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DAV: Gesprächsangebot an Großhandel
Der Vorsitzende des DAV sprach auf dem diesjährigen Wirtschaftsforum seines Verbands vom "irritierenden Verhalten" des Phagro. Es gehe nicht an, dass der Bundesverband des Großhandels eine Konfliktstrategie gegenüber dem Deutschen Apothekerverband fahre, während zwischen der Individualapotheke und ihrem Großhändler "auf Kooperation gemacht wird", sagte Keller. Der DAV lade den Phagro zu weiteren Gesprächen ein.
Zankapfel Großhandelsrabatt
Seit dem vergangenen Jahr ist die Atmosphäre zwischen den Interessensvertretungen der Apotheker und des Großhandels auf Bundesebene vergiftet. In der Debatte um das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) hatten DAV und Phagro unabhängige Vorschläge zur Novellierung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisVO) vertreten. Wie mehrfach berichtet, gab der Großhandel in 2003 die ihm per Gesetz auferlegten Zwangsrabatte zu 80 Prozent an die Apothekerschaft weiter.
Nach den ersten Bilanzpressekonferenzen von Großhändlern zum abgelaufenen Jahr häuften sich Fragen von Apothekenleitern an den DAV, ob dieses Weiterreichen von Belastungen unter Marktpartnern angemessen sei. Keller wies die Darstellung des Phagro vom vergangenen Herbst zurück, der Großhandel sei von den Apothekern bei der Novellierung der AMPreisVO über den Tisch gezogen worden. Der DAV habe vielmehr im Konsens mit dem pharmazeutischen Großhandel eine Neuregelung angestrebt und frühzeitig das Kombimodell beim Phagro vorgestellt.
Das GMG verlange tatsächlich dem Großhandel Opfer ab, so Keller, das habe jedoch die Politik zu verantworten. Offensichtlich sei Apothekenkunden mitgeteilt worden, der DAV sei an einem Lagerwertverlustmodell nicht interessiert gewesen. Tatsächlich aber habe der Phagro die bisherige Vereinbarung einseitig gekündigt. Keller lud die Großhändler auf Bundesebene zu neuen Gesprächen ein.
Ausländische Versandapotheke und Zuzahlung
Er hob grundsätzlich das Bemühen des Berufsstands hervor, mit den erheblichen Strukturveränderungen durch das neue Gesetz umzugehen. Dabei hätten kurze Vorlaufzeiten und fehlende Klarstellungen seitens des Gesetzgebers den Apothekern die Arbeit erschwert. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die Aufklärung in der Offizin zu den neuen Zuzahlungsregelungen, zur Praxisgebühr oder zur Chroniker-Ausnahmeregelung. Hier hätten andere ihre Hausaufgaben nicht gut gemacht und gern den Apothekendienstleistungsservice beansprucht, sagte Keller unter Beifall der Kollegen.
Mit Nachdruck erinnerte der DAV-Vorsitzende daran, dass die Krankenkassen auf den vollständigen Zuzahlungen der Patienten zu Arzneimitteln bestehen müssen. Die Empfehlung namentlich der Gmünder Ersatzkasse (GEK) zu angeblich billigeren Bezugsquellen bleibe rechtswidrig. Es gehe in einem Rechtsstaat nicht an, dass eine Körperschaft des öffentlichen Rechts wie eine Krankenkasse zum Rechtsbruch aufrufe.
Die GEK hat wiederholt ihren Versicherten die Bestellung bei Versandapotheken nahegelegt. Die unkorrekten Quittungen ausländischer Versandapotheken, die den Versicherten die volle Zuzahlung bescheinigen, auch wenn diese aus Wettbewerbsgründen gar nicht in voller Höhe gezahlt wurde, rügte Keller.
Preiserhöhung der Industrie
Er wies darüber hinaus auf die erhebliche Kostenbelastung der Rechenzentren durch die Herstellerrabatte an die GKV hin. Zu den Inkassokosten gehören neben der reinen Abwicklung die Zinsen für verspätete Zahlungen von Unternehmen und das Ausfallrisiko, was sich in 2004 auf über drei Millionen Euro summiere.
