Wirtschaftsbericht

P. DitzelWie geht's der Apotheke?

Die Umsatzrendite der deutschen Apotheke ist im Jahr 2003 weiter gefallen, die Zahl der Apotheken hat weiter abgenommen und die Zahl der Beschäftigten in Apotheken hat sich weiter reduziert. Diese wenig erfreulichen Zahlen stellte Dr. Frank Diener, Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Ų ABDA, im Rahmen des Wirtschaftsforums in Berlin (6./7. Mai) vor.

Apotheken sterben leise

Die Gesamtzahl der Apotheken war wie in den Jahren zuvor auch 2003 rückläufig, das Tempo der Abnahme hat sich aber beschleunigt. Diener prognostizierte, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzen werde. So reduzierte sich die Zahl der Apotheken von 21 465 in 2002 auf 21 305 in 2003.

Auch wenn ein Rückgang von etwa einem Prozent für Außenstehende noch gering erscheinen mag, zeigt dies nur die Spitze des Eisbergs wirtschaftlicher Probleme, so Diener. Eine Dunkelziffer ist die Zahl der "Beinahe-Schließungen", vieles spricht dafür, dass sie nicht klein ist.

Im Europa der 15 versorgte eine Apotheke durchschnittlich 3300 Menschen – Deutschland liegt mit einem Wert von 3875 Einwohnern pro Apotheke im Mittelfeld, es sind also weder zuviel Apotheken noch gibt es hier eine Versorgungswüste. Diener griff den von einem Regierungsmitglied verwendeten Vergleich, es gebe in Deutschland mehr Apotheken als Bäckereien, auf: Nach Angaben der Bäcker- und Konditorengenossenschaft BÄKO gibt es zurzeit 51000 Bäckereiverkaufsstellen, also das 2 1/2-fache der Apothekenzahl.

Hiobsbotschaft vom Arbeitsmarkt

Erstmals seit 1992 hat sich die Zahl der Beschäftigten in Apotheken reduziert, und zwar um 2689 Personen (-1,9%). In erster Linie war davon das nicht-pharmazeutische Personal betroffen (PKA), während das pharmazeutische Personal sogar erhöht wurde (PTA + 2%).

Diener fragte, ob die Abgeordneten im Bundestag sich bei der Abstimmung für das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) bewusst waren, dass ihr Gesetz das klassische Berufsbild der Apothekenhelferin bzw. den erst vor wenigen Jahren neu geschaffenen Ausbildungsberuf der PKA aus den öffentlichen Apotheken verdrängt?

Aus den Zahlen geht nicht hervor, dass in vielen Fällen die Wochenarbeitszeit von Voll- auf Teilzeit umgestellt oder generell die Stundenzahl weiter reduziert wurde. Nach Meldungen aus etwa 6000 Apotheken wurden bei einem Drittel der Angestellten Arbeitsstunden reduziert.

Zu denken gibt, dass sich 2003 die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zur PKA auf unter 1900 reduziert und damit fast schon halbiert hat. Außerdem haben die ausbildenden Apotheken nur wenige Absolventen nach Abschluss der Ausbildung übernommen. Diener warnte vor einem Teufelskreis: "Wenn wir nämlich mangels Ertragskraft nicht mehr genügend ausbilden, droht uns womöglich demnächst die Ausbildungsplatzabgabe, die wiederum dazu führt, dass Ertragskraft entzogen wird..."

Kaum Veränderungen in der Mengenentwicklung

Für die GKV und PKV hat sich die Zahl der 2003 verordneten Arzneimittel leicht um 22 Millionen Packungen auf 1027 Millionen erhöht. Ohne Vorzieheffekte im Dezember 2003 wäre die Gesamtpackungszahl rückläufig gewesen. Im Bereich der Selbstmedikation lag die Zahl der abgegebenen Packungen mit 638 Mio. nur knapp unter dem Höchstwert von 2002.

Knapp 40% der der Gesamtmedikation entfällt auf die Selbstmedikation, etwas über 60% auf die ärztlichen Verordnungen. Dieses Verhältnis dürfte sich jedoch, so Diener, in 2004 deutlich ändern, da nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel aus der GKV-Versorgung ausgegrenzt sind.

