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Erste Bilanz: Wie Apotheken mit dem GMG leben
Die Ziele des GMG sind im Wesentlichen eine stärkere Liberalisierung, mehr Wettbewerb und eine verbesserte Qualität im Gesundheitswesen, erläuterte Braun eingangs. Ob diese Ziele allerdings auch erreicht werden, ließ der ABDA-Hauptgeschäftsführer dahingestellt. Wegen der neuen Zuzahlungsregelungen, so Braun, habe es zu Beginn des Jahres einen "großen Pressewirbel" gegeben. Die schwer durchschaubaren Regelungen hätten zu "vielschichtiger Aufregung und Irritationen bei den Patienten" geführt.
Denn es wurde nicht nur die Zuzahlung erhöht, sondern auch der Befreiungsstatus "dramatisch geändert": Während im Jahr 2003 noch rund 50 Prozent der gesetzlich Krankenversicherten von Zuzahlungen befreit waren, erlosch dieser Status zum Jahreswechsel. "Ein gewaltiger Brocken" war dies vor allem für Chroniker, die zu Jahresbeginn zunächst Zuzahlungen leisten mussten – und dies nicht nur bei Arzneimitteln.
Zudem, so Braun weiter, wurden die Patienten mit der Eigenfinanzierung von rezeptfreien Medikamenten konfrontiert. Bei Festbetrags-Arzneimitteln wurden außerdem vielfach Mehrkosten fällig, wenn die Festbeträge abgesenkt wurden, die Herstellerpreise aber gleich blieben. "Apotheken haben viel Mühe aufzuklären", betonte Braun.
Aut idem und Importe: Neuer Rahmenvertrag
Auch ein neuer Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach dem durch das GMG geänderten § 129 SGB V ist mittlerweile abgeschlossen: Anfang April entschied das Schiedsgericht und ab 1. Juni gelten neue Regelungen zu aut idem und der Abgabe von Import-Arzneimitteln (s. Kasten). Nach der neuen Importregelung muss ein Import-Arzneimittel nun 15 Prozent (bei einem Apothekenverkaufspreis bis 100 Euro) oder 15 Euro (Apothekenverkaufspreis über 100 Euro) billiger sein als das Original.
Gleichzeitig müssen Apotheken eine Importquote von 5 Prozent des Monatsumsatzes und damit wiederum ein Wirtschaftlichkeitspotenzial von 10 Prozent erfüllen. Braun erläuterte: Beträgt der Monatsumsatz beispielweise 100 000 Euro, ist eine Importquote von 5000 Euro zu erfüllen, mit der eine Wirtschaftlichkeitspotenzial von 500 Euro zu erschließen ist. "Man kann also nicht durch den Verkauf eines 5000 Euro teuren Importprodukts die Wirtschaftlichkeitsquote erfüllen", betonte der ABDA-Hautpgeschäftsführer.
Viel Neues auch im OTC-Bereich
Weiterhin ging Braun auf die Ausgrenzung von OTC-Präparaten aus der GKV-Erstattung sowie die beschlossenen Ausnahmen ein. Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses, dass Anthroposophika und Homöopathika ebenfalls erstattungsfähig bleiben, soweit sie aus Sicht der jeweiligen Fachrichtung als Therapiestandard gelten, sei eher eine "politische als eine therapeutische Entscheidung", so Braun.
Positiv wertete der ABDA-Hauptgeschäftsführer in diesem Zusammenhang die Einführung des grünen Rezepts: Dank seiner "Nähe zum roten GKV-Rezept" sei dies eine gute Merkhilfe für den Patienten in diesem fehleranfälligen Bereich und fördere die Compliance. Es könne zudem als Beleg für die Einkommensteuererklärung verwendet werden. Braun hält auch das vom Gesetzgeber anvisierte Einsparvolumen von 1 Mrd. Euro durch die Ausgrenzung von OTCs aus der GKV-Erstattung für "realistisch".
Zwar hätten die Einsparungen für die GKV im ersten Quartal bereits 305 Mio. Euro betragen, doch Braun warnte davor, "diese Zahl mit vier zu multiplizieren", dies sei "nicht repräsentativ". Was die Preisbildung im OTC-Bereich betrifft, so können Apotheken im Rahmen der Selbstmedikation nun frei kalkulieren. Doch während die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium Marion Caspers-Merk deshalb mit deutlichen Preissenkungen rechnete, haben sich diese in der Apothekenpraxis nicht durchgesetzt. Schätzungen zufolge, hielten ca. 95 Prozent der Apotheken ihre Preise stabil.
Braun zeigte auf, warum sich Preissenkungen für Apotheker nicht rechnen: Würde man ein Medikament, das zuvor für 10 Euro verkauft wurde, stattdessen für 8,50 Euro verkaufen, so wäre dieser 15-prozentige Preisnachlass nur zu kompensieren, wenn 70 Prozent mehr Packungen verkauft würden. Selbst bei hohen Einkaufsrabatten wäre ein hoher Mehrumsatz nötig, um auf den gleichen Ertrag zu kommen: Würden im obigen Beispiel 30 Prozent Einkaufsrabatt gewährt, so müssten noch immer 37 Prozent mehr Packungen verkauft werden.
Kombimodell:Für Apotheken nicht ertragsneutral
Ausführlich ging Braun auch auf die neue Preisbildung für verschreibungspflichtige Arzneimittel ein. Da es mit der "alten Taxe" erhebliche Probleme gab, ist die ABDA mit dem neuen Kombimodell recht zufrieden – wenngleich in einer ersten Bilanz festzustellen ist, das es für Apotheker nicht ertragsneutral ist. Aufgrund der neuen Preisberechnung sind nun 22 600 Arzneimittel, die weniger als 28,50 Euro kosteten, teurer geworden. 22 000 Medikamente mit einem Preis über 28,50 Euro wurden hingegen billiger.
