Arzneimittel und Therapie

Neues Antiepileptikum: Pregabalin wirkt auch bei neuropathischen Schmerzen

hel | Das neue Antiepileptikum Pregabalin (Lyrica®) ist für zwei Indikationen zugelassen: für die Behandlung von peripheren neuropathischen Schmerzen und als Zusatztherapie bei fokalen epileptischen Anfällen. Es wirkt antikonvulsiv, analgetisch und anxiolytisch.

Unter dem Begriff Epilepsie wird eine Vielzahl unterschiedlicher Krankheitsbilder zusammengefasst, deren gemeinsamer Nenner wiederholte epileptische Anfälle ohne akute Ursache sind. In Deutschland leben rund 600.000 Epilepsiepatienten. Ein Drittel davon ist unter 18 Jahre alt, ein weiteres Drittel zwischen 18 und 60 Jahre und ein letztes Drittel über 60 Jahre. Durch eine Therapie mit einem Antiepileptikum können etwa 60% aller Patienten anfallsfrei werden. Bei ca. 40% liegt eine schwer behandelbare Epilepsie vor, die größtenteils mit zwei oder mehr Medikamenten behandelt wird.

Klassische Antiepileptika zur Ersttherapie

Zur Ersttherapie werden die so genannten klassischen Antiepileptika bevorzugt eingesetzt. Sie sind preisgünstig, haben aber aus pharmakokinetischer Sicht zahlreiche Nachteile: Sie können als Enzyminduktoren wirken und damit andere Medikamente oder das körpereigene Hormonsystem beeinflussen. Wegen der Enzyminduktion in der Leber kann die Kombination mit einem zweiten Antiepileptikum zu Nebenwirkungen oder zu niedrigen Spiegeln der Substanz im Blut führen. Pregabalin ist ein neues Antiepileptikum, das nicht in der Leber metabolisiert wird.

Wie Gabapentin ist Pregabalin ein GABA-(Gamma-Aminobuttersäure)-Analogon, jedoch binden beide nicht an GABA-Rezeptoren und haben deshalb keine GABA-erge Wirksamkeit. Pregabalin bindet mit hoher Potenz an α2-δ – ein Hilfsprotein der spannungsabhängigen Calciumkanäle. Durch die Bindung schließt es die Kanäle und reduziert so den Calciumioneneinstrom an den Nervenendigungen. Dadurch wird die Freisetzung exzitatorischer Neurotransmitter, wie Glutamat, Noradrenalin und Substanz P, verhindert.

Grafik: C. Bühler
PREGABALIN wirkt über eine Bindung an die α2δ-Untereinheit der pannungsabhängigen 
Calciumionenkanäle. Durch die Bindung schließt es die Kanäle und reduziert so den Calciumioneneinstrom an den Nervenendigungen. Dadurch wird die Freisetzung exzitatorischer Neurotransmitter wie Glutamat, Noradrenalin und Substanz P verhindert.

 

Günstige Responderraten bei Epilepsie

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Pregabalin als Zusatzmedikament wurden in klinischen Studien unter anderem bei Patienten untersucht, die trotz Einnahme eines oder mehrerer anderer Antiepileptika nicht anfallsfrei waren. Bei dieser schwer zu behandelnden Patientengruppe konnte mit Pregabalin bei 8 (mittlerer Dosisbereich) bis 19% (Höchstdosis) der Patienten Anfallsfreiheit erreicht werden. Die Responderraten (mindestens 50%-ige Anfallsreduktion) fielen im Vergleich zu denen anderer Antiepileptika günstig aus. Sie betrugen bei mittlerer Dosierung (300 mg) ca. 40% und waren insgesamt dosisabhängig.

Gute Wirkung bei Herpes-Zoster-Schmerzen

Auch in seiner zweiten Indikation, den peripheren neuropathischen Schmerzen, wurde Pregabalin in mehreren kontrollierten klinischen Studien untersucht. Neuropathische Schmerzen zeichnen sich durch chronische, sehr schmerzhafte Empfindungen aus, die oft als brennend, kribbelnd oder schockähnlich beschrieben werden. Diese Schmerzen gehören zu den am schwierigsten zu behandelnden chronischen Schmerzsyndromen.

