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- DAZ 25/2004
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Die Seite 3
Dass die Öffentlichkeitsarbeiter von Ulla Schmidt die Gesundheitsreform ihrer Ministerin am liebsten durch Weichzeichner anschauen und schön zu reden versuchen – dafür mag man noch Verständnis haben. Nicht hinzunehmen ist jedoch, wie von dort im Namen des Ministeriums Gift und Galle verspritzt, wie Tatsachen entstellt und im Stile eines Propagandaministeriums unseligen Angedenkens mit grotesken Verdrehungen Stimmung gegen die normalen öffentlichen Apotheken (neudeutsch: Präsenzapotheken) gemacht wird.
Um den Arzneiversendern Patienten zuzutreiben, spinnen sich die Auftragsschreiber der Ministerin unter bewusster Missachtung des wirklichen Lebens Geschichten zurecht, die so obstrus sind, dass wir nicht recht wissen, ob wir lachen oder weinen sollen (siehe Kasten).
O, là, là Ullala – wer mag da noch glauben, dass die Gesundheitsreform "eine gesunde Entscheidung" war (so die Ministerin online an ihre "lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger")? Die Story über Paul Strutthaus inszeniert eine wilde Meinungsmache für Versandapotheken – darf man hoffen, dass alle Online-Leser das üble Spiel durchschauen? Dass sie merken: Wenn Paul Strutthaus seinen Enkel nicht zum Briefkasten, sondern einfach zur nächsten Apotheke geschickt hätte, hätte er sein Insulin sofort, nicht erst am "übernächsten Tag" erhalten (und dies auch nur mit Fragezeichen, denn so "schnell" ist beim Arzneiversand ohnehin eher die Ausnahme als die Regel).
Der Enkel hätte seinen Großvater auch zugleich etwas mitbringen können, was die akuten Beschwerden am verstauchten Knöchel noch am gleichen Tag hätte lindern können. Die Apothekerin oder die PTA hätte eventuell telefonisch nachgefragt, beim Patienten und/oder bei seinem Arzt. Denn bei Diabetikerfüßen muss man vorsichtig sein.
Und selbst wenn der Enkel gerade auf Klassenfahrt gewesen wäre – ein kleiner Anruf von Herrn Strutthaus bei "seiner" Apotheke oder einer Apotheke ganz in der Nähe hätte gereicht; man hätte ihm alle benötigten Arzneimittel ins Haus gebracht – noch am gleichen Tag, nicht erst nach Tagen. Der Arzneiversand ist also allemal langsamer, keinesfalls bequemer und in vieler Hinsicht auch unsicherer als – wo nötig oder gewünscht – der Botendienst aus der Apotheke im Umfeld. Auf einer offiziellen Internetseite des Gesundheitsministeriums just das Gegenteil zu suggerieren, ist geradezu dreist.
Das Tollste bietet uns der Schreiber der Ministerin aber mit dem letzten Satz seiner Story: "Die Versandapotheke versorgt nun Herrn Strutthaus als chronisch Kranken immer rechtzeitig mit Insulin". Als wäre das ("rechtzeitig") eine Leistung, die ihm seine Apotheke vor Ort nicht genauso bieten könnte und bieten würde, auch per Bote – wenn der alte Herr es nicht vorzieht, sich nach dem Abheilen seiner Verstauchung selbst von Zeit zu Zeit auf den kurzen Weg zu seiner Apotheke zu machen; dort kann er – von Angesicht zu Angesicht – Fragen loswerden; und er kann solange nachfragen, bis er alles verstanden hat.
Dass er unterwegs und beim Bäcker daneben auch noch – ebenfalls mit wirklichen Menschen aus Fleisch und Blut – gern dieses oder jenes kleine Schwätzchen hält, steht auf einem anderen Blatt. Das bietet ihm kein Briefkasten, kein Versandhandel, und auch nicht Ullala.
Müssen wir uns eigentlich alles bieten lassen?
Klaus G. Brauer
Gift und Galle
Dr. Baumann hat keine Zeit und kann das Mittel nicht besorgen. Der nächste Patient wartet bereits. Aber er weiß einen Ausweg: "Lassen Sie sich das Insulin doch per Versandapotheke direkt nach Hause liefern." Herr Strutthaus findet diesen Vorschlag gut. Er steckt das Rezept in einen Umschlag und schickt seinen Enkel damit zum Briefkasten. Am übernächsten Tag wird ihm das Medikament ins Haus geliefert. Die Versandapotheke versorgt nun Herrn Strutthaus als chronisch Kranken immer rechtzeitig mit Insulin. Originalzitat aus dem offiziellen Internetauftritt des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (www.gesundheitsreform.de)
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