Was mengenmäßig noch ausgewogen erscheint, weist im Umsatz erhebliche Unterschiede auf: Die verteuerten Arzneimittel machen 30 Prozent des Arzneimittelmarkts aus, die verbilligten 70 Prozent. Dies, so Braun, seien die Zahlen, die Caspers-Merk anlässlich einer entsprechenden Anfrage im Bundestag nannte. Während bei preisgünstigen Generika die Abgabepreise anstiegen, sanken die Preise für Analogarzneimittel, Innovationen und Spezialarzneimittel.
Festbeträge: Noch in Bewegung
Das GMG sieht weiterhin die Einführung von Festbeträgen für Analogarzneimittel vor. Diese sind bislang noch nicht beschlossen – der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss tut sich schwer festzulegen, wann ein Wirkstoff gegenüber einem anderen aus der gleichen Stoffgruppe nachweislich therapeutische Verbesserungen aufweist. Nur dann ist nämlich eine Festbetragsgruppenbildung ausgeschlossen. Braun zufolge ist davon auszugehen, dass es etwa im Herbst zu einer Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben kommen wird. Er vermutet, dass die Gruppenbildung "nicht ohne umfangreichen gerichtlichen Streit mit den Herstellern ablaufen wird".
Neben der neuen Gruppenbildung fanden auch Absenkungen bei den bereits bestehenden Festbeträgen statt. Dabei kam es zu unterschiedlichen Reaktionen der Hersteller. 7294 Festbetragspackungen waren von der Absenkung betroffen. Bei 5676 reagierten die Hersteller mit einer Preissenkung – allerdings gingen lediglich 1452 unter den neuen Festbetrag, 4179 senkten genau auf den Festbetrag, 44 blieben trotz Senkung darüber. Bei 1579 Packungen blieb der Preis auch nach der Festbetragsabsenkung gleich. Bei den restlichen 40 Packungen erhöhte sich der Preis sogar.
Braun zufolge machen die Hersteller hier "Spielchen" und testen aus, ob Patienten bereit sind, die Differenz zwischen Festbetrag und tatsächlichem Preis aus eigener Tasche zu zahlen. "Aus Sicht der Hersteller ist dies vertretbar", so Braun. Allerdings verwies der ABDA-Hauptgeschäftsführer darauf, dass diese Kalkulation schon 1989, bei der Einführung der Festbeträge, nicht aufging. Insofern rechnet er damit, dass sich die Preise im Festbetragssektor noch einspielen werden.
Was die auf 16 Prozent erhöhten Herstellerrabatte für verschreibungspflichtige Nicht-Festbetragsarzneimittel betrifft, verwies Braun darauf, dass diese Rabatte von den Apotheken bei den Herstellern einzusammeln und bei der GKV abzuliefern seien. Die Apotheken trügen also das Inkassorisiko und die Kosten der Zwischenfinanzierung.
Skepsis bei Versandhandel und Filialbildung
Versandhandel und Filialbildung nach dem GMG schilderte Braun als weniger attraktiv. Rund 600 Apotheken hatten sich im ersten Quartal eine Versandhandelserlaubnis erteilen lassen. Doch angesichts der neuen Preisbildung – insbesondere nachdem die Rosinenpickerei nicht mehr möglich ist – falle es schwer nachzuvollziehen, wie der Versand seine Margen kalkuliere, sagte Braun. Die ABDA setzt statt dessen auf ihr Home-Service-Konzept.
Die Zahl der Filialapotheken ist in den ersten drei Monaten 2004 auf 192 angestiegen. Allerdings sei die Entwicklung hier "relativ stürmisch", erklärte Braun. Mittlerweile könnte sich die Zahl auf 250 erhöht haben. Theoretisch, so der ABDA-Hauptgeschäftsführer, könnte es eines Tages so aussehen, dass von den 21 300 Apotheken 5300 Hauptapotheken sind und 16 000 Filialen. Die Folgen seien durchaus nicht positiv, wenn sich Nachbarapotheken gegenseitig aufkaufen, erläuterte Braun.
Dies ließe voraussichtlich die Kaufpreise steigen, das wirtschaftliche Risiko wachsen und die Chancen auf Selbstständigkeit schwinden. Ökonomisch bereite man sich auf Ketten vor. Braun glaubt nicht, dass sich Apothekenübernahmen rentieren werden: "Die Filialisierung ist kein Rettungsanker für Kleinapotheken", resümierte er.
Entscheidung der Schiedsstelle
Am 5. April fiel die Entscheidung der Schiedsstelle zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung.
- Die Weitergabe von Rabatten wurde nicht in den Vertrag aufgenommen.
- Aut idem wird in der bisher geltenden Übergangslösung weitergeführt. Zur Auswahl stehen bei namentlicher Verordnung das verordnete Arzneimittel und die drei preisgünstigsten Medikamente, bei Wirkstoffverordnung sind es die drei preisgünstigsten Arzneimittel.
- Die Importquote wird auf fünf Prozent festgesetzt. Für die Berechnung der Quote werden nur die eingeführten Präparate mit einem Preisabstand von 15 Prozent oder 15 Euro zum Original herangezogen.
- Die Regeln für die Folgen des Über- oder Unterschreitens der Quote gelten fort. Die Vertreter der Apotheker stimmten der Entscheidung, die gegen die Stimmen der Krankenkassen erging, zu.
Quelle: Deutscher Apothekerverband
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