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Fortbildung
Pankreatitis – die unterschätzte Erkrankung
Akute Pankreatitis – chronische Pankreatitis – Pantreaskarzinom
Starke Oberbauchschmerzen, die gürtelförmig in den Rücken ausstrahlen, oft in Kombination mit Übelkeit, weisen auf eine akute Pankreatitis hin. Charakteristisch sind zudem deutlich erhöhte Lipasewerte im Serum, oft auch eine Leukozytose. Alkoholabusus, seltener Gallensteine, die den Abfluss von Pankreassaft verhindern, stecken meist hinter diesem akut-entzündlichen Prozess. Die Verlaufsvarianten bewegen sich zwischen leicht bis letal.
Bei etwa 80 Prozent der Patienten findet sich eine milde, selbstlimitierende Form. Bei den übrigen entwickelt sich eine schwere nekrotisierende Pankreatitis, die tödlich enden kann. Das Problem: Der Schweregrad der Erkrankung sowie der weitere Verlauf lassen sich in den ersten Tagen nur schwer erfassen. Eine Fehleinschätzung kann fatale Folgen haben. Immerhin 40 Prozent der Patienten, die an einer akuten Pankreatitis versterben, sterben bereits am zweiten Tag nach stationärer Aufnahme. Hier scheint die Therapie zu spät zu kommen.
Das Pankreas: die vielbeschäftigte Drüse
Das Pankreas setzt sich zusammen aus Pankreaskopf, Pankreaskörper und Pankreasschwanz, ist etwa 18 cm lang, 3 cm breit und im rechten Oberbauch lokalisiert. Es besitzt zwei wichtige Funktionen:
- die exokrine Sekretion von Verdauungsenzymen in den Zwölffingerdarm und
- die endokrine Sekretion von Insulin und Glucagon in den Blutkreislauf.
Insulin und Glucagon werden von den etwa einer Million Langerhans-Inseln produziert, die im Drüsenparenchym verteilt sind. Die B-Zellen produzieren Insulin, in den A-Zellen wird der Gegenspieler Glucagon biosynthetisiert. Das Verhältnis von A- zu B- Zellen liegt bei 1: 4.
Prognose mit CRP plus CT
Um die Letalität bei akuter Pankreatitis in den Griff zu bekommen, gilt es, Risikopatienten mit schlechter Prognose baldmöglichst zu erkennen. Und das ist noch immer nicht ganz einfach. So lassen sich aus der Höhe der Lipasewerte keine Rückschlüsse auf den Schweregrad der Erkrankung ziehen. Gerade bei einem fulminanten Verlauf können sie bereits wieder im Normbereich liegen. Auch die verschiedenen Scores, wie der APACHE-oder der Ranson-Score sind nur bedingt aussagefähig.
Derzeit gilt die Kombination der Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP-Wert) – als ein Maß für die Entzündung – mit der Kontrastmittel-verstärkten Computertomographie (CT), mit der sich Pankreasnekrosen nachweisen lassen, als empfehlenswert für die Prognosestellung. Doch Vorsicht: Auch eine zunächst als mild eingestufte Pankreatitis kann tödlich verlaufen.
Pankreasspezifische Therapie? Fehlanzeige!
Obwohl bereits seit langem nach Medikamenten gefahndet wird, die eine kausale oder prognoseverbessernde Wirkung bei akuter Pankreatitis besitzen – und die Liste entsprechend lang ist (siehe Tabelle) – konnte sich bislang keine gezielte pankreasspezifische Therapie durchsetzen. Die Hemmung der Pankreasproteasen überzeugte eben so wenig wie Antioxidanzien oder Immunmodulatoren, beispielsweise Interleukin 10.
