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Arzneimittel und Therapie
Morbus Parkinson: Apomorphin in der Spätphase
Eine Parkinsonerkrankung ist insbesondere in den späten Phasen schwer zu therapieren. Nach fünf bis acht Jahren treten motorische Spätkomplikationen auf, die sich vor allem in On-off-Fluktuationen, Dyskinesien, Dystonien, Hyperkinesien, kognitiven Beeinträchtigungen und Störungen des autonomen Nervensystems äußern. Die Ursachen liegen in einer verminderten Speicherfähigkeit für Dopamin in den verbliebenen dopaminergen Neuronen, in Resorptionsstörungen bei oraler Dopaminaufnahme und in einer Sensitivierung der Dopaminrezeptoren durch die jahrelange pulsatile L-Dopa-Gabe.
Die therapeutischen Möglichkeiten in dieser Spätphase bestehen aus
- einer Anpassung der oralen Medikation (dies kann über eine Dosiserhöhung, durch eine erstmalige Gabe von Dopamin-Agonisten oder durch eine Reduktion der L-Dopa-Dosis erfolgen),
- stereotaktischen Eingriffen, die allerdings nur für eine Subpopulation der Patienten in Frage kommen und aus
- der Gabe von Apomorphin.
Apomorphin ist seit 1869 bekannt und wurde erstmalig 1951 bei einem Parkinsonpatient angewandt. Die Substanz blieb aber über lange Zeit bedeutungslos, da sie eine sehr schlechte orale Bioverfügbarkeit aufweist, emetogen ist und mit der Einführung von L-Dopa ein potentes Antiparkinson-Mittel zur Verfügung stand. Erst das vermehrte Auftreten von L-Dopa-Langzeitkomplikationen, die Möglichkeit einer antiemetischen Comedikation (mit Domperidon) sowie die Entwicklung subkutan anwendbarer Arzneiformen rücken Apomorphin wieder in den Mittelpunkt des Interesses.
Apomorphin als Parkinsonmittel
Apomorphin ist der wirksamste Dopaminrezeptor-Agonist und wirkt direkt auf postsynaptische D1- und D2-Rezeptoren, wobei die Affinität zu den für die Motorik verantwortlichen D2-Rezeptoren stärker ausgeprägt ist. Aufgrund seiner geringen oralen Bioverfügbarkeit wird Apomorphin subkutan verabreicht. Dies kann intermittierend oder kontinuierlich erfolgen. Bei der intermittierenden Gabe wird Apomorphin über einen Pen injiziert. Die Injektion erfolgt bei einer plötzlich auftretenden Off-Phase (plötzliche Unbeweglichkeit).
Durch eine einmalige Injektion in Bauch oder Oberschenkel erlangt der Patient innerhalb von drei bis fünf Minuten seine vollständige Beweglichkeit wieder. Für Patienten, bei denen täglich mehr als fünf Off-Phasen auftreten und die unter starken Bewegungsfluktuationen leiden, ist eine kontinuierliche Therapie angezeigt. Dabei wird über eine Pumpe tagsüber kontinuierlich Apomorphin subkutan injiziert und somit ein gleichmäßiger Wirkstoffspiegel aufrechterhalten.
Schnelle Reduktion der Off-Phasen
Wie in klinischen Studien gezeigt wurde, wird durch Apomorphin eine signifikante und rasche Reduktion der Off-Phasen erreicht. Die schmerzhaften Dystonien während dieser Phase werden gemildert, was zu einem deutlichen Anstieg der Lebensqualität führt. Durch die Apomorphin-Gabe kann oral verabreichtes L-Dopa reduziert werden, was wiederum zu einer Verminderung der Dyskinesien führt. Diese Wirkung setzt erst nach mehreren Wochen ein, da die Hypersensitivität an den Dopaminrezeptoren nur langsam abgebaut wird.
Die zu Therapiebeginn auftretende Übelkeit wird mit der gleichzeitigen Gabe von Domperidon kupiert. Sie lässt nach einigen Tagen nach und bedarf dann auch keiner weiteren Behandlung mehr. Wie bei jeder dopaminergen Therapie können Verwirrtheit und Halluzinationen auftreten, die jedoch seltener als bei einer Therapie mit oralen Dopamin-Agonisten sind. Eine spezifische Nebenwirkung der Apomorphingabe ist das Auftreten subkutaner Knötchen an der Einstichstelle, die in Einzelfällen problematisch werden können. Auch nach einer mehrjährigen Applikation von Apomorphin sind weder Toleranzentwicklungen noch Wirksamkeitsverluste beobachtet worden.
