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Grüne ermuntern Apotheker zu Preisänderungen bei OTC
Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hatte Gesundheitsexperten der Bundestagsfraktionen zu einer "Infotainmentveranstaltung" auf dem diesjährigen Wirtschaftsforum eingeladen, bei der neben Koch Dr. Sebastian Schmitz, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände – ABDA, die Position der Apotheker vertrat. Schmitz verlangte – wenn auch nicht für jede einzelne, so doch für die Apotheke als Institution – mehr Sicherheiten, da Investitionen in Mitarbeiter oder andere Qualitätsanforderungen ansonsten nicht getätigt werden könnten.
Ausgaben rückläufig
Die Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbands führte als Beleg für sinkende Arzneimittelausgaben aktuelle Zahlen der Verrechnungsstelle der süddeutschen Apotheken (VSA) an. Demnach gab es im April einen Rückgang von 15 Prozent sowohl bei der Zahl der Verordnungen (zum Teil wegen des Wegfalls von OTC-Arzneimitteln aus der Kassenerstattung), als auch beim Umsatzvolumen. Wie Koch sagte, werde sich dieser Trend voraussichtlich fortsetzen. Künftig werden die Einsparungen ihrer Ansicht nach allerdings jeweils zum Ende eines Quartals etwas abflachen, weil die Patienten dann erneut den Arzt aufsuchen, um die Praxisgebühr zu sparen.
Schicksal von OTC
Auf der Veranstaltung wurden die völlig unterschiedlichen Haltungen zu den freigegebenen Preisen nicht-verschreibungspflichtiger Arzneimittel deutlich. Koch, die eine Apotheke in Hartha leitet, warb nachdrücklich für Stabilität in diesem Bereich. Sie lobte das "vernünftige Verhalten" der Kolleginnen und Kollegen, die bisher die Preise nicht reduzierten. Denn kaufmännisch gedacht müsste bei Preissenkungen der Mehrgebrauch von Produkten gefördert werden, für Koch bei Medikamenten "unvorstellbar".
Grüne für Preissenkung
Birgitt Bender, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ermunterte dagegen die Pharmazeuten zu Preissenkungen bei OTC-Arzneimitteln. Nachdem mit dem GKV-Modernisierungsgesetz ein wenig Wettbewerb auf dem Arzneisektor ermöglicht worden sei, sollten die Apotheker diese Chancen ergreifen. Die grüne Politikerin bemängelte, dass bei OTC-Arzneimitteln fast kein Preiswettbewerb herrscht. Gefragt zu ihrer Haltung zu steigenden Preisen als ebenfalls mögliche Wettbewerbsfolge, blieb die Juristin, die 2002 in den Bundestag gewählt wurde, jedoch eine Antwort schuldig. Allerdings war ihr schon bekannt, dass die dem Bundestag nächstgelegene Apotheke deutlich höhere Preise für bestimmte Antiallergika verlange.
Das sei derzeit eine Ausnahme, sagte Koch. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass mit dem neuen Kombimodell für verschreibungspflichtige Arzneimittel die alte Mischkalkulation nach der Arzneimittelpreisverordnung weggefallen sei. Aus diesem Grund müssten Preise, wenn sie denn verändert würden, zwangsläufig nach oben steigen. In der Diskussion mit Teilnehmern machten Kollegen deutlich, dass sie Preissenkungen bei OTC-Arzneimitteln betriebswirtschaftlich nicht verkraften könnten.
FDP: OTC-Regelung schizophren
Dr. Dieter Thomae, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP, nannte es "schizophren", dass ausgerechnet Arzneimittel mit geringen unerwünschten Wirkungen aus der Kassenerstattung herausgenommen wurden. So ergebe sich für die Unternehmen womöglich der Anreiz, Medikamente mit starken Nebenwirkungen zu entwickeln, die dann verschreibungspflichtig und erstattungsfähig seien. Nach Meinung von Thomae wird die Therapievielfalt eingeengt und die Mündigkeit des Bürgers, gemeinsam mit seinem Arzt über die Arzneitherapie zu entscheiden, "mit Füßen getreten". Der liberale Politiker erinnerte daran, dass die Ärzte für Naturheilverfahren bereits eine Klage gegen den Hinauswurf von OTC-Arzneimitteln eingereicht haben.
Mehr Gefahren als Chancen
Mehr Gefahren als Chancen sah die Vertreterin der größeren Regierungsfraktion, Dr. Marlies Volkmer. Die SPD-Abgeordnete, von Beruf aus Dermatologin und seit 2002 Mitglied des Bundestags, nannte die Entscheidung zu OTC-Arzneimitteln "nicht sachgerecht". Sie kritisierte auch die Ausnahmeliste des Gemeinsamen Bundesausschusses für weiterhin erstattungsfähige OTC-Arzneimittel. "Da muss nachgearbeitet werden", sagte die Hautärztin.
Darüber hinaus bezeichnete Volkmer die Tatsache, dass einige Mediziner ihren Patienten bereits in der Übergangsfrist bis April nicht-rezeptpflichtige Arzneimittel vorenthalten hatten, als "nicht in Ordnung". Dr. Wolf Bauer, Apotheker und für die Union im Bundestag, sprach sich für mehr Therapiefreiheit aus. Ärzte und Patienten sollten auch künftig gemeinsam über Therapien befinden. Rot-Grün wolle stattdessen "Reglementierungen auf der ganzen Linie".
Die SPD-Repräsentantin Volkmer verteidigte trotz ihrer reservierten Haltung die Entscheidung zu OTC-Arzneimitteln vom Grundsatz her. Neben den Strukturveränderungen sei es bei der Reform auch um Einsparungen für die verschuldeten Krankenkassen gegangen. So habe die rotgrüne Koalition mit der Union beschlossen, die Patienten diejenigen Arzneimittel selbst bezahlen zu lassen, die zwar wirksam seien, aber keine starke Nebenwirkungen aufwiesen.
