Arzneistoffporträt

Bamipinlactat-Gel

Das Antihistaminikum Bamipin wird seit einem halben Jahrhundert als Topikum zur Therapie von Insektenstichen eingesetzt. In einer doppelblinden, randomisierten, Placebo-kontrollierten Studie wurde nun die Wirkung von Bamipinlactat nach standardisierter Mückenstichexposition auf die kutanen Stichreaktionen Juckreiz, Rötung und Quaddel sowohl in der Früh- als auch in der Spätreaktion untersucht. Unter Anwendung eines Testmodells zur standardisierten Einzelstichexposition wurden 77 Probanden an beiden Unterarmen von Stechmücken der Art Aedes aegypti gestochen. Bamipinlactat-Gel (Verum) oder wirkstofffreie Gelgrundlage (Placebo) wurden nach der Mückenstichexposition zu vier verschiedenen Zeitpunkten auf die Einstichstellen aufgetragen. Die Intensität des Pruritus wurde vom Probanden beurteilt, die Intensität der Rötung, der Durchmesser des Erythems und der Quaddel wurden vom Prüfarzt zu 12 verschiedenen Zeitpunkten dokumentiert. Die Überlegenheit von Bamipinlactat-Gel im Vergleich zu Placebo konnte interferenzstatistisch auf dem 5%-Niveau bewiesen werden. Der globalen Wirksamkeit zufolge, die durch Arzt und Proband gemeinsam beurteilt wurden, war Verum zu allen Messzeitpunkten Placebo überlegen. Weder systemische noch lokale Nebenwirkungen konnten beobachtet werden.

Bamipin ist ein klassisches Antihistaminikum, das zur Behandlung von juckenden und allergischen Hauterkrankungen (z. B. Urtikaria), Insektenstichen, Quallenkontakten, Kälteschäden, Sonnenbrand sowie Verbrennungen leichteren Grades eingesetzt wird. In einer Gel-Formulierung (Soventol® Gel) ist Bamipinlactat seit 1953 im Handel und wird aufgrund der Juckreiz hemmenden und kühlenden Effekte insbesondere als Topikum bei Mückenstichreaktionen verwendet. Bamipinlactat-Gel enthält keine Konservierungsstoffe und ist gut hautverträglich (1). Vereinzelt wird über Rötungen (2) und Brennen (2) berichtet.

Die über fünf Jahrzehnte akkumulierten positiven Anwendungserfahrungen mit Bamipin auf Insektenstiche sollten jetzt durch eine gemäß dem heutigen Standard durchgeführte doppelblinde, randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie mit einem validen Testmodell überprüft werden. Ziel der Untersuchung war es, nach standardisierter Mückenstichexposition die Wirkung von Bamipinlactat-Gel (Verum) auf die entzündlichen kutanen Reaktionen zu untersuchen sowie die Sicherheit des Präparates im Vergleich zur wirkstofffreien Gelgrundlage (Placebo) zu beurteilen.

Methode

Studiendesign Die Untersuchung wurde als randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Phase-IV-Studie im Links-Rechts-Seitenvergleich nach zeitgleicher Mückenstichexposition durchgeführt. Die Randomisierung erfolgte über die Exposition des linken und rechten Armes, so dass ein intraindividueller Vergleich möglich war.

Testinsekt Als Testmücke wurde die tagaktive, relativ stechaggressive Gelbfiebermücke Aedes aegypti gewählt. Bei den Testinsekten handelte es sich um drei bis neun Tage alte Mückenweibchen aus dem Institut für Medizinische Parasitologie, Bonn. Um das gewünschte Stechverhalten in der Studie zu erhalten, wurde dem Testinsekt zwei Tage zuvor der Zugang zur üblichen Nahrungsquelle (10%ige Glucoselösung) verwehrt.