Vorgehen in der Praxis
Schätzungsweise würden 10 bis 20% aller langjährigen Parkinsonpatienten von einer Apomorphintherapie profitieren; zurzeit werden lediglich 1 bis 2% damit behandelt. Vor Therapiebeginn muss eine klare Diagnosestellung erfolgen, und es muss ein L-Dopa-Langzeitsyndrom mit Wirkungsschwankungen und/oder Dyskinesien vorliegen. Ferner muss abgeklärt sein, ob der Patient kognitiv und motorisch in der Lage ist, eine Applikation von Apomorphin durchzuführen. Die Entscheidung, ob die Injektion kontinuierlich oder intermittierend erfolgt, hängt vom Krankheitsbild und der Häufigkeit der Off-Phasen ab.
Die Einstellung sollte in einer spezialisierten Klinik begonnen und von einem erfahrenen Neurologen überwacht werden. Die individuelle Dosis wird mit Hilfe eines Apomorphin-Tests ermittelt. Während der ersten Tage werden der Patient und seine Betreuer ausführlich geschult und in den Umgang mit dem Pen bzw. der Pumpe eingewiesen. Patienten mit schwerer Demenz, schweren Psychosen oder unter einer Therapie mit Antikoagulantien sollten kein Apomorphin erhalten.
In der Spätphase einer Parkinsonerkrankung treten verstärkt Episoden der plötzlichen Unbeweglichkeit auf, die mit gängigen Dopamin-Agonisten nicht mehr therapierbar sind. Durch eine Apomorphininjektion kann dieser Zustand sehr rasch aufgehoben werden. Je nach Krankheitsbild kann Apomorphin als einmaliges Rescue mit Hilfe eines Pens oder als Dauertherapie über eine Pumpe verabreicht werden.
Apomorphin als Parkinsonmittel
- Bioverfügbarkeit: oral 1,7%; subkutan 100%
- Plasmaproteinbindung: 90 bis 95%
- Verteilungshalbwertszeit: ca. 5 Minuten
- Eliminationshalbwertszeit: ca. 33 Minuten
- schnelles Einsetzen der klinischen Wirkung innerhalb von 4 bis 12 Minuten
- Wirkdauer: ca. 1 Stunde
- Zulassung seit August 2002
- Präparate: APO-go® Pen für den Bedarfsfall (3 ml, 10 mg/ml) APO-go® Ampullen (5 ml, 10 mg/ml) kombiniert mit Dosierpumpe Crono-APO-go®
- pharmazeutischer Unternehmer: Forum Products Limited (England); Mitvertrieb Cephalon GmbH, Martinsried
Apomorphin bei erektiler Dysfunktion
Apomorphin (Ixense® Sublingualtablette, Uprima® Sublingualtablette) ist eine sublinguale Therapie zur Behandlung der erektilen Dysfunktion und wirkt über einen zentralen Mechanismus. Apomorphin ist überwiegend ein D2- dopaminerger Agonist. Die Selektivität gegenüber D2-, D3- und D4-Rezeptoren ist in den relevanten Zellen 10 - 100fach höher als gegenüber D1- und D5-Rezeptoren. Es wirkt im ZNS insbesondere in der hypothalamischen Region des Gehirns, von der bekannt ist, dass sie an der Auslösung der Erektion beteiligt ist.
Damit Apomorphin wirken kann, ist eine sexuelle Stimulation erforderlich. Die erektogene Wirkung von Apomorphin erfolgt durch dopaminerge Signalübermittlung über oxytocinerge Bahnen. Diese Signale führen daraufhin zu lokaler Wirkung von Stickstoffmonoxid, zur Umwandlung von GTP zu cGMP und dementsprechend zur Relaxierung der glatten Muskulatur im Corpus cavernosum, welche eine Blutfüllung der Schwellkörper bedingt und damit eine Erektion auslöst.
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