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Arzneimittel und Therapie
Neues atypisches Neuroleptikum: Aripiprazol bessert schizophrene Symptome
Verfolgung und Beobachtung durch Außerirdische, Geheimdienste und geheimnisvolle Stimmen im Kopf – die charakteristischen Symptome einer Schizophrenie (Plus-Symptomatik) entführen die Erkrankten in eine – für sie als real erlebte – Phantasiewelt. Dadurch verändern sich Denken, Fühlen, Handeln und Ich-Erleben in der wirklichen Welt. Vorher vertraute Dinge und Personen werden unheimlich. Die Betroffenen ziehen sich in der Folge aus Misstrauen mehr und mehr von anderen Menschen zurück, verarmen oder verflachen emotional, verlieren ihren Antrieb und vernachlässigen ihre Körperpflege (Minus-Symptomatik). Trotz dieser gravierenden Veränderungen fehlt oft die Krankheitseinsicht oder ist nur gering ausgeprägt.
Genie und Wahnsinn – "A Beautiful Mind"
Ein an Schizophrenie Erkrankter kann trotz seiner Erkrankung zu intellektuellen Höchstleistungen fähig sein. Ein Beispiel dafür ist der hochbegabte Mathematiker John Forbes Nash, der in den 50er Jahren in seiner Jugend an paranoider Schizophrenie erkrankte und jahrelange soziale und berufliche Isolation hinnehmen musste. Mit 21 Jahren entwickelte der Schüler Einsteins an der Princeton University eine Spieltheorie, die vor allem die Wirtschaftswissenschaften revolutionierte. In Princeton genoss er den Ruf eines Mathematikgenies, führte aber ein Außenseiterdasein. Nach seinem Durchbruch entschlüsselte er im Auftrag der US-Regierung russische Codes, doch seine fortschreitende Schizophrenie-Erkrankung führte ihn immer weiter in die Isolation. Erst in den 1990er Jahren feierte er, von seiner Erkrankung weitestgehend genesen, ein vielbeachtetes Comeback, das schließlich im Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 1994 gipfelte. Seine Lebensgeschichte wird in dem Film "A Beautiful Mind" gezeigt (USA 2002, Regie: Ron Howard).
Einer von 100 ist betroffen
Statistisch gesehen durchlebt jeder Hundertste mindestens einmal im Leben eine schizophrene Episode. Männer und Frauen erkranken etwa gleich häufig. Schizophrenien kommen in allen Kulturen der Welt mit gleicher Häufigkeit vor, aber das jeweilige Erscheinungsbild wechselt mit den soziokulturellen Gegebenheiten. Der Begriff kommt vom Griechischen schizo = spalten und phren = eigentlich Zwerchfell (für die Griechen Sitz der Seele). Mit diesem Begriff wird zum Ausdruck gebracht, dass Denkinhalte nicht zu den Emotionen passen (so genannte Parathymie): Der Schizophrene trägt zum Beispiel grausige Geschichten mit einem Lächeln vor oder weint bei fröhlichen Ereignissen.
Medikamentöse Therapie in der akuten Phase
In der akuten Phase steht die medikamentöse Behandlung im Vordergrund. In erster Linie werden dabei Neuroleptika eingesetzt, die spezifisch auf psychotische Symptome wirken (beispielsweise Halluzinationen). Ältere Neuroleptika haben teilweise gravierende Nebenwirkungen. Dazu gehören Dyskinesien (Bewegungsstörungen), hauptsächlich im Gesichtsbereich und an den Extremitäten, parkinsonähnliche Symptome und Bewegungsunruhe. Die modernen atypischen Neuroleptika wirken gut antipsychotisch und haben deutlich weniger Nebenwirkungen. Die Minus-Symptomatik kann durch Neuroleptika nur unzureichend beeinflusst werden, so dass viele Betroffene Probleme im sozialen Umfeld oder im Beruf haben.
Nach der akuten Phase können soziotherapeutische Maßnahmen wie Arbeitstherapie und Ergotherapie psychisch stabilisierend wirken. Bei etwa einem Drittel der Patienten bildet sich unter medikamentöser Behandlung die Erkrankung komplett zurück; bei einem weiteren Drittel kommt es zu Residualsymptomen und zu erneuten akuten Schüben. Einem Drittel drohen schwere chronische Verläufe, bei denen erhebliche psychosoziale Einschränkungen bleiben und die Betroffenen dauerhaft psychosozial betreut werden müssen.
Neues atypisches Neuroleptikum: Aripiprazol
Jetzt erweitert das neue atypische Neuroleptikum Aripiprazol (Abilify®) die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten bei der Therapie der Schizophrenie bei Erwachsenen. Aripiprazol ähnelt in seiner Struktur den atypischen Neuroleptika Risperidon und Ziprasidon, hat aber einen anderen Wirkansatz. Während die bisher verfügbaren Atypika Clozapin, Risperidon, Olanzapin, Quetiapin und Ziprasidon als volle Antagonisten am Dopamin-D2-Rezeptor wirken, zeigt Aripiprazol partiell agonistische Wirkungen am D2- und Serotonin-5-HT1A-Rezeptor.
