DAZ aktuell

Krankenhausversorgende Apotheker: BVKA verstärkt seine politischen Aktivitäten

BAD HOMBURG (du). Neue gesetzliche Regelungen haben tief greifende Strukturveränderungen im gesamten Gesundheitswesen eingeleitet, die auch vor dem Apothekensystem nicht Halt machen. Limitierter Mehrbesitz und die Aufhebung des Versandhandelverbots bergen große Gefahren. Für die Klinik- und Heimversorgung kann das Verfahren der EU gegen § 14 Apothekengesetz (ApoG) weit reichende Konsequenzen haben. Der Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheker (BVKA) will sich, wie er auf seiner Jahrestagung am 11. Ų 12. Mai in Bad Homburg deutlich machte, vor diesem Hintergrund verstärkt politisch engagieren.

In seinem Bericht zur gesundheitspolitischen Lage machte Dr. Klaus Peterseim, 1. Vorsitzender des BVKA, deutlich, dass die politische Arbeit im Interesse der klinik- und heimversorgenden Apotheker unumgänglich war. Während des Gesetzgebungsverfahrens zum GMG hatte der BVKA seine Positionen in einer ausführlichen Stellungnahme allen an dem Verfahren Beteiligten dargelegt. Auch zur großen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages am 25. Juni 2003 war der BVKA geladen.

Der den BVKA beratende Rechtsanwalt Dr. Johannes Pieck hatte als persönlicher Berater die Gelegenheit, insbesondere zum Mehrbesitz Stellung zu nehmen, BVKA-Beiratsmitglied Dr. Dieter Steinbach konnte als Sachverständiger ausführlich das Thema Versandhandel aus dem Ausland erörtern. Verhindert werden konnte die Einführung des Versandhandels nicht. Und ob der jetzt geltende limitierte Mehrbesitz juristisch und politisch Bestand hat, daran hegte Peterseim große Zweifel.

Vom Erfolg ...

Dass sich zunächst offensichtliche Erfolge auch als Scheinerfolge entpuppen können, zeigt die Diskussion um die regionale Versorgung von Krankenhäusern mit Arzneimitteln und das EU-Vertragsverletzungsverfahren. Im ersten Entwurf zum GMG vom Frühjahr 2003 war vorgesehen, dass Krankenhäuser Arzneimittel in freier Entscheidung aus dem In- und Ausland, bei Herstellern, Großhändlern oder Apotheken, also von jedermann und jedem Ort her beziehen können sollten. Vielen sei, so Peterseim, dabei nicht klar gewesen, dass so ganz wesentliche Teile der Apothekenpflicht ausgehebelt werden sollten.

Der BVKA hat mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass durch diesen geplanten Direktbezug bedeutende Funktionen der Apotheke ausgehöhlt würden. Peterseim stellte heraus, dass ohne die Kompetenz der Arzneimittelauswahl die Versorgungs- und Beratungsaufgaben des Apothekers zu einem großen Teil ihren Sinn verlieren würden. Krankenhausträger müssten in dieser Situation die Institution Apotheke als überflüssig betrachten. In späteren Entwürfen des GMG war diese Regelung nicht mehr enthalten, was der BVKA auf seine politischen Aktivitäten zurückgeführt hat.

... zum Scheinerfolg: EU-Vertragsverletzungsverfahren

Durch die Hintertür könnte die im ersten Entwurf des GMG vorgesehene Regelung allerdings wieder relevant werden, und zwar durch ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland zur Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern. Im Kern geht es darum, dass die im § 14 ApoG vorgeschriebene Regelung, dass Krankenhäuser nur von einer im selben oder benachbarten Kreis gelegenen Apotheke mit Arzneimitteln versorgt werden dürfen, gegen den Europäischen Vertrag verstoßen soll.

Peterseim äußerte die Vermutung, dass die im ersten Entwurf des GMG vorgesehene Gesetzesänderung auf politischen Druck der EU-Kommission zurückzuführen gewesen sei. Das Angebot des BVKA im Herbst 2003, dem Ministerium argumentative Schützenhilfe in dieser Sache zu geben, wurde abgelehnt. Im Oktober hat das Bundesgesundheitsministerium eine Stellungnahme abgegeben und, so Peterseim, schon in wesentlichen Punkten nachgegeben.

So wurde fälschlicherweise behauptet, vagabundierende Direkteinkäufe seien bereits üblich. Mit einer Stellungnahme vom 16. Dezember 2003 forderte die Europäische Kommission die Bundesregierung auf, das Apothekengesetz zu ändern.