Bei der Mengenstruktur hat sich 2003 im Vergleich zum Vorjahr wenig geändert. 46% der Arzneimittelabgaben entfallen auf die Verordnung rezeptpflichtiger Arzneimittel (Vorjahr 44%). Um 1 Prozentpunkt auf 16% reduziert hat sich die Verordnung der nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel. Betrachtet man die Preisentwicklung im Vergleich zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten (+1,3 Indexpunkte), zeigt sich, dass sich die Arzneimittelpreise im Jahr 2003 um 0,6 Indexpunkte verbilligt haben.

Mehr Umsatz, weniger Umsatzrendite

Der Gesamtumsatz (alle Verordnungen für GKV- und Privatversicherte, die Selbstmedikation, Hilfsmittel und apothekenübliches Ergänzungssortiment) nach Listenpreisen ist 2003 von 31,3 auf 33,6 Mrd. Euro gestiegen. Nach Abzug des Apothekenabschlags bei den GKV-Umsätzen (1,7 Mrd. Euro), ergibt sich ein Anstieg auf nur noch 31,7 Mrd. Euro.

Von diesem Umsatzwachstum wurden drei Viertel jedoch nicht im GKV-Bereich erwirtschaftet, wie Diener verdeutlichte, sondern in der Selbstmedikation und im Bereich der Privatrezepte. Berücksichtigt man für das Jahr 2003 auch die neuen Hersteller- und Großhandelsabschläge an die GKV, ergibt sich ein Gesamtumsatz nach allen Abschlägen von 30,7 Mrd. Euro, was nur noch einen Zuwachs von 0,7 Mrd. Euro (+2,3%) ergibt.

Der Blick auf die Umsatzstruktur 2003 zeigt, dass der Verordnungsmarkt mit 71,8% rezeptpflichtiger Arzneimittel dominiert. Um einen Prozentpunkt zurück ging bereits die Verordnung apothekenpflichtiger rezeptfreier Arzneimittel (8,3%). Der OTC-Bereich hat im Vergleich zum Verordnungsmarkt um einen Prozentpunkt verloren, legte aber absolut um rund 200 Mio. Euro zu.

Bei der Darstellung der prozentualen Entwicklung des Betriebsergebnisses der Apotheken stützte sich Diener auf Zahlen des unabhängigen Instituts für Handelsforschung an der Universität Köln. Der Bruttoumsatz wird dabei gleich 100 gesetzt. Nach Abzug der Umsatzsteuer (-13,8%) ergibt sich ein Nettoumsatz von 86,2% des Bruttoumsatzes.

Zieht man davon den Wareneinsatz (einschließlich aller Einkaufsvorteile von Vorlieferanten, also Natural- und Barrabatte, Skonti) ab (61,7%), ergibt sich der Rohertrag (auch Handelsspanne genannt): 24,5% – die, wie Diener es formulierte, betriebswirtschaftliche Manövriermasse der Apotheken.

Im Jahr 2002 betrug der Rohertrag noch 26,1%. Der Rückgang war ausschließlich durch den GKV-Bereich verursacht. Wenn nicht die positive Entwicklung im OTC- und im privaten Bereich kompensierend gewirkt hätte, wäre der Rückgang noch erheblich stärker ausgefallen, so Diener.

Vom Rohertrag sind die steuerlich abzugsfähigen Kosten abzuziehen (Mitarbeitergehälter, Räume, Sachausstattung und Betriebssteuern). Sie betrugen im vergangenen Jahr 17,8% und lagen nur einen Prozentpunkt niedriger als in 2002. Damit ist es nicht gelungen, den Kostenanteil dem gesunkenen Rohertragsanteil entsprechend anzupassen, was angesichts der effizient gestalteten Betriebsabläufe sehr schwierig ist.

Somit ergibt sich ein steuerliches Betriebsergebnis (Vorsteuereinkommen) von 6,7% des Bruttoumsatzes – im Vorjahr betrug es noch 7,3% (Tab. 1). Hiervon müssen noch die so genannten kalkulatorischen Kosten abgezogen werden; bei den kalkulatorischen Kosten für das Eigenkapital werden Kapitalmarktzinsen berücksichtigt und beim kalkulatorischen Unternehmerlohn Gehaltskosten aus anderen Tätigkeitsbereichen.