Als partieller Dopamin-D2-Agonist blockiert Aripiprazol die postsynaptischen Dopamin-D2-Rezeptoren, während es gleichzeitig die präsynaptischen Autorezeptoren stimuliert. Dadurch wirkt Aripiprazol agonistisch, wenn der natürliche Botenstoff Dopamin fehlt. Ist dessen Aktivität erhöht, wirkt Aripiprazol antagonistisch. Aripiprazol hemmt also das dopaminerge System überwiegend dort, wo es überaktiv ist und zum Beispiel Wahnsymptome verursacht, und aktiviert es in Bereichen zu geringer Aktivität. Wie die anderen Atypika blockiert auch Aripiprazol den Serotonin-5-HT2A-Rezeptor.
Gut verträglich
Aripiprazol bessert bei Schizophrenie-Patienten die Positiv-Symptome wie Wahnvorstellungen und Paranoia mindestens ebenso gut wie die bisher verfügbaren atypischen Neuroleptika Olanzapin und Risperidon sowie das Neuroleptikum Haloperidol, wird aber von vielen Patienten besser vertragen. Die Negativ-Symptome wie Depression und Apathie bessert Aripiprazol stärker als Haloperidol. Auch die Compliance ist mit Aripiprazol besser als mit Haloperidol.
Nebenwirkungen seltener als unter Haloperidol
Die häufigsten Nebenwirkungen sind Benommenheit, Schläfrigkeit, Akathisie, Tremor, verschwommenes Sehen, Kopfschmerzen und gastrointestinale Symptome. Extrapyramidale Nebenwirkungen treten vergleichbar häufig auf wie unter einer Behandlung mit Olanzapin und seltener als unter einer Therapie mit Haloperidol (27 versus 58 Prozent der Patienten). Eine klinisch relevante Gewichtszunahme – ein häufiger Begleiteffekt einer antipsychotischen Therapie – kam unter der Behandlung mit Aripiprazol nicht oder deutlich seltener als unter Olanzapin vor.
Zahlreiche Interaktionsprobleme
Als Anfangs- und Erhaltungsdosis werden 15 mg Aripiprazol einmal täglich empfohlen. Der Wirkstoff wird nach peroraler Gabe gut resorbiert und intensiv in der Leber über die Cytochrom-Enzyme CYP3A4 und 2D6 verstoffwechselt. Daraus ergibt sich ein erhebliches Wechselwirkungspotenzial. Wird Aripiprazol gemeinsam mit potenten CYP2D6-Hemmstoffen, zum Beispiel Chinidin, Fluoxetin oder Paroxetin gegeben, muss die Dosis etwa halbiert werden. Gleiches gilt bei paralleler Gabe von Ketoconazol oder HIV-Protease-Inhibitoren, die CYP3A4 blockieren. Bei Gabe von 3A4-Induktoren wie Carbamazepin, Rifampicin, Phenytoin oder Johanniskraut muss die Dosis erhöht werden.
Aripiprazol (Abilify) ist ein neues atypisches Antipsychotikum zur Therapie der Schizophrenie bei Erwachsenen. Es ähnelt in seiner Struktur den atypischen Neuroleptika Risperidon und Ziprasidon, hat aber einen anderen Wirkansatz. Als partieller Dopamin-D2-Agonist blockiert es die postsynaptischen Dopamin-D2-Rezeptoren, während es gleichzeitig die präsynaptischen Autorezeptoren stimuliert.
Verlauf der Schizophrenie
Schizophrenien können sowohl schubweise als auch chronisch verlaufen, wobei die schubweise Verlaufsform häufiger ist. Akute Schübe treten häufig in besonders belastenden und veränderungsträchtigen Lebenssituationen auf, zum Beispiel Auszug aus dem Elternhaus, Heirat, Arbeitsplatzwechsel oder Renteneintritt. Der erste Krankheitsschub beginnt typischerweise zwischen Pubertät und dreißigstem Lebensjahr. Bei Frauen beginnt die erste schizophrene Episode in der Regel etwas später als bei Männern; so genannte Spätschizophrenien (erster Schub nach dem 40. Lebensjahr) treten hauptsächlich bei Frauen auf. Als Grund für diesen geschlechtsspezifischen Unterschied gilt eine die Erkrankung eindämmende Wirkung des weiblichen Hormons Estrogen. Die Symptome klingen in der Regel mit fortschreitendem Alter ab; akute Krankheitsepisoden werden seltener. Ersterkrankungen kommen im höheren Alter kaum noch vor. Die Suizidgefahr ist gravierend: Rund 10% aller Erkrankten begehen Selbstmord; dies betrifft am häufigsten jüngere männliche Erkrankte.
