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Bürgerversicherung: Endspurt mit Hindernissen
In den vergangenen Tagen mehrten sich die Meldungen, dass Unruhe in der SPD-Arbeitsgruppe herrscht. Bei einer Reihe von Fragen zeigte sich, dass es nicht einfach ist, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Einig ist man sich zumindest darüber, dass der Versichertenkreis erweitert werden soll, indem auch Selbstständige und Beamte in eine Bürgerversicherung einbezogen werden. Unklar ist allerdings weiterhin, wie und ob künftig auch Kapitaleinkünfte in die Beitragsberechnung einbezogen werden sollen. Hier hatten die Gewerkschaften – allen voran die DGB-Vize und SPD-Arbeitsgruppenmitglied Ursula Engelen-Kefer – wegen des hohen Aufwandes Bedenken angemeldet.
Freie Kassenwahl für alle
Von einer Abschaffung der privaten Krankenkassen – zu Beginn der Debatte durchaus eine Forderung einiger Politiker und ihrer Berater – war bereits seit einiger Zeit nicht mehr die Rede. Die Leiterin der Bürgerversicherungs-Arbeitsgruppe Andrea Nahles erklärte bereits Anfang Juni jeder Bürger solle selbst wählen können, ob er sich lieber privat oder lieber gesetzlich bürgerversichert. Auf diesen Kernpunkt hat sich nach Informationen der Berliner Zeitung (Ausgabe vom 17. August) offenbar auch die SPD-Spitze verständigt.
Wie die Zeitung meldete, soll die Bürgerversicherung auch Privatversicherten offen stehen, die sich nach heutigem Recht nicht in einer gesetzlichen Krankenkasse versichern oder dorthin zurückkehren dürfen. Umgekehrt sollen alle gesetzlich Versicherten die Option erhalten, in eine private Kasse zu wechseln. Die Versicherungspflichtgrenze soll abgeschafft und die Wettbewerbsbedingungen denen der heutigen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entsprechen.
So soll der Bürgerversicherungstarif den jetzigen GKV-Leistungskatalog umfassen und ein Kontrahierungszwang für alle Kassen bestehen. Risikoabhängige Prämien würden den SPD-Plänen zufolge verboten, so die Berliner Zeitung. Im Gegenzug sollen die privaten Kassen in den Finanzausgleich der GKV aufgenommen werden.
Lauterbach dementiert Berichte über Konflikte
Was die nach wie vor streitige Frage der Beitragsbelastung von Mieten, Zinsen oder Dividenden betrifft, so dementierte der Gesundheitsökonom Berichte, wonach Mieteinnahmen doch nicht einbezogen werden sollen. "Es gibt noch keine Entscheidungen, weil die Modellrechnungen noch nicht abgeschlossen sind", sagte Lauterbach der Berliner Zeitung. Er wies auch Meldungen über Konflikte innerhalb der Arbeitsgruppe oder mit dem Sozialministerium zurück: "Wir werden am Ende ein Konzept vorlegen, das auch die Kritiker der Bürgerversicherung überzeugen wird".
Kabinett debattiert Anfang September
Die von der Arbeitsgruppe erarbeiteten Grundzüge der GKV-Finanzreform sind nach Informationen der Berliner Zeitung bereits mit dem SPD-Parteichef Franz Müntefering, Bundessozialministerin Ulla Schmidt und Finanzminister Hans Eichel abgestimmt. Anfang September will sich das Kabinett auf einer Klausurtagung mit dem Thema beschäftigen.
Ende August will die vom SPD-Präsidium eingesetzte Arbeitsgruppe zur Bürgerversicherung ihre Konzept-Eckpunkte vorlegen. Ein ehrgeiziges Ziel, denn noch sind die Modellrechnungen nicht abgeschlossen – und solange das nicht der Fall ist, wird sich niemand aus der Arbeitsgruppe festlegen. Während sich – trotz Stillschweigegebots – die Zeichen mehren, dass einige der Mitglieder Zweifel an dem Rechenmodell ihres Vordenkers Karl Lauterbach haben, zeigt sich der Kölner Mediziner optimistisch, in Kürze ein überzeugendes Konzept vorlegen zu können.
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