Im Vordergrund der Therapie stehen entsprechend die Volumensubstitution sowie eine effektive Schmerztherapie. Ein Paradigmenwechsel deutet sich bei der Ernährung an. Aktuellen Empfehlungen zu Folge sollte auch bei schwerer Pankreatitis schon am zweiten oder dritten Tag enteral über eine Sonde ernährt werden. Die Rate an Komplikationen wie beispielsweise die Infektion von Nekrosen soll sich so reduzieren lassen. Das letzte Wort scheint hier jedoch noch nicht gesprochen.
Tab. 1: Pankreasspezifische Therapie der akuten Pankreatitis
Behandlung | Therapeutischer Ansatzpunkt | Ergebnis |
---|---|---|
Magensonde | verminderter Säuregehalt des Doudenums | negativ |
H2-Blocker | Hemmung der Magensäure | negativ |
Anticholinergika | Hemmung der Magensäure- und Pankreassekretion | negativ |
Glucagon | Hemmung der Pankreassekretion | negativ |
Somatostatin | Hemmung der Pankressekretion | negativ |
total parenterale Ernährung | verminderte Pankreassekretion | negativ |
Aprotinin | Hemmung der Pankreasproteasen | negativ |
Gabexat-Mesilat | Hemmung der Pankreasproteasen | negativ |
Fresh frozen plasma | natürliche Hemmung der Proteasen | negativ |
Lexipafant | Antagonist des platelet activating factor PAF | negativ |
Indometazin | Hemmung der Prostaglandinsynthese | negativ |
Peritonealspülung | Entfernung toxischer Stoffe | negativ |
nach J. Mössner |
Chronische Pankreatitis: nicht nur eine Alkoholikerkrankheit
Bei der chronischen Pankreatitis handelt es sich um eine fortschreitende entzündliche Erkrankung, die mit einem fibrotischen Umbau des Organs und einer Einschränkung zunächst der exokrinen, dann auch der endokrinen Funktion einhergeht. Typische Symptomatik in der Anfangsphase sind kurze, rezidivierende, später anhaltende Oberbauchschmerzen. Bei langer Krankheitsdauer treten häufig keine Schmerzen mehr auf. Außerdem ist die Verdauung beeinträchtigt mit Übelkeit, Fettunverträglichkeit und Blähungen.
Langfristig kommt es wegen der unzureichenden Fettverdauung zu Fettstühlen und Gewichtsabnahme. Exzessiver Alkoholabusus ist die häufigste Ursache. Doch nicht jeder, der eine chronische Pankreatitis entwickelt, ist Alkoholiker! Auch genetische Mutationen, Autoimmunreaktionen, Pankreasgangobstruktionen oder Hyperparathyreoidismus kommen als Ursache in Frage. Auch möglich: die idiopathische chronische Pankreatitis, deren Ursache im Dunkeln bleibt. Das Spektrum der Symptome reicht von Unwohlsein bis zu starken Schmerzen, Gewichtsabnahme, Steatorrhö, Völlegefühl und – bei Verlust der endokrinen Funktion – auch ein Diabetes mellitus.
Tab. 2: Risikofaktoren für ein Pankreaskarzinom
Alter: | 80% der Patienten sind 60 – 80 Jahre alt |
chronische Pankreatitis: | alle Formen, ca. 15- bis 25faches Risiko |
erbliche Tumorsyndrome: | z. B. Peutz-Jeghers, HNPCC |
hereditäre Pankreatitis: | 50- bis 70faches Risiko, Screening sinnvoll? |
Diabetes mellitus: | > 50% sind Diabetiker, Ursache unklar |
Tabakkonsum: | fpr 20 bis 30% der Fälle verantwortlich |
Zusammenhang nicht gesichert: | Kaffee, Gallenstein, Alkohol, Übergewicht |
Schmerztherapie und Enzymsubstitution
Strikte Alkoholkarenz ist die Basis aller Therapiemaßnahmen. Die Schmerztherapie sollte sich am Stufenschema der WHO orientieren und eher nach einem festen Plan als bedarfsorientiert durchgeführt werden. Eine Substitution mit Pankreasenzymen bei chronischer Pankreatitis gilt als indiziert bei
- Steatorrhö über 15 g pro Tag
- Gewichtsverlust
- Diarrhö
- starkem Meteorismus
- dyspeptischen Beschwerden
- als Therapieversuch bei Schmerzen (wird kontrovers diskutiert)
Die Enzyme müssen vor oder zur Mahlzeit eingenommen werden. Insbesondere bei längeren Menüfolgen wird eine Einnahme während der Mahlzeit empfohlen. Dennoch kann es vorkommen, dass trotz Substitution und Compliance kein Effekt erzielt wird.