Keller verteidigte das neue Kombimodell aus Fixum plus dreiprozentigem Zuschlag, da es die Honorierung der apothekerlichen Leistung von Festbeträgen oder Rabatten abkoppele und die Mischkalkulation beende, bei der zuvor teure Arzneimittel die Abgabe billiger Präparate subventioniert hatten. In diesem Zusammenhang wies der DAV-Chef allerdings auf die Reaktion pharmazeutischer Unternehmen hin, die ihre Herstellerabgabepreise bei 1400 teuren Präparaten heraufsetzten, so dass der Spareffekt durch das Kombimodell teilweise wieder zunichte gemacht wurde.
Grenzen des Filialbesitzes
Die Erlaubnis, drei Filialbetriebe zusätzlich zur Hauptapotheke zu führen, weicht laut Keller das Mehrbesitzverbot auf. In diesem Zusammenhang zeigte er sich generell zu positiven Effekten durch Fusionen skeptisch, auch bei Großkonzernen. Zusammenlegungen führten zu Arbeitsplatzverlusten und mehr Verwaltung, der Bezug des Einzelnen zum Produkt gehe verloren, so dass Identifikation, Qualität und Sicherheit extern eingefordert werden müssten, hieß es recht allgemein.
Regierung vorschnell bei Versand
Keller kritisierte das Vorpreschen der rotgrünen Bundesregierung, das Versandhandelsverbot durch das GKV-Modernisierungsgesetz aufgehoben zu haben, obwohl die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs noch ausstand. Dass der EuGH dann befand, das nationale Versandverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel sei kompatibel mit EU-Recht, kam zu spät. Es hätte genügt, sagte der DAV-Repräsentant, den Versandhandel nur mit verschreibungsfreien Produkten zuzulassen.
Allerdings habe sich die Euphorie um diesen Vertriebsweg deutlich beruhigt, ausländische Versender müssten erst einmal gegen das Kombimodell bestehen. Über den Versandhandelsverband werde manches gemunkelt, sagte Keller, ohne allerdings auf Spekulationen einzugehen, diese Organisation stehe vor der Auflösung.
Streichen von OTC auf Kassenrezept
Erheblichen Erklärungsbedarf in den Offizinen hat das umstrittene Streichen der meisten nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel aus dem Regelkatalog der Kassen hervorgerufen, konstatierte Keller in seinem Bericht zur Lage weiter. Er lobte in diesem Zusammenhang die konstanten Preise für OTC-Präparate in den Apotheken. Die Preisfreigabe für nicht-rezeptpflichtige Arzneimittel habe nicht zu Preisverfall geführt, was vernünftig sei, da Abweichungen unter die von den Herstellern empfohlenen Preise betriebswirtschaftlich nicht zu verkraften seien.
Trotzdem bleibe die Herausnahme von OTC-Arzneimitteln aus der Erstattung therapeutisch verfehlt, ökonomisch kontraproduktiv und politisch riskant. Die Apotheker werden laut Keller beobachten, ob die Selbstmedikation die Rückgänge kompensieren kann, oder ob die Ärzte auf verschreibungspflichtige Medikamente ausweichen.
Viele Kooperationen
Die teilweise Öffnung von Krankenhausapotheken erwähnte Keller, ohne deren Auswirkungen zu bewerten. Hier sagte er nur, dass anfängliche Irrwege der Politik wie Preisausschreibungen im endgültigen GKV-Modernisierungsgesetz nicht mehr auftauchten.
Ablehnend äußerte sich Keller dagegen zu den vielen Kooperationen, die jeweils durch entsprechende Konditionen Einkäufe und Kampagnen der Apotheken bündeln und die Apotheken fest an sich binden wollten. Hier werde die durch das GMG entstandene Unsicherheit der Pharmazeuten ausgenutzt, warnte der DAV-Chef. Er sah darin Vorarbeiten für Ketten für den Fall, dass der Fremdbesitz von Apotheken erlaubt wird.