Expositionsmethode Zur Exposition wurden Röhrchen eingesetzt, die auf der einen Seite mit einem Schraubverschluss und auf der anderen Seite mit einem Gazenetz verschlossen waren (Abb. 1). Nachdem durch die verschraubbare Öffnung das stechbereite Testinsekt eingebracht worden war, wurden die Röhrchen mit der Netzseite nach unten auf die Expositionsstellen (Flexorenseite beider Unterarme) aufgesetzt. Die Stiche der Testinsekten erfolgten durch die Gaze in der Regel sofort nach Platzierung des Röhrchens. Die Röhrchen wurden entfernt, wenn die Mücken den Saugvorgang beendet hatten.

Prüfpräparate

  • Verum: Bamipinlactat-Gel (Soventol® Gel, Rentschler Arzneimittel GmbH) mit dem Wirkstoff Bamipinlactat [4-(N-Benzyl)anilino-1-methylpiperidin-(R, S)-Lactat]. 1 g Gel enthält 20 mg Bamipinlactat sowie sonstige Bestandteile (gereinigtes Wasser, Hypromellose, Polyoxyethylen-6-glycerol-(mono,di)-alkanoat (C8-C10), Propylenglykol).
  • Placebo: Gelgrundlage ohne Wirkstoff (äußerlich Verum entsprechend).

    Probandenauswahl Zur Auswahl der Probanden wurde eine ärztliche Anamnese mit Erfassung von Vor- und Begleiterkrankungen und -behandlungen, ein Histamin-Pricktest und ein Test auf Hyperreaktivität durchgeführt. Die Häufigkeit von Aufenthalten in der freien Natur wurde abgefragt, um grobe Hinweise auf den Sensibilisierungsstatus in Bezug auf Mückenstiche und damit die Reaktionsbereitschaft zu erhalten.

    Studienablauf und Prüfvariablen Primäre Zielgrößen waren Pruritus- und Rötungsintensität sowie Rötungs- und Quaddeldurchmesser. Die Erfassung der Variablen erfolgte mittels visueller Analogskalen (VAS) durch den Probanden (Juckreiz) und den Arzt (Rötungsintensität) sowie durch Messung der Durchmesser von Quaddel und Rötung durch den Arzt. Die Dokumentation erfolgte bis 48 Stunden nach der Mückenstichexposition, um auch Spätreaktionen erfassen zu können. Während dieses Zeitraumes fanden vier Gelauftragungen und 12 Kontrollen statt. Zusätzlich wurde über den gesamten Prüfungsverlauf die globale Verträglichkeit mit Hilfe einer fünfstufigen Lickert-Skala (von "ausgezeichnet" = 1 bis "unzureichend" = 5) erfasst.

    Um das daraus entstehende multiple Testproblem zu lösen, wurden die vier Größen zu einer einzigen Zielgröße zusammengefasst, die den gesamten Verlauf unter Behandlung mit Verum bzw. Placebo berücksichtigt. Dazu wurde jede der Zielgrößen auf den Anfangswert normiert, um diese vergleichbar zu machen. Um den gesamten Verlauf zu berücksichtigen, wurde die Fläche unter der Verlaufkurve (AUC) für jede Zielgröße berechnet. Der Mittelwert dieser standardisierten Flächen aus allen vier Zielgrößen wurde dann zur konfirmatorischen Beurteilung der Wirksamkeit herangezogen.

    Sekundäre Zielkriterien: Die einzelnen Prüfgrößen (Pruritus, Rötung, Rötungsdurchmesser, Schwellungsdurchmesser) wurden deskriptiv und explorativ beurteilt. Zusätzlich wurde das globale Arzt- und Patientenurteil sowie das Auftreten unerwünschter Ereignisse erfasst.