Das Institut für Handelsforschung setzt hier für das Jahr 2003 6% des Bruttoumsatzes an. Wie Diener zeigte, ist dieses Ergebnis, das auch als Umsatzrendite bezeichnet wird, von 1,4% in 2001 auf 1% in 2002 und jetzt auf 0,7% des Bruttoumsatzes gesunken.

Betriebsergebnis der typischen Apotheke

Bei der Frage, welche Apotheke mit welchem Umsatz am häufigsten vorkommt "typische Apotheke"), zeigt sich, dass die häufigste Umsatzgrößenklasse (19,21%) der Bereich zwischen 1 und 1,25 Mio. Euro darstellt. Der Bruttoumsatz der typischen Apotheke hat sich in 2003 auf 1,218 Mio. Euro erhöht (2002: 1,144 Mio. Euro). Dennoch zeigte sich nach Abzug der Mehrwertsteuer und des Wareneinsatzes (unter Einrechnung aller Einkaufskonditionen) ein geringerer Rohertrag, nämlich 289 000 Euro.

Im Vergleich zu 2002 mit 298 000 Euro Rohertrag ergab sich somit ein Minus von 9000 Euro. Da die Personalkosten von 118 000 auf 110 000 Euro und die sonstigen Kosten um 1000 Euro reduziert werden konnten, war es in 2003 möglich, trotz gesunkenen Rohertrags das Vorsteuereinkommen von 2002 zu erreichen: 78 000 Euro.

Diener: "Wenn man bedenkt, dass der selbstständige Apotheker – anders als ein Angestellter – aus seinem Vorsteuereinkommen nicht nur die persönliche Einkommensteuer abzuführen hat, sondern auch vollständig die Absicherung gegen Krankheitskosten und Altersvorsorge tragen muss, und mit seinem persönlichen Vermögen für alle Verpflichtungen aus dem Apothekenbetrieb haftet, kann ein Vorsteuereinkommen in dieser Höhe keinesfalls als überzogen bezeichnet werden."

Bemerkenswert ist auch der Vergleich mit dem Jahr 1992: während sich der Bruttoumsatz der typischen Apotheke von 1992 bis 2002 um 60% erhöhte, wuchs das Vorsteuereinkommen noch nicht einmal um 10%: 1992 betrug es 71 000 Euro.

Warum die typische Apotheke trotz der effektiven Auswirkungen des Beitragssatzsicherungsgesetzes, die beim Rohertrag mit rund minus 30 000 Euro zu Buche schlugen, auf ein Vorsteuereinkommen wie im Vorjahr kam, lässt sich dadurch erklären, dass ein knappes Drittel durch Kostensenkungen aufgefangen werden konnten, die anderen zwei Drittel konnten durch Rohertragszuwächse außerhalb der GKV und durch Vorzieheffekte im Dezember 2003 kompensiert werden.

Arzneimittelversorgung in der GKV

2003 gingen 1665 Mio. Packungen im Gesamtwert von 33,6 Mrd. Euro über den HV-Tisch der Apotheke. Zu Lasten der GKV wurden 790 Mio. Packungen abgegeben, der Umsatzwert betrug 22,8 Mrd. Euro – dies ist ein Anstieg von 2,2% bzw. 500 Mio. Euro gegenüber 2002. Ohne die Vorzieheffekte der Gesundheitsreform (etwa 600 Mio. Euro) wären die GKV-Ausgaben gesunken.

Die Patienten bezahlten in 2003 aufgrund großzügiger Zuzahlungsbefreiungen nur noch 1,85 Mrd. Euro als Arzneikostenzuzahlungen – eigentlich hätte man angesichts gestiegener Packungszahlen eine Steigerung des Zuzahlungsaufkommens erwarten müssen.

Die Wertschöpfungsanteile in der GKV-Arzneimittelversorgung haben sich 2003 weiter zugunsten der Industrie und zu Lasten der Vertriebsstufen verschoben. Grund hierfür war die Einführung des von sechs bis zehn Prozent gestaffelten Zwangsabschlages der Apotheken. Der Rückgang des Wertschöpfungsanteils betrug für die Apotheken fast einen Prozentpunkt (von 18,4% in 2002 auf 17,3% in 2003).