Erwartungsgemäß lobte der DAV-Chef das Hausapothekenmodell, zu dem der DAV im November 2003 den ersten bundesweiten Kooperationsvertrag mit der Barmer Ersatzkasse geschlossen hatte. Mit anderen Krankenkassen liefen Verhandlungen, die Techniker Krankenkasse habe ebenso wie einige Betriebskrankenkassen Interesse gezeigt.
Botschaft an Ärzte
Keller wies Befürchtungen der niedergelassenen Ärzte zurück, der Vertrag zu Barmer Service-Apotheken verletze die Friedensgrenze zwischen Arzt und Apotheker. Die Pharmazeuten brächen nicht in die ärztliche Kompetenz ein, sondern füllten die eigene aus. Der DAV-Vorsitzende kündigte Gespräche mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Vertretung der niedergelassenen Mediziner, an. Vor kurzem hatte der KBV-Vorsitzende Dr. Manfred Richter-Reichhelm laut Zeitungsbericht mit juristischen Schritten gedroht, falls der Vertrag nicht geändert werde (siehe Apotheker Zeitung Nr. 19 vom 3. Mai).
Trotz der erheblichen Strukturveränderungen durch das GMG sah Keller Positives allein dadurch, dass wesentliche Pfeiler des Berufsstands verteidigt worden seien. Hierunter zählte er den Erhalt des Individualbesitzes von Apotheken sowie die Apothekenpflicht für Medikamente, aber auch den einheitlichen Apothekenabgabepreis für rezeptpflichtige Präparate. Letztlich bleibe es bei der Apotheke als Garant für die sichere Endkontrolle vor der Arzneimittelabgabe.
Grundsätzlich warf Keller der Bundesregierung vor, ihre Vorhaben nur mangelhaft den Bürgern zu erklären. Auch würden die Reformintervalle immer kürzer. Reformen sollten Bewährtes weiterentwickeln, aber nicht zerstören, hieß es.
Telematik-Baustelle
Zur elektronischen Gesundheitskarte führte er aus, die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) wollten bis Ende Juni mit dem DAV, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft eine Finanzierungsvereinbarung zur Telematik schließen. Ärzte, Kliniken und Apotheker seien sich darin einig, dass GKV und PKV die entstehenden Kosten durch einen "Telematikeuro" bezahlen sollten. Damit die Kassen dies nicht aus ihren gedeckelten Verwaltungsausgaben finanzieren, gab es eine entsprechende Änderung im Kontenrahmen der GKV.
Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands, Hermann S. Keller, appellierte auf dem diesjährigen Wirtschaftsforum an den Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro), die Konfliktstrategie zu beenden und zum Dialog zurückzukehren. Es gehe nicht an, dass der Bundesverband des Großhandels eine Konfliktstrategie gegenüber dem Deutschen Apothekerverband fahre, während zwischen der Individualapotheke und ihrem Großhändler "auf Kooperation gemacht wird".
Inzwischen tanken wir für die Rente, rauchen für die Gesundheit und zahlen Dosenpfand, ohne überhaupt zu wissen, warum. Hermann S. Keller
Größeres Europa
In Berlin begrüßte der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands, Hermann S. Keller, die neuen Mitglieder der Europäischen Union. Anfang Mai kamen zehn Staaten zur EU hinzu. Die deutschen Apotheker seien sich der Verantwortung bewusst, dass die künftige Zusammenarbeit nur im Miteinander gelinge.
Da der Wettbewerb der Sozialsysteme angeheizt wurde, will sich der Verband vor allem für den Erhalt der hochqualifizierten Arbeitsplätze und der Arzneimittelsicherheit stark machen. Es gehe nicht an, dass sich Versicherte Arzneimittel "auf Basaren und Marktständen in anderen EU-Ländern" beschaffen, in der deutschen Apotheke aber nach einer Kopie des deutschen Beipackzettels fragen. Der Einfluss durch die EU auf nationale Regelungen für Freie Berufe und ihre Berufsordnungen nehme zu, meinte Keller.
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