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DAZ aktuell
Funktionelle Lebensmittel – zum Nutzen der Konsumenten oder der Produzente
Nun hat auch die Lebensmittelindustrie diese Botschaft verstanden: Funktionelle Lebensmittel (functional food) sind die Antwort, also Lebensmittel, die mit gesunden Wirkstoffen der Natur zusätzlich angereichert sind. Das bekannteste Produkt dieser neuen Klasse ist der probiotische Joghurt der Firma Nestlé, der laut Hersteller eine positive Auswirkung auf die Darmflora haben soll.
Mit funktionellen Lebensmitteln will die Ernährungsindustrie dem wachsenden Gesundheitsbewusstsein Rechnung tragen, zum Wohl der Verbraucher (und ganz sicher auch des eigenen Wohls). In den USA und in Japan füllen sie die Regale der Supermärkte. Man findet darunter so exotische Produkte wie Beauty-Drinks, die Kollagene enthalten, mit denen man sich eine Verjüngung der Haut erhoffen darf. Oder Brot, dem die kreislaufschützenden Omega-3-Fettsäuren zugesetzt wurden, falls man Fisch nicht mag. Und zusätzliche Vitamine finden sich nicht nur in Säften, sondern nun auch (endlich!) in Fleischklößchen.
Die Idee für diese Art von Lebensmitteln entstand in Japan und hat sich dort und vor allem in den USA rasch durchgesetzt. Aber auch bei uns werden den funktionellen Lebensmitteln gute Marktchancen eingeräumt. Spezielle Bakterien im Joghurt, Antioxidanzien in Fruchtsäften oder Kräuterzusätze in Milch kommen dem Bedürfnis vieler Verbraucher nach einer gesundheitsbewussten Ernährung entgegen. Unter die ganz normalen Joghurts, Müslipackungen und Fruchtsäfte mischen sich unauffällig die Produkte mit den besonderen gesundheitlichen Wirkungen. Hinweise wie "unterstützt körper-eigene Abwehrkräfte" oder "ein Beitrag zur Erhaltung Ihrer Gesundheit" sind immer häufiger auf Lebensmittelpackungen zu lesen.
Den meisten dieser Lebensmittel bestätigt die Wissenschaft den gesundheitlichen Wert der zugefügten Wirkstoffe. Ob diese Wirkung aber auch dann bestehen bleibt, wenn der Inhaltsstoff aus der Pflanze isoliert und dem Nahrungsmittel zugesetzt wurde, ist eine ganz andere Frage. Allerdings wissen wir aus neueren Untersuchungen der Plazeboforschung, dass der Glaube tatsächlich Wunder bewirkt, was den neuen Designer-Lebensmitteln sicher zugute kommt.
Weder in der Europäischen Union noch in Deutschland gibt es bisher Gesetze für funktionelle Lebensmittel. Allerdings dürfen nach dem Irreführungsverbot Lebensmittel schon jetzt nicht mit irreführenden Darstellungen oder Äußerungen beworben werden. Der Hersteller darf gesundheitliche Wirkungen zwar angeben, aber nur dann, wenn sie wissenschaftlich hinreichend gesichert sind. Doch was heißt "wissenschaftlich gesichert"? Eine krankheitsbezogene Aussage wie "schützt vor Krebs" darf nicht gemacht werden, wohingegen die Aussage "stärkt die Abwehrkräfte" erlaubt ist. Ob das der Verbraucher durchschaut?
Die in Vorbereitung befindliche EU-Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Wirkaussagen (claims) für Lebensmittel soll die Möglichkeit eröffnen, auch bei einem Nahrungsmittelprodukt Aussagen zur Reduktion eines Krankheitsrisikos zu machen. Allerdings muss der Hersteller dazu ein aufwendiges Antrags- und Genehmigungsverfahren durchlaufen. Aber versteht der Verbraucher den Unterschied zwischen der Vorbeugung einer Krankheit und einer Verringerung des Risikos, diese Krankheit zu bekommen?
Anders ausgedrückt: Erkennt er den Unterschied zwischen einer krankheitsvorbeugenden (arzneilichen) Aussage wie "schützt vor Osteoporose" und der dann für Lebensmittel zulässigen Formulierung wie "reduziert das Risiko, an Osteoporose zu erkranken"? Wohl eher nicht! Je deutlicher die Wirkversprechen sind, die im Zusammenhang mit einem Lebensmittel gemacht werden, desto wichtiger wird die Dosierungsfrage. Denn in aller Regel ist eine bestimmte Menge des wertbestimmenden Inhaltsstoffs eines Produkts erforderlich, um die ausgelobte Wirkung möglich zu machen. Oder (frei nach Paracelsus): Allein die Dosis entscheidet, ob der beigegebene "Wirkstoff der Natur" etwas tut oder nicht.
Funktionelle Lebensmittel werden auch bei uns ihre Erfolge haben. Doch keine Angst: Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis der Arzt bei Bluthochdruck, Grippeanfälligkeit oder zu hohen Cholesterinwerten seinen Patienten statt in die Apotheke in den Supermarkt schickt.
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