    Auswertung Das primäre Zielkriterium wurde nach Links-Rechts-Differenzbildung mit dem Wilcoxon Signed Rank Test konfirmatorisch auf dem 5% Niveau zweiseitig teststatistisch beurteilt. Der Pruritus- und Rötungsscore, der Rötungsdurchmesser und der Schwellungsdurchmesser wurden ebenfalls mit Hilfe des Wilcoxon Signed Rank Test explorativ getestet. Das globale Arzt- und Patientenurteil wurde zusammengefasst in "ausgezeichnet bis gut" und "befriedigend bis schlecht" und mit dem Fisher's Exact Test einseitig teststatistisch bewertet.

    Ergebnisse

    Von 80 Personen, die die ärztliche Vorauswahl passiert hatten, schlossen 77 (40 männlich, 37 weiblich) die Studie ab. Drei Probanden schieden aus studienfremden Gründen vorzeitig aus. Das Alter der Probanden betrug im Mittel 29 (19 – 58) Jahre, das mittlere Gewicht 72 (50 – 170) kg und die mittlere Größe 176 (158 – 204) cm. Alle Probanden hatten im Prick-Test einen Quaddeldurchmesser größer 5 mm (im Mittel 6,5 mm) und somit eine für die Studie hinreichende Histamin-Response.

    Wirksamkeit Bezüglich der primären Zielgröße wurde im Mittel für Verum der Wert 647,8 als Fläche unter der Verlaufskurve (Std. = 431,9) und für Placebo 715,8 (Std. = 374,1) erreicht. Die Differenz war signifikant (p = 0,036). Somit konnte die Überlegenheit von Verum im Vergleich zu Placebo konfirmatorisch bewiesen werden. Für den Pruritus-Score betrug die Differenz 137,23 (Std. = 547,04; p = 0,047), für den Rötungsscore 87,4 (Std. = 443,80; p = 0,02), für den Rötungsdurchmesser 32,87 (Std. = 430,1; p = 0,26) und für den Schwellungsdurchmesser 14,7 (Std. = 73,7; p = 0,014).

    In 66,7% der Fälle wurde die Wirkung von Verum vom Arzt als "ausgezeichnet bis gut" beurteilt, für Placebo aber nur in 33,3% der Fälle (p < 0,001). 58,9% der Patienten beurteilten die Wirkung von Verum mit "ausgezeichnet bis gut", während 41,1% dies für Placebo angaben (p = 0,03) (Abb. 2, Abb. 3).

    Verträglichkeit Unterschiede in der Verträglichkeit zwischen Verum und Placebo waren nicht feststellbar. Bis auf einzelne Ausnahmen wurde die Verträglichkeit mit "ausgezeichnet" angegeben; es wurden keine Angaben registriert, die schlechter als "mäßig" ausfielen.

    Hautreaktionen Von insgesamt 154 Mückenstichen zeigten drei keine und acht eine nur minimal sichtbare Sofortreaktion. Die meisten Reaktionen tendierten nach zwei Stunden Beobachtungszeit gegen Null. Nach 24 Stunden wiesen jedoch 122 Stiche eine kräftige Spätreaktion (Erythem und/oder Quaddel) auf, die größer als die Primäreffloreszenz war; 31 Stiche waren im Vergleich zur Primäreffloreszenz kleiner oder ebenso groß, und ein Stich war reaktionslos. Zwei Probanden reagierten mit großflächigen Armödemen, die bis zur letzten Kontrolluntersuchung kleiner geworden waren.

    Nach 48 Stunden waren immer noch 97 Spätreaktionen größer als die Primäreffloreszenz, 52 gleich groß oder kleiner und fünf ohne sichtbare Reaktion. Elf Mückenstiche, bei denen die Frühreaktion entweder gar nicht sichtbar war oder sehr schwach ausfiel, führten zu einer kräftigen positiven Spätreaktion. Zwölf Probanden berichteten, dass nachts oder nach dem Aufwachen (12 bis 24 Stunden nach dem Mückenstich) noch einmal ein starker Juckreiz aufgetreten sei.