Eine eindeutige Ursache für Schizophrenie ist bis heute nicht bekannt. Man geht derzeit von einem multifaktoriellen Modell aus. Eine genetische Komponente ist belegt: Bei einem schizophreniekranken Elternteil beträgt die Wahrscheinlichkeit der Erkrankung 5 bis 10%, bei kranken Geschwistern 8 bis 10%, bei eineiigen Zwillingen 20 bis 75%. Es gibt auch Hinweise auf einen Zusammenhang von Schizophrenie mit frühkindlichen Hirnschädigungen, etwa durch Geburtskomplikationen. An Schizophrenie erkrankte Menschen weisen eine höhere Rate an Geburtskomplikationen bei ihrer eigenen Geburt auf als andere Personen. Eventuell spielen auch frühkindliche Virusinfektionen eine Rolle.
Steckbrief: Aripiprazol
Handelsname/Hersteller: Abilify (Bristol Myers Squibb, München) Einführungsdatum: 1. Juni 2004 Zusammensetzung: 1 Tablette enthält 10, 15 bzw. 30 mg Aripiprazol. Sonstige Bestandteile: Lactose-Monohydrat, Maisstärke, mikrokristalline Cellulose, Hyprolose, Magnesiumstearat, Eisen(III)-oxid (E 172). Packungsgrößen, Preise und PZN: Abilify 10 mg: 14 Stück, Euro 96,54, PZN 3205872; 49 Stück, Euro 299,83, PZN 3205889. Abilify 15 mg: 14 Stück, Euro 96,54, PZN 3205903; 49 Stück, Euro 299,83, PZN 3205926; 98 Stück, Euro 578,64, PZN 3205932. Abilify 30 mg: 14 Stück, Euro 157,62, PZN 3205949; 49 Stück, Euro 503,37, PZN 3205955. Stoffklasse: Psychopharmaka; atypisches Neuroleptikum Indikation: Zur Behandlung von Erkrankungen mit schizophrener Symptomatik bei Erwachsenen Dosierung: Anfangs- und Erhaltungsdosis: 15 mg/Tag, einmal täglich unabhängig von den Mahlzeiten. Die Maximaldosis sollte 30 mg nicht überschreiten. Gegenanzeigen: Aripiprazol ist kontraindiziert bei Patienten mit Überempfindlichkeit gegen Aripiprazol oder einen der sonstigen Bestandteile. Nebenwirkungen: Benommenheit, Schlaflosigkeit, Akathisie, Schläfrigkeit, Tremor; verschwommenes Sehen; Übelkeit, Erbrechen, Dyspepsie, Verstopfung; Kopfschmerzen, Asthenie, Tachykardie; orthostatische Hypotonie Wechselwirkungen: Aufgrund seines alpha1-adrenergen Rezeptorantagonismus kann Aripiprazol die Wirkung bestimmter antihypertensiver Wirkstoffe verstärken. Aufgrund der primären Wirkung von Aripiprazol auf das Zentralnervensystem ist Vorsicht geboten, wenn Aripiprazol in Kombination mit Alkohol oder anderen zentral wirksamen Arzneimitteln mit sich überlagernden Nebenwirkungen wie Sedierung eingenommen wird. Die Aripiprazol-Dosis sollte auf etwa die Hälfte der verschriebenen Dosis verringert werden, wenn Aripiprazol zusammen mit Chinidin oder anderen hochwirksamen Inhibitoren von CYP2D6 wie Fluoxetin und Paroxetin eingenommen wird. Bei CYP2D6 "schlechten" (= "poor") Metabolisierern kann die gemeinsame Anwendung mit hochwirksamen Inhibitoren von CYP3A4 in höheren Plasmakonzentrationen von Aripiprazol resultieren im Vergleich zu CYP2D6-extensiven Metabolisierern. Wenn Ketoconazol oder andere hochwirksame CYP3A4-Inhibitoren wie Itraconazol und HIV-Proteaseinhibitoren mit Aripiprazol eingenommen werden sollen, sollte die Aripiprazol-Dosis auf ungefähr die Hälfte der verschriebenen Dosis reduziert werden. Die Aripiprazol-Dosis sollte bei gemeinsamer Gabe von Aripiprazol mit Carbamazepin verdoppelt werden. Es ist zu erwarten, dass andere hochwirksame Induktoren von CYP3A4 (wie Rifampicin, Rifabutin, Phenytoin, Phenobarbital, Primidon, Efavirenz, Nevirapin und Johanniskraut) ähnliche Wirkungen haben, deshalb sollten ähnliche Dosiserhöhungen vorgenommen werden. Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Wenn ein Patient Anzeichen und Symptome entwickelt, die auf ein malignes neuroleptisches Syndrom (MNS) hindeuten, oder unklares hohes Fieber ohne eine zusätzliche klinische Manifestation von MNS hat, müssen alle Antipsychotika, einschließlich Aripiprazol, abgesetzt werden. Aripiprazol sollte bei Patienten mit Krampfanfällen in der Anamnese oder bei Zuständen, die mit Krampfanfällen im Zusammenhang stehen, mit Vorsicht angewendet werden.
2 Kommentare
Aripiprazol
von Rath Thomas am 11.08.2019 um 11:07 Uhr
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Aripiprazol
von Regina Gessner am 20.05.2019 um 7:03 Uhr
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