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Fortbildung
Besonderheiten biotechnisch hergestellter Arzneistoffe
Im Jahr 1989 kam es zu einem Skandal im Zusammenhang mit einem Fermentationsprodukt. Die Aminosäure Tryptophan wurde seit den 80er-Jahren durch eine gentechnisch erzeugte Mutante des Bacillus amyloliquefaciens fermentativ aus Anthranilsäure hergestellt. 1989 starben über 30 mit dem Tryptophan-Präparat behandelte Patienten am Eosinophilie-Myalgie-Syndrom. Nachforschungen beim japanischen Hersteller Showa Denko ergaben, dass kurz zuvor das Herstellungsverfahren geändert worden war: Die Mutante war gentechnisch optimiert worden, auf eine Umkehrosmose war verzichtet worden, und die Aktivkohlemenge bei der Reinigung war verringert worden.
Dieser Skandal hat dazu beigetragen, dass im Europäischen Arzneibuch die Monographien Fermentationsprodukte und DNA-rekombinationstechnisch hergestellte Produkte erstellt wurden. Außerdem sind jetzt bei vielen einzelnen Fermentationsprodukten zahlreiche Nebenprodukte mit ihrer chemischen Struktur aufgelistet.
Fermentationsprodukte: kleine Moleküle
Die Monographie Fermentationsprodukte bezieht sich auf Arzneistoffe, die im Stoffwechsel von Mikroorganismen, die auch gentechnisch verändert sein können (aber nicht müssen), entstehen und in Fermentationsanlagen kontrolliert hergestellt werden. Bei den Fermentationsprodukten handelt es sich um Vitamine, Aminosäuren, Antibiotika, Alkaloide und Polysaccharide, während Proteine hier eindeutig ausgeschlossen sind. Bakterien, Hefen, sonstige Pilze und Algen stellen die wichtigsten Produzenten dar.
DNA-rekombinationstechnisch hergestellte Produkte: Proteine
Wesentliche Aussagen der Arzneibuchmonographie DNA-rekombinationstechnisch hergestellte Produkte (siehe Kasten) sind:
- Die Produzenten sind immer lebende Zellen.
- Sie erhalten die Information zur Wirkstoffsynthese in Form rekombinanter DNA.
- Die Produkte sind stets Proteine.
- Das Herstellungsverfahren ist Bestandteil der Produktspezifität (Der Prozess ist das Produkt).
Für die Herstellung wird meist einer von vier Zelltypen verwendet: Escherichia coli, Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae), Chinese-Hamster-Ovary-Zellen oder Baby-Hamster-Kidney-Zellen.
1977 wurde mit Somatostatin das erste menschliche Protein in Bakterien produziert. 1983 kam das erste rekombinante Human-Insulin (Humulin) auf den Markt. Die Zahl der DNA-rekombinationstechnisch hergestellten Arzneistoffe wächst in den letzten Jahren rasant. Etwa 150 Präparate (ca. 70 Arzneistoffe) haben den Sprung auf den Markt geschafft. Ursprünglich versuchte man die menschlichen Proteine exakt nachzubauen. Bei der Entwicklung DNA-rekombinationstechnisch hergestellter Produkte zeigte sich jedoch, dass häufig Veränderungen gegenüber der Ausgangssubstanz nötig sind. Beispielweise fehlt in Aldesleukin (Proleukin®), einem rekombinanten Interleukin-2, eine Peptidsequenz des originären Proteins. Außerdem wurde eins von drei Cysteinen durch Serin ersetzt, um die Bildung einer unerwünschten Disulfidbrücke zu vermeiden.
Deletionsvarianten und Muteine
Manchmal genügt schon ein Teil des originären Proteins, um die gewünschte pharmakologische Wirkung zu erzielen. Ein Beispiel für solche Deletionsvarianten ist Reteplase (Rapilysin®), eine Abwandlung des Gewebe-Plasminogenaktivators (t-PA). Von Muteinen spricht man, wenn die Eigenschaften des Moleküls durch gezielte Mutationen verbessert werden. So besitzt das Mutein Tenecteplase (Metalyse®) eine höhere Fibrinspezifität, eine verlängerte Halbwertszeit und bessere Resistenzen gegenüber Inaktivatoren als das Ausgangsmolekül t-PA. Von den rekombinanten Insulinen sind beispielsweise Insulin glargin (Lantus®) und Insulin lispro (Humalog®) Muteine. Während Insulin glargin durch Aggregatbildung eine Depotwirkung hat, ist Insulin lispro besonders schnell biologisch verfügbar.
Bei den monoklonalen Antikörpern (monoclonal antibodies, mab) geht die Entwicklung von den chimären (mit der Kennsilbe xi) zu den humanisierten Antikörpern (mit der Kennsilbe zu). Mit Alemtuzumab (MabCampath®) kam im Jahr 2001 der erste praktisch 100%ig humanisierte Antikörper auf den Markt.
Dass auch bei gentechnisch hergestellten Arzneistoffen äußerste Vorsicht im Zusammenhang mit Herstellungsänderungen geboten ist, zeigte der Skandal um eine Charge rekombinantes Epoetin alfa (Eprex®). Etwa 140 Patienten entwickelten durch Autoantikörper-Bildung auf Epoetin alfa eine Erythrozyten-Aplasie und müssen zeitlebens mit Blutkonserven versorgt werden. Als mögliche Ursachen werden Änderungen im Glykosylierungsmuster, Siliconpartikel in der Spritze und ein Wechsel des Stabilisators diskutiert.
- Biotechnik: Nutzung von Erkenntnissen der Biologie in technischen Verfahren. Das Feld der biotechnisch hergestellten Produkte ist weit und reicht von Fermentationsprodukten wie Vitaminen, Aminosäuren und Antibiotika, bis hin zu Impfstoffen, Mikroorganismen und Stammzellen.
- Gentechnik: Veränderung des Erbguts mit molekularbiologischen Methoden. Dabei sollen neue Produkte erhalten oder Qualität bzw. Ausbeute eines Produktes verbessert werden. DNA-rekombinationstechnisch hergestellte Produkte sind ausschließlich Proteine.
- DNA-rekombinationstechnische Produkte (gemäß Ph. Eur.): Durch genetische Modifikation hergestellt, wobei die für das benötigte Produkt kodierende DNA gewöhnlich mithilfe eines Plasmids oder viralen Vektors in einen geeigneten Mikroorganismus oder eine geeignete Zelllinie eingeführt wird, in denen diese DNA exprimiert wird. Das durch Translation der mRNA synthetisierte Protein wird dann durch Extraktion und Reinigung gewonnen.
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