Strukturveränderungen kommen
Für die FDP machte Dr. Dieter Thomae deutlich, warum die Liberalen im vergangenen Sommer aus den Reformgesprächen ausgestiegen waren. Letztlich habe es eine ideologische Auseinandersetzung gegeben, die Gewerkschaften versuchten, ihre Macht im Krankenhausbereich auszuweiten, da sie es im ambulanten Sektor mit seinen freiberuflichen Ärzten und Apothekern nicht schafften. Denn bei größeren Versandeinrichtungen könnten Personalräte etabliert werden, meinte Thomae, seit 1987 Mitglied im Bundestag.
Gegen schrankenlosen Wettbewerb
Dr. Sebastian Schmitz von der ABDA sprach sich gegen einen grenzenlosen Wettbewerb im sensiblen Arzneimittelmarkt aus. Der Gesetzgeber habe allerdings die Türen zu mehr Wettbewerb durch die Freigabe der Preise bei OTC, die Versandhandelserlaubnis, die Teilöffnung der Krankenhausapotheken für den ambulanten Sektor und die integrierte Versorgung geöffnet. Während die Apotheker in einigen Bereichen bereits schnell reagierten, beispielsweise mit dem Homeservice als Antwort auf den Versandhandel, seien andere Neuregelungen noch nicht umgesetzt.
Zu den Themen Versand und begrenzter Mehrbesitz von Apotheken merkte der CDU-Abgeordnete Bauer an, er sei hier skeptischer als seine Fraktion. Die Tür sei hier für mehr Wettbewerb "einen Spalt geöffnet" worden, es gelte, die Folgen genau zu beobachten. Konkret äußerte Bauer, der seit 1987 für die Union im Bundestag sitzt, Unbehagen an den Kooperationen, bei denen häufig unklar sei, wer dahinter stehe.
Sprengsatz integrierte Versorgung
Beim Thema integrierte Versorgung bezeichnete Koch das Hausapothekenmodell als eine Möglichkeit für Pharmazeuten, sich zu beteiligen. Trotz viel Kritik von Kollegen, die Mehrarbeit ohne angemessene Vergütung ablehnten, sollten sich die Apotheker beteiligen. Allerdings sei eine Qualitätssteigerung zu Dumpingpreisen unmöglich, sagte Koch. Warnende Worte kamen in diesem Zusammenhang von Thomae. Der FDP-Abgeordnete sah in der integrierten Versorgung vor allem einen Zugewinn für die Krankenhausapotheken, den die Apotheke vor Ort nicht stoppen könne.
Das relativierte jedoch Heinz-Günter Wolf, Vizechef der ABDA, mit dem Hinweis, die Patienten schrieben sich freiwillig in die Programme ein. Wenn es zu einer "Zwangsversorgung durch Krankenhausapotheken" komme, würden die Kranken aus den Programmen wieder aussteigen, meinte Wolf.
Thema Gesundheitszentren
Kurz wurden in der Debatte die Versorgungszentren gestreift, die Rot-Grün erklärtermaßen fördern will. In diesem Zusammenhang kam die Frage auf, was vor allem in den neuen Bundesländern in den Gebieten geschieht, in denen sich nach Praxisaufgaben nicht genügend niederlassungswillige Ärzte finden. Hier warnte Thomae vor Gefahren für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung, wenn durch Praxisaufgaben Versorgungszentren Aufwind bekämen. Würden Praxen niedergelassener Mediziner nicht wieder besetzt, habe das negative Auswirkungen für die Apotheken vor Ort.
Birgitt Bender, Bündnis 90/die Grünen, nannte es übereinstimmend mit Dr. Marlies Volkmer von der SPD das Wichtigste, dass die Patienten weiterhin versorgt werden, was bei Versorgungszentren der Fall sei. Ob es Apotheken wirtschaftlich schlechter gehe, wenn Arztpraxen in den neuen Ländern schließen müssten, sei unerheblich. Monika Koch vom Sächsischen Apothekerverband sagte, alte Patienten wollten sich nicht in ein Zentrum 50 Kilometer weit weg begeben, sondern suchten die Apotheke in der Nähe ihres Wohnorts auf.
Mehrere Apotheker machten als Diskussionsteilnehmer mit Nachdruck deutlich, dass sie sich als Apotheker auf Strukturveränderungen einstellten, dafür als Mittelständler aber auch entsprechende Rahmenbedingungen benötigten.
Monika Koch, Chefin des Sächsischen Apothekerverbands, lobte auf dem Wirtschaftsforum in Berlin die Kollegen, die bisher die Preise für nicht-rezeptpflichtige Medikamente stabil halten. Ganz anders die Position von Bündnis 90/die Grünen. Deren gesundheitspolitische Sprecherin Birgitt Bender appellierte an die Pharmazeuten, nach der Freigabe der OTC-Preise den Wettbewerb auszunutzen und die Preise zu senken.
Ich fordere Sie (die Apotheker, die Red.) auf, die Chancen zu nutzen Birgitt Bender, Bündnis 90/Die Grünen, zur Preisfreigabe bei OTC
Ich will VERDI nicht im Gesundheitswesen etablieren. Dr. Dieter Thomae, FDP
Andere aus der EU rütteln an den Schutzzäunen, Sie (die Apotheker, die Red.) sollten sich darauf einstellen Dr. Marlies Volkmer, SPD
Gerichtlich hätte das nicht sein müssen, das war reiner Aktionismus der Regierung Dr. Wolf Bauer, CDU, zum erlaubten Versandhandel mit Arzneimitteln
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