    Diskussion

    Die antientzündliche und insbesondere Pruritus hemmende Wirkung von Bamipinlactat, die in zahlreichen älteren Studien beobachtet wurde (2 – 13), konnte durch die vorliegende, nach heutigem Standard durchgeführte Studie bestätigt werden. Die Untersuchung wurde als randomisierter, Placebo-kontrollierter, doppelblinder Seitenvergleich durchgeführt. Das kombinierte Hauptzielkriterium erwies sich als valide und sensitiv.

    Für die Gesamtbewertung der Wirksamkeit des Prüfpräparates ist zu berücksichtigen, dass die als Placebo eingesetzte Gelgrundlage bereits auf Grund des kühlenden Effekts (2, 4, 6, 12, 14, 15) über eine erwünschte Eigenwirkung verfügt. Um so stärker fällt ins Gewicht, dass über diesen Placeboeffekt hinaus signifikante Effekte von Bamipinlactat nachgewiesen werden konnten.

    Auffällig waren die ausgeprägten Unterschiede in Bezug auf die Juckreizhemmung nach 24 Stunden, die auf eine besonders gute Wirkung von Bamipinlactat auf die Spätreaktion nach Mückenstichen schließen lassen. Diese Beobachtung könnte mit unterschiedlichen Pathomechanismen von Sofort- und Spätreaktion auf Mückenstiche zu erklären sein. Offensichtlich scheint Bamipinlactat in der Lage zu sein, die Mechanismen der Spätreaktion stärker zu beeinflussen. Obwohl bei Mückenstichreaktionen Sensibilisierungen und pathogene Immunreaktionen vermutet werden, gelten sowohl die IgE-assoziierten Mechanismen als auch die Mechanismen der verzögerten Reaktion als unzureichend untersucht (16).

    Die Sofortreaktion nach Insektenstichen ist wahrscheinlich zunächst Histamin-bedingt (16 – 18); später könnten zellvermittelte Immunreaktionen und kutane Spätphase-Reaktionen involviert sein (16). Die in der Studie festgestellte ausgezeichnete topische Verträglichkeit bestätigt die schon in früheren Studien gefundenen Ergebnisse (1, 6, 8, 12). In Einzelfällen kann es dennoch am Applikationsort zu Reizungen kommen (2, 13). Das gelegentlich auftretende leichte Brennen nach dem Auftragen verschwindet nach den vorliegenden Anwendungserfahrungen in der Regel nach wenigen Minuten und wird durch den kühlenden und Juckreiz stillenden Effekt des Gels überdeckt.

    Aus methodischer Sicht erwies sich das für die Studie entwickelte Modell der standardisierten Mückenstichexposition (19) für die Prüfung der topischen Wirksamkeit von Mückenstichpräparaten als valide und sensitiv.

    Die standardisierte Stechmücken-Einzelexposition erwies sich als geeignet, um im Seitenvergleich die Wirkung von Pruritus hemmenden Mückenstichpräparaten bei einem begrenzten Stichprobenumfang beurteilen zu können. Hierbei fiel die Wirkung des Testpräparates auf den Juckreiz unter allen erfassten Variablen am deutlichsten aus. Dies ist umso bemerkenswerter, da beim Pruritus die Erfolgsrate unter Placebo gewöhnlich sehr hoch ist (20). Zudem dürfte es sich um die Variable mit der höchsten klinischen Relevanz für ein Mückenstich-Gel handeln. Dagegen scheint der Durchmesser der Quaddel als Kriterium für die Bewertung des therapeutischen Effekts weniger aussagekräftig zu sein. Es ist jedoch denkbar, dass messtechnisch aufwendigere Methoden, die z. B. das Quaddelvolumen erfassen, die Sensitivität dieses Parameters gesteigert hätten.

    Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die vorliegende, nach modernen Standards durchgeführte Studie Bamipinlactat als ein wirksames und gut verträgliches Topikum zur Anwendung nach Mückenstichen ausweist.

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