ABDA, ADKA und BVKA ziehen an einem Strang

Darauf hin bat das Bundesministerium für Gesundheit die beteiligten Verbände um Stellungnahme. Sowohl ABDA als auch ADKA und BVKA haben in ihren Stellungnahmen eindringlich davor gewarnt, das jetzige System aufzugeben. Neben der Aufgabe der ortsnahen Versorgung wird insbesondere in der Trennung von Logistik und Beratung eine große Gefahr gesehen.

Das EU-Verfahren war auch Thema einer Podiumsdiskussion auf der Jahrestagung, die von dem 2. Vorsitzenden des BVKA, Klaus Grimm, geleitet wurde. Teilnehmer waren Erich Dambacher, Aventis AG, Walter Frie, Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Bernd Pietzner, Prosper-Hospital Recklinghausen, Prof. Dr. Hilko J. Meyer, und Dr. Johannes Pieck. Nach Meinung Meyers fällt das Apothekenwesen nicht in den Verantwortungsbereich der EU, hier greife die EU zu sehr in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten ein.

Die Bundesregierung hätte auf ihre Zuständigkeit bestehen müssen. Grimm prangerte insbesondere die am 6. Oktober 2003 vom Bundesgesundheitsministerium abgegebene Stellungnahme an. Katastrophal und fatal seien Äußerungen gewesen, nach denen angeblich der Begriff Versorgung in der Vergangenheit zu Missverständnissen in der praktischen Anwendung geführt habe.

Wörtlich stand in diesem Schreiben: "Es muss mit anderen Worten sichergestellt sein, dass die Erfüllung der Überwachungs- und Beratungsaufgaben des Apothekers nach § 14 Abs. 5 ApoG strikt von der Beschaffung der Arzneimittel durch das Krankenhaus getrennt ist. Die Belieferung mit Arzneimitteln kann auch unabhängig von dem Apotheker nach § 14 Abs. 5 ApoG erfolgen." Diese Formulierung ist falsch und entspricht nicht den Vorgaben des zurzeit gültigen Gesetzes. Sie provoziert darüber hinaus die Europäische Kommission, die Regierung zu einer Änderung bzw. "Klarstellung" von § 14 ApoG aufzufordern.

Zweifel wurden geäußert, ob die nicht zustimmungspflichtige, von der EU geforderte Änderung des Apothekengesetzes noch abzuwehren ist. Pieck empfahl, die Bundesländer dazu zu bringen, das Gesetz abzulehnen und eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Kauf zu nehmen. Teilnehmer der Diskussionsrunde sahen vor allem Gefahren für die Arzneimittelsicherheit. Wenn, so Pietzner, die Beratung von der Logistik getrennt würde, habe man keinen Einfluss mehr auf die Sicherheit. Pietzner forderte auf, verstärkt die pharmazeutische Leistung in den Vordergrund zu rücken.

Ein Jahr Heimversorgung

Vor einem Jahr hat der BVKA sein Aufgabenspektrum erweitert und die Heimversorgung in die Satzung aufgenommen. Bereits im Februar 2003 wurde im Deutschen Apotheker Verlag ein Formularvertrag des BVKA für die Heimversorgung veröffentlicht (s. Bestellhinweis). In enger Abstimmung mit dem BVKA hat Rechtsanwalt Dr. Johannes Pieck zu allen wesentlichen Rechtsfragen in der Deutschen Apotheker Zeitung Stellung genommen (s. Kasten).

In vier vom BVKA veranstalteten Vortragsveranstaltungen (Köln, München, Hamburg und Berlin) hatten Mitglieder und Interessenten im vergangenen Jahr Gelegenheit, sich rund um die Heimversorgung zu informieren und Probleme zu diskutieren. Ergänzt wurde das Informationsangebot um Seminare mit Workshop-Charakter.

Stichwortartig nahm Peterseim in seinem Vortrag zur gesundheitspolitischen Lage zu folgenden Problemen in der Heimversorgung Stellung:

  • Verblistern. Hier gebe es praktische Probleme und rechtliche Risiken, die oft übersehen würden. Prinzipiell sei Verblistern in der Apotheke möglich, wenn bestimmte rechtliche und organisatorische Voraussetzungen erfüllt seien. Dann brauche man auch keine Herstellungserlaubnis nach dem AMG.
  • Dauer der Heimversorgungsverträge. Der BVKA spricht sich gegen einen kurzatmigen Wechsel der Versorgungsapotheke in der Heimversorgung aus. Ein Wechsel etwa alle drei Monate mindere die Kontinuität und Qualität der Versorgung. In diesem Zusammenhang begrüßte Peterseim den Erlass des Landes Nordrhein-Westfalen, mit dem die zuständigen Amtsapotheker angewiesen wurden, nur einen mindestens jährlichen Wechsel zwischen zwei oder mehreren Apotheken zu genehmigen. Eine Aufteilung der Versorgung auf mehrere Apotheken soll nach diesem Erlass nach Wohngebieten erfolgen, um eine nachvollziehbare Zuordnung zu gewährleisten.
  • Kreisprinzip. Dieses Prinzip gilt auch in der Heimversorgung und soll, so Peterseim, ein Maximum an Entfernung zwischen Apotheke und zu versorgendem Heim verhindern und ein Minimum an Qualität gewährleisten. Die Genehmigungs- und die Antragspraxis ließen allerdings befürchten, dass das Prinzip missverstanden und nicht korrekt angewendet würde. Peterseim betonte, dass der BVKA im Gegensatz zur ABDA der Überzeugung sei, dass auch in der Heimversorgung der Zeitfaktor eine Rolle spielt.

