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Arzneimittel und Therapie
Neues Wirkprinzip: Enkephalinase-Inhibitor zur Behandlung der Diarrhö
Racecadotril verhindert die Inaktivierung endogener Enkephaline und verlängert so ihre physiologische Wirkung. Enkephaline wirken als Neurotransmitter im Magen-Darm-Trakt. Sie aktivieren Delta-Opiatrezeptoren mit der Folge, dass der cAMP-Spiegel sinkt. Hierdurch wird die Sekretion von Wasser und Elektrolyten im Darmtrakt reduziert, ohne dass die Darm-Motilität beeinflusst wird.
Prodrug von Thiorphan
Racecadotril ist ein Prodrug, das nach oraler Einnahme rasch aufgenommen und zu Thiorphan als aktivem Metaboliten hydrolysiert wird. Dieser hemmt die Enkephalinase, eine Zellmembran-Peptidase, die in verschiedenen Geweben, insbesondere im Dünndarmepithel, lokalisiert ist. Dieses Enzym trägt zum Abbau exogener und endogener Peptide bei, unter anderem der Enkephaline. Daher schützt Racecadotril selektiv endogene Enkephaline, die im Verdauungstrakt physiologisch aktiv sind.
Schneller Wirkungseintritt
Die empfohlene Dosis von Racecadotril richtet sich nach dem Körpergewicht: 1,5 mg/kg pro Einnahme, dreimal täglich. Das Granulat kann der Nahrung, einem Glas Wasser oder der Babyflasche zugegeben werden. Erwachsene nehmen dreimal täglich 100 mg ein (französische Angaben, in Deutschland nicht zugelassen).
Nach der oralen Einnahme beträgt die Zeit bis zur Hemmung der Plasma-Enkephalinase 30 Minuten. Die maximale Hemmung der Plasma-Enkephalinase wird etwa 2 Stunden nach der Einnahme erreicht, die Plasma-Enkephalinase etwa 8 Stunden lang gehemmt. Die Halbwertszeit beträgt rund 3 Stunden. Racecadotril und seine Metaboliten werden hauptsächlich renal eliminiert.
Maximal 7 Tage anwenden
Die Behandlung sollte bis zum Auftreten von zwei normalen Stuhlgängen fortgesetzt werden. Die Behandlungsdauer sollte 7 Tage nicht überschreiten. In zwei klinischen Studien mit Kindern reduzierte Racecadotril die Stuhlgewichte in den ersten 48 Stunden um 40 bzw. 46 %. Die Dauer der Durchfallerkrankung und der Bedarf einer Rehydratation wurden ebenfalls signifikant reduziert.
Seltener Obstipation als unter Loperamid
Racecadotril beseitigt die Symptome der wässrigen Durchfälle rasch und führt seltener zur Verstopfung als Loperamid. Das zeigte eine Studie mit 945 erwachsenen Patienten aus Entwicklungsländern, in der Racecadotril mit Loperamid verglichen wurde. Die Patienten litten an einer akuten wässrigen Diarrhö, die weniger als 5 Tage bestand. Sie erhielten im Rahmen einer einfach geblindeten Studie entweder Racecadotril (100 mg) oder Loperamid (2 mg) dreimal täglich. Die Diarrhö verschwand in beiden Behandlungsgruppen rasch (nach 55 Stunden in beiden Gruppen). 92% der Patienten der Racecadotril-Gruppe und 93% der Patienten der Loperamid-Gruppe wurden erfolgreich behandelt.
Racecadotril führte zu einer signifikant stärkeren Reduktion von Schmerzen im Bauchraum und Blähungen als Loperamid. Abdominalbeschwerden wurden unter der Therapie mit Racecadotril im Vergleich zu Loperamid signifikant verkürzt (5,4 vs. 24,4 Stunden). Obstipation trat unter Racecadotril seltener auf als unter Loperamid (16% vs. 25%). Unerwünschte Ereignisse traten in der Racecadotril-Gruppe bei 67 Patienten (14,2%), in der Loperamid-Gruppe bei 113 Patienten (23,9%) auf.
Leichte Nebenwirkungen sind möglich
In klinischen Studien an 231 Säuglingen und Kindern wurden hauptsächlich Erbrechen (5,2 %) und Fieber (2,2 %) als Nebenwirkungen beschrieben. Gelegentlich kam es zu Hypokaliämie, Ileus und Bronchospasmus. In klinischen Studien an 2001 Erwachsenen traten hauptsächlich Kopfschmerzen (2,1 %), Übelkeit (2 %), Obstipation (1,6 %), Schwindel/Benommenheit (1,1 %), Blähungen (1 %), abdominale Schmerzen (0,6 %), Anorexie (0,5 %), Durst (0,3 %) und Fieber (0,2 %) als Nebenwirkungen auf. In vereinzelten Pharmakovigilanz-Berichten wurde Hautausschlag bei Kindern beschrieben.
