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden sein, so Müller dazu.
Er hob hervor, dass die Lieferung innerhalb dieser kurzen Zeit im Ermessen der Pharmazeuten steht, diese könnten selbstverständlich die Notwendigkeit der Versorgung abwägen und gegebenenfalls die Lieferung ablehnen. Gefragt, wie die Apotheker bei Nachfrage nach den genannten Leistungen durch Versicherte anderer Krankenkassen reagieren sollten, antwortete Müller, das entscheide jeder Kollege selbst, ein Kriterium könne zum Beispiel die Kundenbindung sein.
Versand überflüssig machen
Dass das Projekt den Patienten Mehrwert bietet, davon zeigte sich der westfälische Verbandschef überzeugt. Der Vorteil für die Apotheken liege in der Kundenbindung. Außerdem werde den Patienten auf diese Weise dem Versandhandel mit Arzneimitteln eine überzeugende Alternative gegenübergestellt.
Schließlich könnten die Kranken bei der riesigen Informationsfülle bei der Bestellung via Internet und Lieferung per Versand die für sie relevanten Infos womöglich nicht herausfiltern und nur im direkten Kontakt zwischen Apotheker und Patient sei sichtbar, ob der Kranke die für ihn wichtigen Hinweise aufnehme.
Kein Kontrolleur des Arztes
Wie Müller sagte, muss das neue Angebot als Hilfestellung für die Kranken herausgestellt werden, keinesfalls dürfe der Eindruck der Kontrolle ärztlicher Verordnungen entstehen. Um beispielsweise den Fehlgebrauch von Asthmasprays anhand von Unter- oder Überdosierungen zu erkennen, muss die Patientendatei mit der Medikationsliste über einen längeren Zeitraum geführt werden, weshalb sich der Patient zunächst für ein Jahr freiwillig an seine Apotheke bindet, ergänzte von Dellingshausen. Negative Folgen bei einer vorzeitigen Beendigung der Einschreibung gibt es für Kranke im übrigen nicht.
Barmer: Nur der Anfang
Für die Barmer stellte deren Landesgeschäftsführer Heiner Beckmann das hohe Interesse an weiteren Kooperationen mit dem Apothekerverband Westfalen-Lippe heraus. So sollen zunächst Erfahrungen mit dem pharmazeutischen Management, das mit der Beratung von Asthma-Patienten oder Kranken mit obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) startet, gewonnen werden und weitere Indikationen gegebenenfalls folgen.
Dass Barmer Service-Apotheken für das erste Erstellen des Medikationsprofils beim pharmazeutischen Management fünf Euro und für die monatliche Betreuung der Patienten pauschal fünf Euro erhalten, nannte Beckmann selbst keine hohe Vergütung. Vorteilhaft für die Apotheken sei gleichwohl die Kundenbindung. Ab dem 26. April startet die Barmer eine groß angelegte Marketingkampagne unter ihren Versicherten für die neue Kooperation, die eigenen Mitglieder seien geschult, hieß es.
Die Ersatzkasse mit 966 000 Versicherten in Westfalen-Lippe (sechs Millionen eingelöste Barmer-Rezepte in der Region jährlich) denkt zum Beispiel an die Einbindung der Apotheken mit ihrem Home-Service in die Versorgung von Pflegebedürftigen. Die kooperierenden Offizin-Apotheken seien auch interessant als Teil der künftigen integrierten Versorgung, so Beckmann, der dem Verband für die erfolgreiche Zusammenarbeit dankte.
Nach seinen Worten steigt durch das Projekt die bereits hohe Qualität der wohnortnahen Arzneiversorgung durch die intensivere pharmazeutische Betreuung noch an. Das sei ein deutliches Plus der niedergelassenen Apotheker vor dem Hintergrund des nun erlaubten Versandhandels mit Medikamenten.
Die fünf Angebote
- Arznei-Service: Software-unterstützte Überprüfung der Medikation inklusive der Selbstmedikation des Patienten über einen längeren Zeitraum hinsichtlich Wechselwirkungen, unerwünschten Wirkungen oder Kontraindikationen mit entsprechender Beratung des Kranken, Führen der Patientendatei, auch mit den bei Dritten bezogenen Arzneimitteln.
- Check-up-Service: Messung des Blutzuckerwerts, des Blutdrucks und des Body-Mass-Index für einen Euro, Gesamtcholesterol für drei Euro.
- Pharmazeutisches Management: Zunächst für Asthmatiker und Patienten mit COPD (chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung), grafische Darstellung von Dosierungen, Mengen und Reichweiten, Überprüfung von Doppelverordnungen, Über- oder Unterdosierungen sowie Kontraindikationen, Training der Asthma-Patienten zum Beispiel mit Inhalatoren.
- Bonus-Service: Drei Prozent Rabatt auf apothekenübliche Waren: Medizinprodukte wie Hilfsmittel, Verbandmittel oder medizinische Instrumente, sowie medizinische Tees, Bäder, Hygieneartikel, diätetische Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, medizinische Informationsträger, Rabatt steigt auf fünf Prozent bei einem Gesamtumsatz von über 250 Euro pro Jahr.
- Home-Service: Für den Patienten kostenlose Lieferung von Arzneimitteln und apothekenüblichen Waren ans häusliche Krankenbett, in dringenden Fällen innerhalb von sechs Stunden bei immobilen Patienten, Ermessensspielraum der Apotheker vorhanden.
Vergütung der Kasse
Für das erstmalige Erstellen des Medikationsprofils im Rahmen der pharmazeutischen Betreuung erhält die Apotheke einmalig fünf Euro. Für die monatliche Betreuung der Patienten mit Asthma oder COPD und das kontinuierliche Führen des Medikationsprofils jeweils fünf Euro pauschal in den Monaten, in denen die Leistung erbracht wurde.
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