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Ernährung aktuell
Angereichertes Mehl für bessere Folsäureversorgung
Bei der Folsäure handelt es sich um ein wasserlösliches Vitamin des B-Komplexes, das gegenüber Licht und Hitze empfindlich ist. Als Folate werden die in Lebensmitteln vorkommenden Derivate der Folsäure bezeichnet, die in ihrer Wirkung aber der Folsäure entsprechen. Besonders reich an Folaten sind unter anderem Spinat, Broccoli, Tomaten, Orangen, Salate und Vollkornprodukte. Ein synthetisch hergestelltes Äquivalent ist die Verbindung Pteroylmonoglutamat (PGA).
Essenziell für Zellwachstum und Zellteilung
Folsäure ist als Coenzym des C1- und Nukleinsäurestoffwechsels essenziell für eine ganze Reihe von Vorgängen, die mit Zellwachstum und -neubildung in Zusammenhang stehen. Bei Folsäuremangel ist unter anderem die Blutbildung gestört und es kommt zu einer Beeinträchtigung der Schleimhäute des Verdauungstraktes. Besonders schwerwiegend wirkt sich eine Unterversorgung während der Schwangerschaft aus, da dann die Gefahr von Neuralrohrdefekten besteht. Abgesehen von den akuten Folgen eines Folsäuremangels gibt es Hinweise auf eine Bedeutung bei Krebserkrankungen, kognitiven Beeinträchtigungen im Alter, Depressionen und was den Schutz vor Kreislauferkrankungen angeht.
Gesteigerter Bedarf in der Schwangerschaft
Während Schwangerschaft und Stillzeit, bei Säuglingen, Kleinkindern, Alkoholkranken und unter Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. hormonelle Kontrazeptiva, Zytostatika, Antituberkulotika, Antiepileptika) besteht grundsätzlich ein erhöhter Folsäurebedarf. Eine Obergrenze (tolerable uptake level; UL) für aus der Nahrung aufgenommenen Folate existiert nicht. Anders sieht es mit PGA aus. Hier sollten 1000 µg pro Tag nicht überschritten werden, da sonst die Symptome eines eventuell bestehenden Vitamin-B12-Mangels verschleiert werden, was zu irreversiblen Schäden (z. B. funikuläre Myelose) führt. Diese Gefahr besteht vor allem bei älteren Menschen.
Unterversorgung in Deutschland
urzeit nehmen etwa zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland weniger als 75% der empfohlenen Menge an Folatäquivalenten zu sich (FÄ, 400 µg pro Tag). In der Risikogruppe der Schwangeren weisen sogar nur 13% einen optimalen Erythrozytenfolatspiegel auf. In den USA und Kanada ist es bereits gelungen, durch Mehlanreicherung von Pteroylmonoglutamat (PGA) die Prävalenz von Neuralrohrdefekten um 19 bis 31 bzw. 54% zu senken. Das Ziel der Simulationsrechnung am RKI war es nun, die Möglichkeiten und Nachteile eines solchen Vorgehens für Deutschland abzuschätzen.
Simulationsrechnungen für unterschiedlich große PGA-Zusätze
Dabei gingen die Initiatoren von acht unterschiedlichen Szenarien aus. Der Gehalt von PGA wurde in fertigen Lebensmitteln (z. B. Erfrischungsgetränken, Frühstückscerealien, Milchprodukten) und gleichzeitig in Mehl variiert. Für die fertigen Lebensmittel gab es dabei zwei Kategorien (geringe Anreicherung, hohe Anreicherung) und für das Mehl vier (0, 100, 150, 200 µg PGA pro 100 g Mehl). Das bedeutet, dass das Gesamtangebot an PGA sowohl durch den Gehalt in den fertigen Lebensmitteln als auch durch den im Mehl bestimmt war.
Somit herrschte das größte PGA-Angebot bei Verwendung der hoch angereicherten fertigen Lebensmittel und gleichzeitigem Einsatz von 200 µg PGA pro 100 g Mehl. Das geringste Angebot bestand andererseits bei alleiniger Verwendung von gering angereicherten fertigen Lebensmitteln, während dem Mehl kein PGA zugesetzt wurde.
PGA-Zusatz verbessert Folsäureversorgung
Wie zu erwarten, zeigte die Simulation, dass der Anteil der unterversorgten Menschen mit steigendem PGA-Angebot abnahm (Abb. 1). Allerdings war auch zu erkennen, dass bei Verwendung der hoch angereicherten fertigen Lebensmittel ein wesentlich größerer Anteil der Verbraucher die Obergrenze (UL) überschritt, als das bei Gabe der gering angereicherten fertigen Lebensmittel der Fall war (Abb. 2). Gleichzeitig war der Anteil von Unterversorgten bei geringer Anreicherung + 200 µg pro 100 g Mehl aber nur geringfügig höher als bei hoher Anreicherung + 200 µg pro 100 g Mehl. Für die Frauen betrug der Unterschied einen Prozentpunkt, während er bei Männern überhaupt nicht feststellbar war.
Ältere Menschen überschreiten Obergrenze kaum
In der Altersgruppe der 65- bis 79-Jährigen, für die das Risiko eines Vitamin-B12-Mangels besonders hoch ist und bei der eine Überschreitung des UL daher zu den erwähnten Spätschäden führen kann, zeigte sich folgendes Ergebnis: Bei Männern wurde der UL nur bei hoch angereicherten Lebensmitteln überschritten und bei den Frauen überhaupt nicht. Beim Einsatz von hoch angereicherten Lebensmitteln + 150 µg pro 100 g Mehl betrug der Anteil der Männer aus dieser Altersgruppe, die den UL überschritten, 0,5 %, bei 200 µg pro 100 g Mehl lag er bei 2,2 %.
PGA-Zusatz zu Mehl am besten geeignet
Aus den Daten zog das RKI folgende Schlussfolgerungen:
1. Eine Anreicherung des Grundnahrungsmittels Mehl mit PGA würde die Folatversorgung für einen großen Anteil der Bevölkerung verbessern, ohne dass ein wesentlicher Anteil die Obergrenze für PGA überschreiten würde.
2. UL-Überschreitungen werden maßgeblich durch den Zusatz von PGA zu fertigen Lebensmitteln bestimmt, da hier der Anteil an PGA stark variiert und der Konsum innerhalb der Bevölkerung sehr unterschiedlich ist.
3. Um das Risiko eines verschleierten Vitamin-B12-Mangels zu verringern, kann dem Mehl zusätzlich Vitamin-B12 zugesetzt werden.
Quelle: Epidemiologisches Bulletin Nr. 34 vom 20. 8. 2004
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