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- DAZ 37/2004
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Arzneimittel und Therapie
Migräne und Kopfschmerz: Evidenzbasierte Empfehlungen für die Selbstmedikation
Etwa 90% der Menschen mit Kopfschmerzen leiden entweder unter einem Kopfschmerz vom Spannungstyp, an Migräne, oder einem Kombinationskopfschmerz aus diesen beiden Formen. Diese Kopfschmerzen werden auch primäre Kopfschmerzen genannt, das heißt sie sind keine Folge anderer Erkrankungen, sondern die Kopfschmerzen sind selbst die Erkrankung und aus medizinischer Sicht nicht gefährlich, auch wenn sie die Lebensqualität der Betroffenen teilweise ganz erheblich beeinträchtigen.
Selbstbehandlung bei Spannungskopfschmerz
Beim Kopfschmerz vom Spannungstyp wird die episodische von der chronischen Form unterschieden. Vom chronischen Spannungskopfschmerz spricht man, wenn wenigstens an 15 Tagen/Monat Kopfschmerzen auftreten. Dieser Kopfschmerz ist üblicherweise drückend bis ziehend, in der Intensität leicht- bis mäßig, beidseitig und verstärkt sich nicht bei körperlicher Aktivität. Übelkeit, Geräusch- und Lichtempfindlichkeit können vorkommen.
Mittel der 1. Wahl der Selbstmedikation des Spannungskopfschmerzes sind:
- Einzeldosis mit 1000 mg Acetylsalicylsäure
- Einzeldosis mit 400 mg Ibuprofen
- Einzeldosis der fixen Kombination aus 500 mg Acetylsalicylsäure + 500 mg Paracetamol + 130 mg Coffein
In Deutschland steht derzeit kein Kombinationspräparat mit einer identischen Zusammensetzung zur Verfügung. Es sind jedoch mehrere Präparate mit einer nur geringfügig abweichenden Zusammensetzung erhältlich.
Mittel der 2. Wahl ist:
- Einzeldosis mit 1000 mg Paracetamol
Bei allen anderen Wirkstoffen bzw. Wirkstoffkombinationen gibt es keine oder nur mangelhafte Hinweise für ihre Wirksamkeit. Einzelnen Patienten, die mit diesen Medikamenten bisher ihre Spannungskopfschmerzen erfolgreich behandelten, sollte diese Möglichkeit offen stehen.
Akute Migräneattacken mit und ohne Aura
Bei der Migräne handelt es sich um Kopfschmerzattacken mit einer Dauer von 4 bis 72 Stunden. Der Schmerz ist bei etwa 70% der Betroffenen einseitig, sein Charakter eher klopfend, pochend, pulsierend und seine Intensität mäßig bis stark, so dass übliche Alltagsaktivitäten erschwert oder unmöglich gemacht werden. Beim Treppensteigen oder bei üblicher körperlicher Aktivität wird der Schmerz meist verstärkt. Während des Kopfschmerzes treten Begleiterscheinungen wie Übelkeit und/oder Erbrechen sowie Geräusch-, Licht- und Geruchsempfindlichkeit auf.
Bei der Migräne mit Aura, an der etwa 15% der Migränebetroffenen leiden, treten vor der Kopfschmerzattacke zusätzlich neurologische Symptome auf, die sich allmählich über 5 bis 20 Minuten hin entwickeln und weniger als 60 Minuten anhalten. Kopfschmerz, Übelkeit und/oder Lichtempfindlichkeit schließen sich üblicherweise direkt an die neurologische Aurasymptomatik an oder folgen ihr nach einem freien Intervall von weniger als einer Stunde. Die Kopfschmerzphase kann in Einzelfällen auch vollständig fehlen. Die typische Aura besteht in Sehstörungen, halbseitigen Sensibilitätsstörungen, Hemiparese, Sprachstörungen oder einer Kombination solcher Symptome.