Interaktionen mit anderen Wirkstoffen sind beim Menschen bisher nicht bekannt. Da Tiorfan® Saccharose enthält, ist das Mittel kontraindiziert bei Patienten mit hereditärer Fructoseintoleranz, Glucose-Galactose-Malabsorption oder Saccharase-Isomaltase-Mangel.
Der Enkephalinase-Hemmstoff Racecadotril (Tiorfan) ist am 1. August in Deutschland zur symptomatischen Behandlung der Diarrhö bei Säuglingen und Kindern eingeführt worden. In Frankreich ist Racecadotril auch zur Bekämpfung der akuten Diarrhö bei Erwachsenen zugelassen. Nach der deutschen Zulassung soll Racecadotril bei Säuglingen ab 3 Monaten und Kindern gemeinsam mit oraler Rehydratation und üblichen unterstützenden Maßnahmen eingesetzt werden. Damit bietet es eine wirksame Therapiemöglichkeit, denn Loperamid ist bei Kindern unter 2 Jahren aufgrund ihrer unreifen Leberfunktion kontraindiziert.
Steckbrief: Radecadotril
Handelsname/Hersteller: Tiorfan (Trommsdorff GmbH, Alsdorf) Einführungsdatum: 1. August 2004 Zusammensetzung: Ein Beutel enthält 10 bzw. 30 mg Racecadotril. Sonstige Bestandteile: Saccharose, hochdisperses Siliciumdioxid, Polyacrylat-Dispersion 30%, Aprikosenaroma, Pulver Nr. 6, IFF Packungsgrößen, Preise und PZN: Tiorfan 10 mg Granulat: 16 Beutel, Euro 18,36, PZN 3706692; 30 Beutel, Euro 19,17, PZN 3323637. Tiorfan 30 mg Granulat: 30 Beutel, Euro 20,21, PZN 3323689 Stoffklasse: Magen-Darm-Mittel; Antidiarroikum Indikation: Ergänzende symptomatische Behandlung der akuten Diarrhö bei Säuglingen (älter als 3 Monate) und Kindern, gemeinsam mit oraler Rehydratation und üblichen unterstützenden Maßnahmen, wenn diese Maßnahmen allein nicht ausreichen, den klinischen Zustand zu kontrollieren. Dosierung: 1,5 mg/kg pro Einnahme, dreimal täglich. Das Granulat kann der Nahrung, einem Glas Wasser oder der Babyflasche zugegeben werden. In klinischen Studien mit Kindern betrug die Behandlungsdauer 5 Tage. Die Behandlung sollte bis zum Auftreten von zwei normalen Stuhlgängen fortgesetzt werden. Die Behandlungsdauer sollte 7 Tage nicht überschreiten. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegenüber dem arzneilich wirksamen Bestandteil oder einem der sonstigen Bestandteile. Nicht bei Säuglingen unter 3 Monaten anwenden, da keine klinischen Studien in dieser Altersgruppe vorliegen. Da Tiorfan® Saccharose enthält, ist das Mittel kontraindiziert bei Patienten mit hereditärer Fructoseintoleranz, Glucose-Galactose-Malabsorption oder Saccharase-Isomaltase-Mangel. Nebenwirkungen: Erbrechen, Übelkeit, Fieber, Kopfschmerzen, Obstipation, Schwindel/Benommenheit, Blähungen, abdominale Schmerzen, Anorexie, Durst Wechselwirkungen: Beim Menschen wurden bisher keine Interaktionen mit anderen Wirkstoffen beschrieben. Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Die Einnahme von Tiorfan® modifiziert die üblichen Rehydratationsmaßnahmen nicht, eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist für das Kind essentiell. Bei Antibiotika-assoziierter und chronischer Diarrhö wurde Racecadotril nicht geprüft. Bei Patienten mit Diabetes sollte berücksichtigt werden, dass Tiorfan® Saccharose enthält. Aufgrund einer möglicherweise reduzierten Bioverfügbarkeit darf Tiorfan® im Falle von länger anhaltendem oder unkontrolliertem Erbrechen nicht angewendet werden.
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