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Arzneimittel und Therapie
Atemwegsinfektionen: Procalcitonin-Test senkt Antibiotikagebrauch
Drei Viertel aller Antibiotikadosen werden bei akuten Atemwegsinfektionen verschrieben, obwohl diese überwiegend virale Ursachen haben. Die Symptome bakterieller und viraler Infektionen der unteren Atemwege ähneln sich. Oft bleibt auch nach Anamnese, körperlicher Untersuchung, Labortests und Thorax-Röntgen eine diagnostische Unsicherheit. Selbst der serologische Nachweis einer Virusinfektion schließt eine bakterielle Infektion nicht aus. Die Letalität einer bakteriellen Lungenentzündung steigt jedoch, wenn man mit dem Antibiotikum länger als 8 Stunden wartet. Deshalb verordnen viele Ärzte Antibiotika, um auf der sicheren Seite zu sein. Der breite Einsatz von Antibiotika fördert aber vermutlich die Ausbreitung resistenter Keime.
Calcitonin-Vorläufer im Blut
Procalcitonin ist ein Vorläufer des Calcitonins. Seine Konzentration im Blut steigt bei schweren bakteriellen Infektionen, bleibt aber bei viralen Infektionen und unspezifischen Entzündungen niedrig. Ein neuer hoch empfindlicher Procalcitonin-Schnelltest im Blut (Kryptor PCT von Brahms) hilft möglicherweise bakterielle von anderen Infektionen zu unterscheiden und so den Antibiotikagebrauch sinnvoll zu reduzieren.
Einfachblinde, wochenweise randomisierte Studie
In einer randomisierten, kontrollierten Studie an Patienten mit Verdacht auf eine untere Atemwegsinfektion wurde der Einfluss des Procalcitonin-Tests auf den Antibiotikagebrauch untersucht. 243 Patienten kamen mit der Verdachtsdiagnose "untere Atemwegsinfektion" in die Notfallaufnahme der Universitätsklinik Basel. Bei der einen Hälfte (Standard-Gruppe) trafen die behandelnden Ärzte die Entscheidung für oder gegen eine Antibiotikatherapie nach den üblichen Kriterien. Für die andere Hälfte (Procalcitonin-Gruppe) empfahl man den behandelnden Ärzten, die Entscheidung nach der Höhe des Procalcitonin-Spiegels auszurichten (Tab. 1). Für Blutspiegel ab 0,25 µg/l wurde eine Antibiotikatherapie empfohlen, ab 0,5 µg/l sogar nachdrücklich empfohlen. Bei niedrigeren Procalcitonin-Spiegeln wurde von einer Antibiotikatherapie abgeraten.
Die Randomisierung erfolgte wochenweise. Während einer ganzen Woche wurde bei allen Patienten entweder eine Standarddiagnose oder eine Procalcitonin-geleitete Diagnose gestellt. Primärer Endpunkt war der Antibiotikagebrauch. Die Analyse erfolgte nach dem Intention-to-treat-Prinzip.
Antibiotikagebrauch auf die Hälfte reduziert
Die beiden Gruppen waren in Bezug auf die Patientencharakteristika vergleichbar (siehe Kasten). Als Diagnosen herrschten ambulant erworbene Lungenentzündung, akute Bronchitis und Verschlimmerung einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung vor. In der StandardGruppe bekamen 83% eine Antibiotikatherapie, in der Procalcitonin-Gruppe 44%. (Vor Bekanntgabe des Procalcitonin-Werts hatten sich die Ärzte noch bei 80% der Procalcitonin-Patienten für eine Antibiotikatherapie ausgesprochen.) Die Procalcitonin-geleitete Entscheidung senkte den Antibiotikagebrauch in allen diagnostischen Untergruppen signifikant.
Antibiotika noch seltener nötig?
Eine bakterielle Infektion konnte mittels Bakterienkultur aus dem Sputum nur bei gut einem Fünftel der Patienten nachgewiesen werden. Viel häufiger lagen Virusinfektionen vor: Von 175 untersuchten Patienten hatten vier Fünftel serologische Hinweise auf eine Virusinfektion, ein Viertel auf mehrere Virusinfektionen.
Der Therapieerfolg war in beiden Gruppen vergleichbar. In jeder Gruppe starben vier Patienten. Kein Todesfall in der Procalcitonin-Gruppe war auf eine fehlende oder verspätete Antibiotikatherapie zurückzuführen. Die Procalcitonin-geleitete Behandlung unterer Atemwegsinfektionen senkt demnach den Antibiotikagebrauch, ohne die Patienten zu gefährden (Abb. 1). So können Kosten gespart und möglicherweise die Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen verhindert werden.
Untere Atemwegsinfektionen werden vermutlich viel häufiger antibiotisch behandelt als notwendig. Die Empfehlung, erst ab einem Procalcitonin-Blutspiegel von mindestens 0,25 Mikgrogramm pro Liter ein Antibiotikum zu geben, reduzierte den Antibiotikagebrauch, ohne das Behandlungsergebnis zu verschlechtern.
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