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Hochschulnachrichten
Universität Münster: Feier der Absolventen – Start in den Wunschberuf
Laut Vorlesungsverzeichnis hat ein Studierender der Pharmazie bis zum zweiten Staatsexamen 2054 Stunden im Labor verbracht, 43 Vorlesungen und sieben Seminare besucht, über 25 Klausuren bestanden und dabei mehr als 30 Scheine erworben. Aber nicht nur das. Im Lauf des Studiums lernt er, wie Professor Leker betonte, sich Wissen selbstständig anzueignen, zu kooperieren (dazu zwingt schon der Platzmangel am Abzug) und zu kommunizieren.
"Bin ich jetzt der Superstar?", fragte Prof. Eugen Verspohl in seinem Festvortrag und meinte damit die 32 Absolventen des zweiten Staatsexamens.
Der Pharmazeut ist kein Einheitstyp
Bei Pharmazeuten hat Verspohl eine Mischung verschiedener Verhaltenstypen beobachtet:
- Weit verbreitet ist der Arbeitstyp, der diszipliniert und schulmäßig vorgeht, quasi ein Stundenplan-Abarbeiter.
- Der Freizeittyp verwirklicht sich vor allem in der Freizeit und findet die Inhalte seiner Berufstätigkeit nicht so wichtig.
- Der Wissenschaftstyp betrachtet seine wissenschaftliche Kompetenz als wichtigen Baustein für den Berufsweg.
- Der Sinnsuchertyp schließlich zeichnet sich durch Sozialkompetenz und Berufsstolz aus. Er tut auch mal etwas freiwillig, zeigt Anteilnahme, Fürsorge und baut eine Vertrauensbeziehung zu seinen Mitmenschen auf.
Apotheker brauchen Sozialkompetenz
"Erkennen Sie die Freude an der Freiwilligkeit, denn das macht später Ihren Berufsstolz aus!", rief Verspohl seinen ehemaligen Studierenden zu und forderte sie auf, ihre Sozialkompetenz im Berufsleben immer weiter zu entwickeln.
Die Examensnote und ihre Bedeutung
In Münster schnitten von 32 Absolventen 15% mit sehr gut, 55% mit gut, 27% mit befriedigend und 3% mit ausreichend ab, berichtete Dr. Rüdiger Thamm, Leiter des Landesprüfungsamtes für Medizin, Psychotherapie und Pharmazie in Düsseldorf. Die Examensnote ist jedoch laut Verspohl nur eine "Blitzlichtaufnahme" einer Person. Für wichtiger hält er die Leistungskurve über die Zeit und die Entwicklung einer wissenschaftlich denkenden Persönlichkeit.
Die Hochschulabsolventen sind zwar berufsfähig, aber noch nicht berufsfertig. Prinzipiell können sie Arzneimittel, auch zukünftige Entwicklungen, kompetent bewerten, kennen aber viele Präparate noch nicht im Einzelnen.
Wissen amalgamieren
Pharmazeuten müssen lebenslang lernen, denn der Wissenszuwachs auf diesem Gebiet ist enorm. Obwohl Apotheker gesetzlich zur Fortbildung verpflichtet sind, gibt es zurzeit noch keine Pflichtfortbildung vonseiten der Apothekerkammern. In Zukunft zählt nicht mehr das Wissen an sich, sondern seine Verarbeitung ("Wissens-Amalgamierung").
Informationen kann sich heute fast jeder über das Internet beschaffen. Erst wer Wissensinhalte bewerten, Wissen anwendbar machen und Informationsmüll aussortieren kann, hat Macht. Verspohl äußerte die Vermutung, dass die Gesellschaft in Zukunft nur noch die Wissensverarbeitung bezahlt.
Kompetente, individualisierte Arzneimittel-Beratung
Überleben werden nur Berufe, die innovativ und flexibel sind, beispielsweise nichtstandardisierbare Serviceleistungen anbieten. Was in der Apotheke der Zukunft zählt, ist die individualisierte Beratung und Bewertung von Arzneimitteln. Standardisierte Allgemeinratschläge genügen nicht.
In "Kundenbarometern" schneiden Apotheker zwar häufig gut ab, werden aber darin meist nur im Hinblick auf Freundlichkeit beurteilt. Tests auf Kompetenz müssen tiefergehende Fragen als "Haben Sie etwas gegen Kopfschmerzen?" enthalten. Wenn der Berufsstand nicht selbst für die Kontrolle der Apotheker-Kompetenz sorgt, muss er damit rechnen, dass andere es tun.
Apotheker sollten auch imstande sein, Werbeaussagen von Pharmafirmen kritisch zu überprüfen und Informationen korrekt an die Patienten weiterzugeben. So ergab eine im Jahr 2003 im Lancet veröffentlichte Untersuchung zur Werbung für blutdrucksenkende und cholesterolsenkende Arzneimittel, dass in 44% der Fälle die Werbeaussage nicht durch die Originalquelle belegt werden konnte. "Begnügen Sie sich nicht mit dem Staatsexamen! Arbeiten Sie täglich an Ihrer Qualifikation!", forderte Verspohl seine Zuhörer auf.
Apotheke aktiv mitgestalten
Der Apothekerberuf wird immer mehr als ein Dienstleistungen erbringender Heilberuf verstanden, erklärte Frau Gabriele Beck-Overwiening, Mitglied des Vorstandes der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Sie rief die zukünftigen Kolleginnen und Kollegen dazu auf, das Erscheinungsbild der Apotheke aktiv mitzugestalten, unkonventionell zu denken, den Austausch zu suchen sowie pharmazeutische und politische Herausforderungen als Chance zu sehen.
Der Apothekerberuf sei immer wieder spannend, überraschend und erquickend, berichtete sie aus persönlicher Erfahrung und gratulierte den Absolventen zu ihrer Berufswahl. Die Apothekerkammer stehe ihnen als Begleiter, Förderer und Interessensvertreter zur Seite.
Ab in den Wunschberuf
Stellvertretend für ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen hielt cand. pharm. Anika Ewald eine Rückschau auf Studium und Examen. "Ist der Pharmaziestudent vielleicht ein bisschen selbstquälerisch veranlagt?", fragte sie im Hinblick auf die Fülle an Veranstaltungen und erforderlichen Leistungsnachweisen.
Das zweite Examen sei weitaus schwieriger als das erste, weil es mündlich stattfinde und in 20 bis 30 Minuten nur wenige Themen herausgreife. Möglicherweise seien sogar die ersten fünf Minuten für das Prüfungsergebnis entscheidend, vermutete sie. "Wir sind zufrieden mit unserer Berufswahl und freuen uns darauf, endlich unseren Wunschberuf auszuüben", fasste sie die Stimmung der Absolventen zusammen.
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