Wenn Pankreasenzyme keine Wirkung zeigen ...
... kann es am pH-Wert im Duodenum liegen. Der Grund: Bei der Substitution von Pankreasenzymen ist es wichtig, dass eine ausreichend hohe Enzymmenge in den Zwölffingerdarm gelangt. Als kleinste notwendige Konzentration gelten 30 000 IU Lipase und 10 000 IU Trypsin innerhalb von vier Stunden nach Nahrungsaufnahme. Pankreasenzyme sind allerdings sehr säureanfällig und werden daher in Form magensaftresistent-verkapselter Präparate angeboten. Erst ab einem pH-Wert von 5,5 werden sie freigesetzt.
Bei der chronischen Pankreatitis kommt es allerdings zu einer Senkung der Bicarbonatkonzentration im Pankreassaft und damit zu niedrigen pH-Werten im Duodenum nach Nahrungsaufnahme. Die Folge: Es werden dort zu wenige Enzyme freigesetzt. Der zu niedrige duodenale pH-Wert gilt als eine der Hauptursachen für das Versagen einer Substitutionstherapie. Versucht werden kann, ein nicht magensaftresistentes Präparat zu verabreichen, kombiniert mit einem effektiven Säureblocker um eine Freisetzung schon im Magen zu verhindern. Ist Insulin zur Behebung der endokrinen Insuffizienz notwendig, wird eine nicht zu strenge Einstellung mit Nüchternblutzuckerwerten zwischen 120 und 200 mg/dl empfohlen.
Pankreasnekrosen: vor Infektion schützen?
Die Infektion von Pankreasnekrosen ist eine gefürchtete Komplikation der akuten Pankreatitis, die etwa zwei bis drei Wochen nach Krankheitsbeginn eintreten kann. Sie gilt als Hauptrisikofaktor für Sepsis, Multiorganversagen und Mortalität. Sterile Nekrosen sind keine zwingende Indikation für eine Operation. Sie werden primär konservativ behandelt. Infizierte Nekrosen werden dagegen in der Regel chirurgisch behandelt. Damit lässt sich die Mortalität auf 15 bis 20 Prozent senken.
Diskutiert wird, ob mit einer prophylaktischen Antibiotikagabe der Infektion von Nekrosen bei nekrotisierender Pankreatitis vorgebeugt werden sollte. Vieles spricht dafür, diese Frage mit "ja" zu beantworten. Endgültig geklärt ist sie allerdings noch nicht. Tatsache ist, dass eine bakterielle Besiedelung der Nekrose, bevorzugt durch gramnegative Bakterien aus dem Kolon, die Prognose verschlechtert.
Einer Metaanalyse zu folge lässt sich mit Antibiotika wie beispielsweise Imipenem der Verlauf günstig beeinflussen. Umgekehrt wird befürchtet, dass die präventive Antibiotikagabe der Entwicklung von Pilzinfektionen Tür und Tor öffnen oder eine Keimselektion Vorschub leisten könnte.
