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GKV-Finanzreform: Bürgerversicherung auch in der SPD umstritten

BERLIN (ks). Ende August will die Arbeitsgruppe des SPD-Präsidiums zur Bürgerversicherung ihre Eckpunkte für eine Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorlegen. Die Mitglieder der Projektgruppe, die von der SPD-Linken Andrea Nahles geleitet und vom Gesundheitsökonomen Karl Lauterbach beraten wird, lassen bislang nur wenige Informationen durchsickern. Eine kontroverse Diskussion um die GKV-Finanzreform wird aber auch innerhalb der SPD geführt Ų wenngleich etwas zurückhaltender als bei den Unionsparteien.

Um zwei Prozent sollen die Beiträge zur GKV mithilfe der Bürgerversicherung sinken. Dies verspricht der SPD-Berater Lauterbach bei jedem seiner öffentlichen Auftritte. Zwei Beitragssatzpunkte weniger bedeuten, dass 20 Mrd. Euro mehr ins System müssen. Dies soll nach der Vorstellung der SPD-Arbeitsgruppe durch die Einbeziehung besser verdienender Arbeitnehmer und Rentner sowie von Beamten und Selbstständigen geschehen. Auch die Bezieher von Kapital- und Nebeneinkünften sollen künftig kräftiger zur Kasse gebeten werden. Wie der "Focus" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, würde der erste Schritt zur Bürgerversicherung – die Einbeziehung der bislang privat versicherten Arbeitnehmer und Rentner – 3,6 Mio. Menschen betreffen und sechs Mrd. Euro an zusätzlichen Einnahmen bringen. Die fehlenden 14 Mrd. Euro sollen dem Magazin zufolge die Bezieher von Kapital- oder Mieteinkünften aufbringen: Von ihren Gewinnen würden bis zur jetzigen Beitragsbemessungsgrenze zwölf Prozent abgezogen – zusätzlich zum normalen Kassenbeitrag. Eine Summe in Höhe des heutigen Sparerfreibetrags soll jedoch unangetastet bleiben.

Eichel widerspricht seinen Beratern

Eine Vielzahl von Gesundheitsfachleuten und Ökonomen haben ihre Zweifel, dass die Bürgerversicherung die GKV-Finanzen in Ordnung bringen kann. Sie tendieren zu den von der CDU favorisierten Kopfpauschalen. Unlängst hat sich auch der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums gegen das rot-grüne Modell ausgesprochen (siehe DAZ Nr. 32/2004, S. 21). Doch Finanzminister Hans Eichel (SPD) zeigt sich von seinen Beratern unbeeindruckt: "Meine Sympathie gehört der Bürgerversicherung", sagte er der "Berliner Zeitung" (Ausgabe vom 6. August). Kopfpauschalen, wie sie der CDU vorschweben, hält der Finanzminister hingegen für "grob unsozial". Die einseitige Verlagerung von Arbeitgeberlasten auf die Arbeitnehmer senke auch nicht die Lohnkosten, so Eichel. Zudem verschärfe es den Konkurrenzkampf zwischen Sozialausgaben und den für das Wachstum bedeutenden Zukunftsaufgaben wie Bildung und Forschung, wenn immer mehr Sozialleistungen über den Etat finanziert würden. Der Minister ist auch der Auffassung, dass die Solidarität im GKV-System "wahrscheinlich eher größer" ist als im Steuersystem. Dies müsse man sich aber noch einmal "genau ansehen". Er betonte, dass sowohl das Modell der SPD als auch das der CDU "noch nicht bis ins letzte Detail durchdekliniert" seien.

Kritische Stimmen aus der SPD

Aber auch die kritischen Stimmen in der SPD mehren sich. So hält der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin die Bürgerversicherung für verfassungsmäßig problematisch. "Sie würde dazu führen, dass wir eine staatliche Einheitskasse bekommen, die durch eine Art zusätzlicher Einkommenssteuer finanziert wird", sagte der SPD-Politiker der Berliner Zeitung (Ausgabe vom 27. Juli). Er warnte auch vor Kapitalflucht, falls man Beiträge auf Zinseinkünfte erhebe. Der SPD-Gesundheitsexperte Eike Hovermann ist offenbar ebenfalls nicht mehr gänzlich von der Bürgerversicherung überzeugt: "Wer meint, dass das öffentliche Desaster der vollen Beitragspflicht von Betriebs- und Zusatzrenten nicht mehr zu übertreffen ist, könnte sich noch wundern", zitiert ihn der Focus. Auch die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gudrun Schaich-Walch sowie die Gesundheitspolitikerin Erika Ober haben sich in der Vergangenheit bereits skeptisch gegenüber der Bürgerversicherung geäußert.

Barmer Ersatzkasse für Bürgerversicherung

Unterstützung erhalten die Verfechter der Bürgerversicherung hingegen von Deutschlands größter Krankenkasse: Der Vorstandsvorsitzende der Barmer Ersatzkasse Eckart Fiedler sagte, dieses Modell folge "dem solidarischen Grundsatz: alle zahlen von allem für alle". Er geht von einer Erweiterung der Finanzierungsbasis um 14 Mrd. Euro aus, wenn auch Beamte und Selbstständige in die Versicherungspflicht einbezogen und Mieten und Kapitaleinkünfte bei der Beitragsberechnung herangezogen würden. Dies, so Fiedler, sei "der einzige Weg, die Arbeitskosten zu entlasten und dennoch die paritätische Finanzierung bezogen auf die Lohnkosten zu erhalten".

Ende August will die Arbeitsgruppe des SPD-Präsidiums zur Bürgerversicherung ihre Eckpunkte für eine Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorlegen. Die Mitglieder der Projektgruppe lassen bislang nur wenige Informationen durchsickern. Eine kontroverse Diskussion um die GKV-Finanzreform wird aber auch innerhalb der SPD geführt – wenngleich etwas zurückhaltender als bei den Unionsparteien. 

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