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Die Seite 3
Die neue "Beratungsoffensive" der Bundesapothekerkammer (BAK) ist derzeit eines der wichtigsten Diskussionsthemen in den Kammern. Apotheken sollen sich durch ein Zeichen im Schaufenster als Teilnehmer ausweisen. Damit erklären sich ihre Leiter einverstanden, die Beratungsqualität durch Testkäufe von den Kammern überprüfen zu lassen.
Aus zwei Gründen ist dies eine gute Idee: Erstens ist die Beratung unzweifelhaft die wichtigste Leistung der Apotheken für die Verbraucher und begründet daher ihre Existenzberechtigung. Und zweitens reicht es in der heutigen Gesellschaft nicht mehr aus, dies einfach zu behaupten und jedem Einzelnen die Nachprüfung zu überlassen. Die Verbraucher sind verliebt in Tests und Ranglisten, fragen aber kaum nach deren Kriterien. Der scheinbar objektive Nachweis durch einen vermeintlich Unabhängigen genießt höheres Ansehen als das Urteil eines Experten. Im Grundsatz ist diese Entwicklung durchaus zu begrüßen, beruht sie doch auf den gleichen Ideen wie das Qualitätsmanagement und die evidenzbasierte Medizin. Bedauerlich ist nur die von den Massenmedien geschürte Übersteigerung dieses Gedankens, die den Test über die Wirklichkeit zu erheben droht. Es wäre jedoch eine sinnlose Kräftevergeudung, gegen diesen Strom anzuschwimmen.
Die Beratungsoffensive hat aber auch Nachteile, zumindest wirft sie drei Problemfelder auf:
1. In der Apotheke: Es gibt noch immer keinen Konsens, wie eine "richtige" Beratung in der Praxis aussehen soll. Die Leitlinien zur Qualitätssicherung, die die BAK herausgibt, orientieren sich an einem verständigen Patienten, der alle Sachfragen beantworten kann und seine Bereitschaft ausdrückt, sich beraten zu lassen. Dies ist aber nicht der Alltag. In der Praxis liegt die Kunst darin, die für den jeweiligen Patienten wirklich wichtigen Informationen auszufiltern und geschickt zu vermitteln. Erfahrene Apothekerinnen und Apotheker entwickeln dafür individuelle Wege. Berufsanfänger und PTAs könnten aber mehr Orientierungshilfen gebrauchen, die gleichzeitig Kriterien für Tests böten.
2. Bei den Patienten: Die Öffentlichkeitsarbeit der Apotheker sollte in dem berühmten Satz "Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!" die Aufforderung "Fragen Sie!" stärker betonen. Vielen Menschen scheint noch immer nicht bewusst zu sein, dass dies eine an sie gerichtete Aufforderung zu aktivem Handeln ist. In der Servicewüste Deutschland ist dies allerdings auch nicht wirklich verwunderlich. Darum sollten die Apotheker die Regel "Ein Satz geht immer." beherzigen. Auch der eiligste und übellaunigste Kommunikationsmuffel unter den Patienten muss sich dies gefallen lassen. Wer schon die Frage, ob er denn eine Frage habe, als Indiskretion verstehen will, hat wohl ein psychisches Problem, das aber nicht in die Selbstmedikation gehört.
3. In den Kammern: Wenn die Kammern künftig selbst Testkäufe im Sinne des mystery shopping (das Pseudo-customer-Projekt ist ein anderes Thema) durchführen wollen, stehen sie vor dem gleichen Problem wie die Stiftung Warentest. Sie sollten eine realistische Testsituation gestalten, die nicht sofort als solche erkannt wird, und der Apotheke eine Chance bietet. Der Test muss im Geiste konstruktiver zielorientierter Arbeit angelegt sein und darf weder als Polizeiaktion noch als stumpfsinniges Abprüfen einer Checkliste ablaufen. Dafür sind vor den Tests viele Fragen zu klären, insbesondere diese:
In den Qualitätszirkeln mancher Kammern wurden einige dieser Fragen bereits bearbeitet. Doch nur wenn der Berufsstand insgesamt konsensfähige Antworten auf diese Fragen findet und auch die notorischen Apothekenkritiker diese Antworten wenigstens ansatzweise akzeptieren, sind aussagefähige Tests möglich. Nur dann hat das neue Projekt der Bundesapothekerkammer einen Sinn und eine Chance auf Erfolg.
Thomas Müller-Bohn
Beratung offensiv, aber in welche Richtung?
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