Weiterverwendung von Arzneimitteln

Das Problem Weiterverwendung von Arzneimitteln nach dem Tod des Patienten wurde ausführlich in der Podiumsdiskussion aufgegriffen. Wem gehören die Arzneimittel? Sind sie den Erben auszuhändigen oder der Heimleitung? Kann die Heimleitung diese Arzneimittel für andere Bewohner einsetzen? Hier fehle, so Pietzner, eine Rechtsgrundlage. Besonders problematisch ist die Situation bei Betäubungsmitteln.

Ministerialrat Frie wies in diesem Zusammenhang auf einen Erlass des Landes Nordrhein-Westfalen hin, der sich allerdings auf Hospize bezieht. Aus der Sicht von Frie lassen es die arzneimittelrechtlichen Bestimmungen auch im Interesse einer optimalen und kostengünstigen Versorgung der Patientinnen und Patienten zu, dass der Arzt, der das Betäubungsmittel verordnet hat, nach Ableben eines Patienten in einem Hospiz ein diesem verordnetes und bisher nicht verbrauchtes Betäubungsmittel zurückerhält und es bei einem anderen Patienten anwendet; der ordnungsgemäßen Dokumentation sei besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Über eine entsprechende Regelung für die Heimversorgung werde nachgedacht.

Sicherung der Vertriebswege

Ein zentrales Anliegen des BVKA ist es seit Jahren, gemeinsam mit Herstellern und Großhändlern Wege zur Sicherung der Vertriebswege und zur Eindämmung des grauen Marktes zu finden. Nach Dambacher beobachtet die Industrie seit Längerem eine Zunahme von Fälschungen, die weniger die Inhaltsstoffe, sondern vor allem die Packmittel betreffen. Mit der 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes soll eine Genehmigungspflicht für den Großhandel eingeführt werden. Bislang war das nicht der Fall, was zu schwer zu kontrollierenden Aktivitäten im Großhandelsbereich geführt hat. Die 12. Novelle des AMG ist ein wichtiger Schritt in Richtung Sicherung der Verstriebswege.

Zeigen, dass die Arbeit in den Heimen besser wird!

Detlef Steinweg zog eine positive Einjahresbilanz der Heimversorgung und rief dazu auf, deutlich zu zeigen, dass die Arbeit in den Heimen besser wird. Im Detail sprach er die Punkte Aufbewahrung, richtige Anwendung, Wechselwirkungen, Doppelbevorratungen, Reichweitenkontrolle und Kosteneinsparungen an.

Vorträge zur integrierten Versorgung von Dr. Klaus Meyer-Lutterloh, Bundesverband Managed Care e.V., Dr. Peter Wigge und Dr. Hermann Vogel jun. spiegelten die große Unsicherheit bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben wider. Dass ein halbes Jahr nach Einführung des Gesetzes nichts funktioniert, führt Wigge auf gravierende handwerkliche Fehler im Gesetz zurück.

Lesetipps zum Thema Heimversorgung

Johannes Pieck: Heimversorgung – was ist zu beachten DAZ Nr. 6, S. 59–73 (2003)

Johannes Pieck: Versorgungsverträge mit Heimträgern. DAZ Nr. 28, S. 65–70 (2003)

Welche Anforderungen stellt die Heimversorgung an die Apothekenpraxis. Bericht über ein Seminar auf der Interpharm 2003. DAZ Nr. 14, S. 46–49 (2003)

Bestellhinweis

Der Heimversorgungs- und Betreuungsvertrag ist zu Sätzen von 5 Exemplaren zu einem Preis von 9,80 Euro erhältlich beim Deutschen Apotheker Verlag, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart, Tel. (07 11) 25 82-3 41, Bestell-Service: freecall 0800 2990 000, Fax (07 11) 25 82-2 90, E-Mail: service@deutscher- apotheker-verlag.de, Internet: www.deutscher- apotheker-verlag.de

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.