Mittel der 1. Wahl der Selbstmedikation akuter Migräneattacken sind:
- Einzeldosis mit 1000 mg Acetylsalicylsäure
- Einzeldosis mit 400 mg Ibuprofen
- Einzeldosis mit 1000 mg Paracetamol
- Einzeldosis der fixen Kombination aus 500 mg Acetylsalicylsäure + 500 mg Paracetamol + 130 mg Coffein
Bei allen anderen Wirkstoffen bzw. Wirkstoffkombinationen gibt es auch hier keine oder nur mangelhafte Hinweise für ihre Wirksamkeit. Für die Selbstmedikation zur Prophylaxe von Migräneattacken ist die wissenschaftliche Evidenz für eine Empfehlung von Cyclandelat, Magnesium und Pestwurz nicht ausreichend, trotzdem sollte einzelnen Patienten, die eine Migräneprophylaxe hiermit anstreben, diese Möglichkeit offen stehen.
Selbstbehandlung von Kopfschmerzen
Grundsätzlich können die primären Kopfschmerzen Migräne und Kopfschmerz vom Spannungstyp vom Patienten selbst behandelt werden. Die seltenen Kopfschmerzformen wie Cluster-Kopfschmerz, Trigeminusneuralgie, atypische Gesichtsschmerzen etc. bedürfen ärztlicher Diagnose und Therapie. Darüber hinaus ist ein Arztbesuch unbedingt angezeigt, wenn
- Kopfschmerzen täglich oder fast täglich auftreten
- Kopfschmerzen mit weiteren Symptomen wie Lähmungen, Gefühls-, Seh-, Gleichgewichtsstörungen, Augentränen oder starkem Schwindel einhergehen
- Kopfschmerzen mit psychischen Veränderungen wie Störungen des Kurzzeitgedächtnisses oder Störungen der Orientierung zu Zeit, Ort und Person einhergehen
- Kopfschmerzen erstmals im Alter von über 40 Jahren auftreten
- Kopfschmerzen in ihrer Intensität, Dauer und/oder Lokalisation unüblich sind
- Kopfschmerzen erstmals während oder nach körperlicher Anstrengung auftreten, sehr stark sind und in den Nacken ausstrahlen
- Kopfschmerzen von hohem Fieber begleitet sind
- Kopfschmerzen nach einer Kopfverletzung, wie sie z. B. einem Sturz auftreten
- Kopfschmerzen trotz Behandlung an Häufigkeit, Stärke und Dauer zunehmen
- Kopfschmerzen zusammen mit einem epileptischen Anfall und Bewusstlosigkeit auftreten
- Kopfschmerzen nicht mehr auf die bisher wirksamen Medikamente ansprechen
Im Zweifelsfall ist immer zu einem Arztbesuch zu raten!
Kopfschmerzen durch Medikamentenübergebrauch
Beim medikamenteninduzierten Kopfschmerz handelt es sich um einen diffusen, dumpf-drückenden oder auch pulsierenden Dauerkopfschmerz, der sich durch die tägliche oder fast tägliche Einnahme von Migränemitteln oder Analgetika entwickeln kann. Nach derzeitigem Stand des Wissens ist davon auszugehen, dass insbesondere Patienten mit primären Kopfschmerzen, die über einen längeren Zeitraum überhöhte Dosierungen von Kopfschmerz- und Migränemedikamenten einnehmen, ein höheres Risiko für die Entwicklung von Kopfschmerzen besitzen – unabhängig davon, ob es sich um Mono- oder Kombinationspräparate, um Analgetika, Ergotamin-haltige Präparate oder Triptane handelt.
Wichtiger als die Zusammensetzung der Präparate sind die Häufigkeit ihrer Einnahme und ihre Dosierung, also ihr bestimmungsgemäßer Gebrauch. Deshalb empfiehlt die DMKG alle Kopfschmerz- und Migränepräparate zur Vermeidung der Entwicklung medikamenteninduzierter Kopfschmerzen nicht länger als drei Tage hintereinander und nicht häufiger als an 10 Tagen pro Monat anzuwenden. Besteht der Verdacht auf einen medikamenteninduzierten Kopfschmerz, sollte den betroffenen Personen dringend ein Arztbesuch angeraten werden, um gegebenenfalls einen ambulanten oder stationären Entzug einzuleiten. Eine Umstellung auf andere Medikamente ist bei Vorliegen eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes erfahrungsgemäß erfolglos.
Quelle
Therapieempfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) zur Selbstmedikation bei Migräne und Kopfschmerz vom Spannungstyp.
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