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Gen-Mais und Bio-Fleisch – eine überflüssige Diskussion (Außenansicht)

Am 18. April trat die EU-weite Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Nahrungsprodukte in Kraft. Sie soll den Verbrauchern Transparenz und Wahlfreiheit bringen (hurra!). Verbraucherverbände rechnen auf Grund der Zusatzkosten allerdings mit steigenden Lebensmittelpreisen (klar). Keine Kennzeichnungspflicht jedoch besteht für Produkte von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert werden, also für Fleisch, Milchprodukte und Eier (buh!).

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace sieht allerdings für gentechnisch veränderte Lebensmittel auf dem deutschen Markt derzeit keine Chancen, nachdem auch Umfragen in Europa ergeben haben, dass zwei Drittel der Verbraucher Gentechnik in Lebensmitteln ablehnen.

Und auch die meisten großen Handelsketten mit eigenen Marken haben bekundet, kennzeichnungspflichtige genveränderte Produkte bis auf weiteres nicht in ihr Sortiment aufzunehmen (verantwortungsbewußt oder kaufmännisch rational?). Greenpeace kommentiert dies mit der Feststellung, dass sich der Verbraucher somit auch in Zunkunft auf weitgehend gentechnikfreie Lebensmittel in den Regalen verlassen kann.

Nur: 80 Prozent aller gentechnisch veränderten Pflanzen werden an Tiere – also an Schweine, Hühner und Kühe – verfüttert. Wie soll der Verbraucher aber den Endprodukten – also den Würstchen, Eiern und dem Käse – ansehen, ob sie gentechnisch veränderte Rückstände enthalten? Er sieht es ihnen natürlich nicht an.

Zum Glück haben wir den "Spiegel", der den hilfreichen Rat gibt, statt zu herkömmlichem Fleisch zu Bio-Fleisch zu greifen, wenn man sicher gehen will, dass kein gentechnisch erzeugtes Futter verwendet wurde. Dass man den Würstchen die Manipulationen der Gentechniker nicht ansehen kann, versteht man als normaler Bürger ja, aber woran erkennt man, dass im Bio-Fleisch auch Bio drin ist? (Also ich weiß nicht, Greenpeace und Spiegel sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren.)

Zur Zeit gibt es wohl kaum ein Thema, das bei uns zu überflüssigeren Diskussionen führt als das über die gentechnisch veränderten Pflanzen und die daraus gewonnenen Produkte. Schon die Bezeichnungen Gen-Fleisch oder Gen-Gemüse sind unsinnig, denn Gene sind in allen Tieren und Pflanzen enthalten. Da aber laut Umfragen jeder zweite Bürger glaubt, dass seine Nahrung normalerweise keine Gene enthält, wird den Unwissenden suggeriert, dass es in Bezug auf die Gene einen Unterschied zwischen gesundheitsschädlichem Gen-Salat und gesundheitsförderlichem Bio-Gemüse gibt.

Jede Nahrung enthält Gene: Ein bunt gemischter Salat aus zehn Pflanzensorten beispielsweise bringt es auf 250 000 Gene. Auch Fleisch und Fisch, Wurst und Käse enthalten DNA. Und die Bakterien, die wir mit der Nahrung aufnehmen, besitzen wiederum tausende von Genen. Insgesamt also nimmt ein Mensch mit der Nahrung täglich etwa 0,1 bis 1 Gramm DNA (und damit Gene) auf.

Immer wieder wird von dem einen oder anderen Lebensmittelhersteller proklamiert, dass er bei der Herstellung seiner Produkte auf die Verwendung von gentechnisch verwendetem Tierfutter verzichtet. Was der unwissende Konsument für vorbildliches und verantwortungsbewußtes Handeln halten muss (und damit zum Kauf solcher Produkte anregt), ist in Wirklichkeit wissenschaftlicher Unsinn und verkaufsorientierter Schwindel.

Für den Menschen macht es nämlich keinerlei Unterschied, ob das Fleisch, das er verzehrt, von Tieren stammt, die mit gentechnisch verändertem oder konventionellem Mais gefüttert wurden. In beiden Fällen werden die sich in nichts unterscheidenden Eiweißstoffe im Magen-Darm-Trakt in ihre Bausteine, die Aminosäuren, zerlegt, um dann für den Aufbau körpereigener Eiweißstoffe zur Verfügung zu stehen.

Es ist also grotesk (und betrügerisch), den Konsumenten einzureden, dass sie mit dem Verzicht auf gentechnisch veränderte Futtermittel gesündere Produkte erhielten. Wie jede andere Technik so weist auch die Gentechnik Risiken auf: Diskutiert wird die Übertragung von Transgenen (gentechnisch eingebrachte DNA) mittels Pollen auf verwandte Pflanzen und Mikroorganismen, Allergien gegen gentechnisch veränderte Pflanzen oder neue Bestandteile darin, so wie ungewollte Giftstoffe in gentechnisch veränderten Pflanzen.

Und wie immer kommt es bei der Frage, wollen wir das Neue oder wollen wir es nicht, darauf an, zwischen den Chancen einer neuen Technologie und den mit ihr verbundenen Risiken abzuwägen. Nun ist es aber so, dass der Mensch, der seinen Lebensstandard immer nur verbessern, nie aber gefährden will, nicht zwischen den Risiken einer Sache vergleicht und wählt, sondern zwischen ihren Optionen.

Risiken werden also vom Menschen vernünftigerweise nur akzeptiert, wenn mit ihnen auch Chancen verbunden sind, wobei sie um so eher angenommen werden, je höher der zu erwartende Nutzen und je geringer der zu befürchtende Schaden ist. Und hierin liegt der Grund für unser gegenwärtiges Kommunikations- und Verständnisproblem.

Der Nutzen der "grünen" Gentechnik für die Entwicklungsländer – denken wir nur an den sogenannten "goldenen Reis", der die Vitamin-A-Mangelerscheinungen bei Millionen von Menschen auf einfache Weise beseitigt – ist enorm. Der Nutzen von Gen-Schokolade hingegen ist den Menschen in unserem Land nur schwer vermittelbar. Die Diskussion über Nutzen und Risiken der "grünen" Gentechnik muss also schon deshalb zu den falschen Ergebnissen führen, weil sie in den falschen Ländern von Nichtbetroffenen geführt wird.

Klaus Heilmann

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