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- DAZ 32/2004
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Arzneimittel und Therapie
Alzheimer und Arteriosklerose: Besteht eine enge pathogenetische Beziehung?
Bei der Alzheimer-Krankheit unterscheidet man zwei Formen: Die relativ seltene Frühform (1 bis 2% der Fälle), die erblich bedingt ist und bereits im dritten oder vierten Lebensjahrzehnt auftritt, und die häufigere Spätform (90 bis 95% aller Fälle), etwa ab dem 65. Lebensjahr auftretend. Bei diesen älteren Patienten gibt es zunehmend Hinweise auf eine enge Verbindung zwischen der Erkrankung sowie vaskulären Risikofaktoren und Arteriosklerose. Über die Art dieser Verbindung existieren zunächst nur Hypothesen. Einige Wissenschaftler vermuten, dass Alzheimer als sekundäres Ereignis nach einer Arteriosklerose extra- oder intrakranialer Gefäße infolge der Minderdurchblutung des Gehirns oder einzelner Hirninfarkte entsteht. Eine andere Hypothese besagt und diese erschien den Autoren des Reviews am plausibelsten dass Arteriosklerose und Alzheimer voneinander unabhängige, aber konvergente Erkrankungen sind: sie besitzen eine gemeinsame Epidemiologie und Pathophysiologie und sprechen teilweise auf die gleichen Therapien an.
Gemeinsame pathophysiologische Faktoren
Ein höheres Lebensalter ist ein dominanter Risikofaktor sowohl bei Morbus Alzheimer als auch bei Arteriosklerose. Ebenso fällt auf, dass beide Erkrankungen vor allem in den entwickelten Industrieländern verbreitet sind. Die wichtigsten gemeinsamen pathogenetischen Faktoren beider Erkrankungen scheinen erhöhte Serum-Cholesterinkonzentrationen und Entzündungen zu sein (weitere siehe Kasten).
In Zellkultur-Studien hatte sich beispielweise gezeigt, dass die Bildung von beta-Amyloid aus Amyloid-Präcursor-Protein (APP) durch erhöhte Cholesterin-Konzentrationen gefördert und durch eine verringerte behindert wird. Eine andere Untersuchung beschäftigte sich mit dem Polymorphismus im CYP46A1-Gen, welches das Enzym Cholesterin-24S-Hydroxylase kodiert. Dieses Enzym vermittelt den Cholesterin-Abbau im Gehirn. Personen mit Mutationen im CYP46A1-Gen besaßen in der Studie ein höheres Risiko, an der Alzheimer-Spätform zu erkranken, histologisch konnte dieser Zusammenhang durch den Nachweis größerer Mengen beta-Amyloid im mittleren Temporallappen gesichert werden.
Entzündungen spielen als pathophysiologische Faktoren sowohl bei Arteriosklerose als auch bei Morbus Alzheimer eine wichtige Rolle, bei letztgenannter Erkrankung wahrscheinlich vor allem in der Frühphase der Entstehung. So war in einer asiatischen Studie eine erhöhte Konzentration des Entzündungsmarkers C-reaktives Protein im mittleren Lebensalter verbunden mit einem erhöhten Alzheimer-Risiko in den folgenden 25 Jahren.
Ansprechen auf Therapien
Statine In verschiedenen randomisierten plazebokontrollierten Studien konnte der Benefit einer Behandlung mit CSE-Hemmern (Statine) zur Primär- und Sekundärprävention kardiovaskulärer und cerebrovaskulärer Erkrankungen gezeigt werden. Auch epidemiologische Studien zur Anwendung dieser Wirkstoffe bei Morbus Alzheimer haben erstaunliche Ergebnisse zutage gefördert: unter einer Statin-Therapie war das Risiko einer Alzheimer-Erkrankung um 40 bis 70 Prozent reduziert. Zur Erklärung werden sowohl cholesterinabhängige als auch cholesterinunabhängige Effekte herangezogen.
In-vitro-Studien haben beispielsweise gezeigt, dass sich vermittelt durch Statine die Aktivität von alpha-Sekretasen erhöht und die von beta-Sekretasen verringert, wodurch weniger beta-Amyloid gebildet wird. Allerdings muss auch in Betracht gezogen werden, dass die Lebensdauer von zerebralem Cholesterin relativ lang ist (etwa sechs Monate), der Effekt einer Cholesterinsenkung durch Statine besitzt daher bei Morbus Alzheimer wahrscheinlich nur eine geringe klinische Relevanz.
ASS und NSAID Bei Patienten mit koronarer oder zerebraler Arteriosklerose ist Acetylsalicylsäure (ASS) erwiesenermaßen sehr effektiv in der Sekundärprävention ischämischer Ereignisse. Eine Metaanalyse verschiedener Studien hat gezeigt, dass niedrigdosierte Acetylsalicylsäure und nicht-steroidale antiinflammatorische Wirkstoffe auch bei Alzheimer-Patienten wirksam sind. Am größten scheint dieser Effekt bei Langzeit-Einnahme (über zwei Jahre) zu sein. Die Wirkung kommt wahrscheinlich durch die durch die COX-Hemmung bedingte Reduktion von Entzündungsmediatoren zustande, aber es wurde auch eine COX-unabhängige Reduktion der Amyloid-Produktion beobachtet. Eine andere randomisierte Studie konnte jedoch keine Effekte von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAID) oder selektiven COX-2-Inhibitoren auf den Krankheitsverlauf bei Alzheimer-Patienten finden.
Alle Arteriosklerose-Therapien auf Wirkung bei Alzheimer testen
Die Autoren schlussfolgern aus ihrer Analyse, dass die Daten aus den fast 500 Literaturstellen zu einem Paradigmenwechsel bei der Betrachtung der Pathogenese der beiden Erkrankungen führen könnten, insbesondere in Bezug auf ältere Patienten mit vaskulären Risikofaktoren. Sie verbinden damit die Hoffnung, dass durch diese Erkenntnisse neue Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten für Alzheimer erschlossen werden und empfehlen daher, anti-arteriosklerotische Therapien - zunächst in In-vitro- und Tiermodellstudien - systematisch auf ihre mögliche Wirksamkeit bei Morbus Alzheimer zu testen. Andererseits empfehlen sie, in zukünftige kardiovaskuläre Studien von vornherein kognitive Testverfahren einzubeziehen, die eine Diagnose von Morbus Alzheimer bei den Probanden erlauben. Dies erfordere jedoch eine ganz neue Herangehensweise an diese Studien sowie eine enge Zusammenarbeit der entsprechenden medizinischen Fachrichtungen.
Die Ablagerung von Amyloid-Plaques und neurofibrillären Bündeln im Gehirn spielt nach heutigem Erkenntnisstand eine wichtige Rolle in der Pathogenese von Morbus Alzheimer. Eine neue Sicht- weise auf die Entstehung dieser neurodegenerativen Erkrankung wurde im Lancet veröffentlicht: Nach Auswertung von 468 wissenschaftlichen Artikeln fanden die Autoren zahlreiche Hinweise auf eine enge pathogenetische Beziehung zwischen der Alzheimer-Erkrankung und der Arteriosklerose, was nicht zuletzt neue Therapiemöglichkeiten eröffnen könnte.
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