Die Industrie gewann an Wertschöpfungsanteil von 59,3% auf 62,2%. Der Großhandelsanteil sank zwar rein rechnerisch von 8,5% auf 6,7%, konnte sich jedoch faktisch, wie Diener darlegte, durch weitgehende Überwälzung seines Zwangsrabattes auf die Apotheken schonen.

Einsparungen durch das BSSichG

Eigentlich sollten im Pharmabereich nach den Berechnungen des Gesetzgebers 1,37 Mrd. Euro eingespart werden. Wie die vorliegenden Ergebnisse jetzt zeigen, wurde diese Vorgabe übererfüllt. Der Herstellerabschlag brachte statt 420 Mio. Euro ein Volumen von 578 Mio., der Großhandelsabschlag erreichte seinen geplanten Wert von 600 Mio. Euro fast punktgenau mit 592 Mio. Euro, wälzte diesen jedoch auf die Apotheken ab.

Die Apotheken selbst sollten mit Einsparungen von 350 Mio. Euro beitragen, erreichten aber 647 Mio. Euro und überschritten damit ihr Soll um 85%. Zusammen mit den vom Großhandel abgewälzten 592 Mio. Euro erhöhte sich der Apothekenanteil bei den Einsparungen auf über 1,1 Mrd. Euro.

Damit wurde, wie Diener feststellte, den Apotheken mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz statt der geplanten 350 Mio. Euro das Dreifache an Rohertrag entzogen. Während das BSSichG insgesamt Einsparungen von 1,8 Mrd. erreichte, schlugen die Strukturkomponente und Vorzieheffekte mit 2,3 Mrd. Euro zu: neue Arzneimittel, Therapieumstellungen, veränderte Morbidität und Altersstruktur fraßen Einsparungen auf.

Prognose 2004

Zeigt das GKV-Modernisierungsgesetz schon Wirkungen? Der Januar lag mit GKV-Arzneimittelausgaben von 1,3 Mrd. Euro fast 30% unter den Vergleichswerten aus 2003 und 2002. Der Februar 2004 entspricht in etwa dem Januar 2004 und liegt mit -18% auch deutlich unter dem Februar 2003. Der März 2004 dagegen liegt nur noch knapp unter den Vorjahreswerten 2003 und 2002, was sich dadurch erklären lässt, dass Quartalsverordnungen für chronisch Kranke (Vorzieheffekte auf den Dezember 2003) aufgebraucht waren und im März erneut verordnet werden mussten.

Außerdem dürften Versicherte ihren Arztbesuch vor Ablauf des ersten Quartals in den März vorverlegt haben, um eine Zahlung der Praxisgebühr für das zweite Quartal zu sparen. Dieser Effekt dürfte dazu führen, dass der Quartalsendmonat im Vergleich zu den anderen Monaten relativ hoch ausfallen wird. Insgesamt hat die GKV im ersten Quartal 2004 rund 892 Mio. Euro weniger für Arzneimittel ausgegeben als im ersten Quartal des Vormonats.

Diener geht davon aus, dass die Gesundheitsreform die vom Gesetzgeber geplanten Einsparziele im Pharmabereich erreichen wird. Alle Maßnahmen zusammengerechnet, wird das Einsparpaket Pharma die GKV um fünf Mrd. Euro entlasten. Berücksichtigt man einen Struktureffekt für 2004 von 1,5 Mrd. Euro, ergibt sich immer noch eine Nettoentlastung von 3,5 Mrd. Euro, was einem Ausgabenrückgang von 15% bedeutet.

Getragen wird die Entlastung der Kassen je zur Hälfte von Patienten und Leistungserbringern. "Wenn also die Krankenkassen bislang mit Beitragssatzsenkungen sehr zurückhaltend sind", schlussfolgerte Diener, "so hat das seinen Grund nicht in den Arzneimittelausgaben."

Die Umsatzrendite der deutschen Apotheke ist im Jahr 2003 weiter gefallen, die Zahl der Apotheken hat weiter abgenommen und die Zahl der Beschäftigten in Apotheken hat sich weiter reduziert. Diese wenig erfreulichen Zahlen stellte Dr. Frank Diener, Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände – ABDA, im Rahmen des Wirtschaftsforums in Berlin am 6. und 7. Mai vor.

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