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Arzneimittel und Therapie
Dialysepatienten: Cinacalcet senkt Parathormon-Spiegel
Die meisten Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz bekommen eine Nebenschilddrüsen-Überfunktion (einen sekundären Hyperparathyreoidismus). Insuffiziente Nieren scheiden weniger Phosphat aus und bilden weniger aktives Vitamin D3 (Calcitriol), das für die Aufrechterhaltung eines physiologischen Calciumionen-Blutspiegels notwendig ist. Weil der Calciumionen-Blutspiegel sinkt, wird in den Nebenschilddrüsen vermehrt Parathormon ausgeschüttet. Die Parathormon-Überproduktion bewirkt, dass Calciumionen aus den Knochen ins Blut wandern. Ein sekundärer Hyperparathyreoidismus kann zu Knochenerkrankungen führen. Andererseits drohen insbesondere unter der bisher üblichen Behandlung mit Calcium-Präparaten als Phosphatbindern und 1-hydroxylierten Vitamin-D-Derivaten (z. B. Calcitriol) Weichgewebe- und Gefäßverkalkungen und das kardiovaskuläre Risiko steigt.
Angriff an Calciumionen-Sensoren
Cinacalcet (Sensipar™; Hersteller: Amgen) ist ein neuer Wirkstoff zur Behandlung des sekundären Hyperparathyreoidismus infolge chronischer Niereninsuffizienz. Cinacalcet bindet an den Calciumionen-empfindlichen Rezeptor ("Calciumionen-Sensor") auf der Oberfläche der Nebenschilddrüsen, der die Parathormon-Ausschüttung reguliert. Indem das Calcimimetikum die Empfindlichkeit des Rezeptors gegenüber extrazellulären Calciumionen steigert, senkt es die Parathormon-Sekretion, ohne Calcium- und Phosphat-Spiegel zu erhöhen.
Dialysepatienten mit hohem Parathormon-Spiegel
Cinacalcet wurde in zwei randomisierten Doppelblindstudien mit identischem Design an Dialysepatienten verabreicht. Die eine Studie fand in Nordamerika, die andere in Europa und Australien statt. Beide wurden gemeinsam ausgewertet. Die Patienten wurden seit mindestens drei Monaten (durchschnittlich sechs Jahren) regelmäßig dialysiert und hatten einen sekundären Hyperparathyreoidismus entwickelt. Ihr mittlerer Parathormon-Plasmaspiegel betrug zu Beginn über 300 pg/ml.
741 Patienten nahmen teil, die eine Hälfte bekam ein halbes Jahr lang Cinacalcet, die andere Hälfte Plazebo. Die Behandlung bestand aus einer 12-wöchigen Dosistitrations- und einer anschließenden 14-wöchigen Wirksamkeitsprüfungs-Phase. Cinacalcet wurde einmal täglich oral eingenommen. Die Dosis durfte von 30 mg bis auf 180 mg gesteigert werden, um den Parathormon-Spiegel auf maximal 250 pg/ml abzusenken. Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten mit so niedrigem Parathormon-Spiegel in der Wirksamkeitsprüfungs-Phase.
Fast alle Patienten vorbehandelt
Die Patienten waren zu Beginn im Mittel 55 Jahre alt, gut 60% waren Männer. Zwei Drittel wurden bereits mit Vitamin-D-Präparaten und über 90% mit Phosphatbindern behandelt. Beide Therapien waren auch während der Studie erlaubt. 43% der mit Cinacalcet und 5% der mit Plazebo behandelten Studienteilnehmer erreichten tatsächlich eine Absenkung des Parathormon-Plasmaspiegels auf maximal 250 pg/ml. Um mindestens 30% sank der Parathormon-Spiegel bei 64% der Cinacalcet- und 11% der Plazebo-Patienten.
Im Mittel war der Parathormon-Spiegel bei Cinacalcet-Patienten um 43% gesunken und bei Plazebo-Patienten um 9% gestiegen. Der Abfall des Parathormon-Spiegels war unabhängig von der Erkrankungsschwere und von Änderungen in der Dosierung eines Vitamin-D-Derivats. Unter der Cinacalcet-Behandlung gingen Calcium- und Phosphat-Spiegel im Serum leicht zurück. Das Calcium-Phosphat-Produkt sank mit dem Calcimimetikum um 15%, während es mit Plazebo unverändert blieb.
Gastrointestinale Nebenwirkungen
Übelkeit und Erbrechen traten mit 32% gegenüber 19% und 30% gegenüber 16% in der Verum-Gruppe etwas häufiger auf als in der Plazebo-Gruppe. In den meisten Fällen waren sie nur mäßig stark ausgeprägt. Zum Therapieabbruch führten diese Nebenwirkungen nur bei unter 5% der Cinacalcet- und unter 1% der Plazebo-Patienten. Hypocalcämien betrafen ebenfalls nur 5% der mit Cinacalcet und unter 1% der mit Plazebo Behandelten; sie verliefen meist asymptomatisch.
Diesen beiden Studien zufolge senkt Cinacalcet den Parathormon-Spiegel bei Dialysepatienten mit sekundärem Hyperparathyreoidismus und verbessert das Calcium-Phosphat-Gleichgewicht. Cinacalcet wurde meist zusätzlich zu Phosphatbindern und Vitamin-D-Derivaten gegeben. Seine Wirksamkeit als Primärtherapie muss gesondert untersucht werden. Langzeitstudien sollten auch die Wirksamkeit auf Knochenmasse, Knochenzusammensetzung, Verkalkung von Weichgewebe und Arterien sowie kardiovaskuläre Ereignisse überprüfen.
Bei einem Hyperparathyreoidismus infolge chronischer Niereninsuffizienz kommt es zu einer Überproduktion an Parathormon, die dazu führt, dass sich Calcium aus den Knochen löst und diese brüchiger werden. Das Calcimimetikum Cinacalcet greift am Calciumionen-Sensor an, der die Ausschüttung von Parathormon reguliert. In zwei Studien mit 741 Dialysepatienten senkte Cinacalcet den Parathormon-Plasmaspiegel und erhöhte so den Anteil der Patienten mit gut kontrolliertem sekundärem Hyperparathyreoidismus.
Cinacalcet normalisiert den Calciumstoffwechsel
Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen haben als Folge ihrer Grunderkrankung häufig mit einem gestörten Calciumstoffwechsel zu kämpfen. Durch absinkende Calciumspiegel im Blut kommt es zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus. Die Überproduktion führt dazu, dass sich das Calcium aus den Knochen löst und in das Blut gelangt. Als Folge werden die Knochen brüchiger. Zur Behandlung der gesteigerten Parathormon-Sekretion werden üblicherweise Calcium und Vitamin D substituiert.
Cinacalcet gehört zu den so genannten Calcium- Rezeptoragonisten. Es wirkt, indem es an die calciumempfindlichen Rezeptoren an der Oberfläche der Nebenschilddrüsen bindet. Sie simulieren somit einen höheren Calciumspiegel im Blut als tatsächlich vorhanden. Dadurch wird die Parathormon-Sekretion gehemmt und die Spiegel des Parathormons, das den Metabolismus von Calcium und Phosphat reguliert, werden stabilisiert.
Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat für Cinacalcet (Sensipar™) zur Behandlung des sekundären Hyperparathyreoidismus die Zulassung erteilt. Cinacalcet ist außerdem zur Behandlung der Hypercalcämie bei Patienten mit Nebenschilddrüsenkarzinom zugelassen.
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