Keine Pankreasdiät, doch vieles zu berücksichtigen
Eine spezielle Diät für Patienten mit chronischer Pankreatitis gibt es nicht. Der Patient weiß oft selbst am besten, was er verträgt und was nicht. Doch es gibt Empfehlungen (s. Kasten), die er einhalten sollte. Günstig ist eine eiweißreiche, fettarme Diät (Fettanteil zwischen 60 und 100 g pro Tag) mit fünf bis sieben kleinen Mahlzeiten täglich. Wegen der verminderten Fettresorption (Fettmaldigestion) und der vermehrten Fettausscheidung mit dem Stuhl (Steatorrhö) müssen ausreichend Kalorien zugeführt werden um einen Gewichtsverlust zu verhindern.
Mittelkettige Fettsäuren sind dann indiziert, wenn trotz ausreichender Enzymsubstitution Steatorrhö und Gewichtsabnahme weiter bestehen. Da sie nicht gut schmecken und Nebenwirkungen, wie abdominelle Krämpfe und Übelkeit verursachen, sollte ihr Anteil nur langsam auf bis zu 50 Prozent der Nahrungsfette gesteigert werden. Zu achten ist auf die Konzentration fettlöslicher Vitamine im Serum. Hier sollte allerdings nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern bedarfsorientiert substituiert werden.
Ernährungsplan bei chronischer Pankreatitis
- lebenslange Alkoholkarenz
- ausreichende Kalorienzufuhr (= 2500 – 3000 Kcal) in 5 bis 7 kleineren Mahlzeiten pro Tag (bei 70 kg Körpergewicht 2900 Kcal pro Tag)
- Kohlenhydrate: 300 – 400 g (= 1200 – 1600 Kcal) Eiweiß: > 130 g (= ca. 520 Kcal) Fette: 60 – 100 g (= 540 – 900 Kcal)
- bei anhaltender Steatorrhö trotz ausreichender Enzymsubstitution und weiterhin anhaltendem Gewichtsverlust: Stufenweises Ersetzen der Nahrungsfette um täglich 10 bis 20 g durch mittelkettige Triglyceride (z. B. MCT Ceres Fette) bis 30 – 50 g pro Tag (= 270 – 450 Kcal)
Pankreaskarzinom: Prognose noch immer schlecht
Pankreaskarzinome sind selten. Dennoch gehören sie zu den häufigsten Krebstodesursachen, da sie mit einer hohen Mortalität einhergehen. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt gerade einmal bei 10 bis 25 Prozent. Besonders gefährdet sind Patienten mit hereditärer Pankreatitis (50-bis 70fach), chronischer Pankreatitis (15- bis 25fach) sowie Diabetiker. Charakteristische Symptome sind Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Gewichtsabnahme, aber auch ein Stauungsikterus kann auf einen Tumor hinweisen.
Die Gelbsucht entsteht, wenn der Tumor den Gallengang verlegt und den Abfluss des Gallensekrets verhindert. Häufigstes Leitsymptom ist der Schmerz, der bei drei Viertel der Patienten als Erstsymptom auftritt. Dann ist der Tumor aber meist schon in das umliegende Gewebe eingewachsen. Selbst bei kompletter chirurgischer Resektion können nur die wenigsten Patienten geheilt werden.
Die Therapie des Pankreaskarzinoms ist daher in 90 Prozent der Fälle palliativ. Ob eine adjuvante Therapie nach R0-Resektion sinnvoll ist, wird derzeit untersucht. Palliativ ist der Nutzen einer systemischen Chemotherapie inzwischen gesichert. Als Standardzytostatikum gilt Gemcitabin. Neue Kombinationen befinden sich in der klinischen Prüfung. Als wirksamste Vorbeugung gilt der Verzicht auf Tabakkonsum, mit dem sich das Risiko um 25 Prozent reduzieren lässt.
Quelle
J. Mössner, Leipzig; M. W. Büchler, Heidelberg; K. A. Schneider, Heidelberg; H. Gräter, Esslingen; M. P. Lutz, Saarbrücken:
X. Gastroenterologie-Seminarwoche Titisee, 7. bis 11. Februar 2004, veranstaltet von der Falk Foundation.
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