Die untersuchten Patienten litten unter neuropathischen Schmerzen im Zusammenhang mit Herpes Zoster und diabetischer Neuropathie. Pregabalin konnte die Schmerzen im Verlauf der ersten Woche lindern, und die Linderung hielt während der Gesamtdauer der Studie an. Bei fast der Hälfte (47%) der Patienten wurden die Schmerzen durchschnittlich um 50% gelindert, und auch schmerzbedingte Schlafstörungen wurden deutlich seltener.

Schneller Wirkungseintritt

Pregabalin wirkt bereits in Dosen von 150 mg/Tag. Seine Wirkung tritt schnell innerhalb von einer Woche ein. Die Dosis liegt zwischen 150 und 600 mg täglich, verabreicht in zwei oder drei Einzeldosen. Pregabalin kann während oder zwischen den Mahlzeiten eingenommen werden. Die Pregabalin-Behandlung kann mit einer Tagesdosis von 150 mg begonnen werden. Abhängig vom Ansprechen und der individuellen Verträglichkeit, kann die Dosis nach einer Woche auf 300 mg täglich erhöht werden. Die Höchstdosis von 600 mg täglich kann nach einer weiteren Woche erreicht werden.

Pregabalin wird schnell und dosisunabhängig absorbiert. Im Gegensatz zu Gabapentin hat Pregabalin eine sehr hohe Bioverfügbarkeit von über 90%. Maximale Plasmakonzentrationen werden im Mittel nach einer Stunde erreicht. Die Substanz wird nur minimal metabolisiert, im Plasma nicht an Proteine gebunden und zu 98% unverändert mit dem Urin ausgeschieden. Die Plasma-Eliminationshalbwertszeit (t½) liegt bei etwa sechs Stunden.

Pregabalin wird aus dem Blutkreislauf hauptsächlich unverändert über die Nieren ausgeschieden. Da die Pregabalin-Clearance direkt proportional zur Kreatinin-Clearance ist, muss die Dosisreduzierung bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion individuell an die Kreatinin-Clearance angepasst werden. Bei älteren Patienten kann aufgrund einer verringerten Nierenfunktion die Reduzierung der Pregabalin-Dosis notwendig werden. Bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion ist keine Dosisanpassung erforderlich. Weil Pregabalin kaum metabolisiert wird, sind keine pharmakokinetischen Interaktionen, auch nicht mit anderen Antiepileptika, Kontrazeptiva oder Alkohol, zu erwarten.

 

Pregabalin

Wichtigste Nebenwirkungen: Benommenheit und Müdigkeit

Die häufigsten Nebenwirkungen bei Epileptikern und Patienten mit neuropathischen Schmerzen waren Benommenheit, Müdigkeit, Schwindel, Ataxie und allgemeine Schwäche. Die meisten Nebenwirkungen waren leicht oder mittelschwer und hingen von der Dosis ab. Etwa 10% der Patienten nahmen um mindestens 7% zu. Diese Gewichtszunahme tritt vor allem bei höheren Dosen auf, Schmerzpatienten waren davon weniger betroffen.

 

Steckbrief: Pregabalin 

Handelsname/Hersteller: Lyrica (Pfizer GmbH, Karlsruhe) 
Einführungsdatum: 1. September 2004 
Zusammensetzung: 1 Hartkapsel enthält 25/75/150/300 mg Pregabalin. Sonstige Bestandteile: Kapselinhalt: Lactose-Monohydrat, Maisstärke, Talkum. Kapselhüllen: Gelatine, Titandioxid (E 171), Natriumdodecylsulfat, hochdisperses Siliciumdioxid, gereinigtes Wasser. Drucktinte: Schellack, Eisen(II,III)-oxid (E 172), Propylenglycol, Kaliumhydroxid. Bei 75- und 300-mg-Kapseln zusätzlich: Kapselhüllen: Eisen(III)-oxid (E 172). 
Packungsgrößen, Preise und PZN: Lyrica 25 mg Hartkapseln: 14 Stück (N1), Euro 15,39, PZN 3389085; 100 Stück (N2), Euro 49,93, PZN 3389234. Lyrica 75 mg: 14 Stück (N1), Euro 23,72, PZN 3389317. Lyrica 150 mg: 56 Stück (N2), Euro 94,74, PZN 3389352; 100 Stück (N2), Euro 161,82, PZN 3389369. Lyrica 300 mg: 56 Stück (N2), Euro 137,05, PZN 3389398; 100 Stück (N2) Euro 237,35, PZN 3389406. 
Stoffklasse: Antiepileptika 
Indikation: Zur Behandlung von peripheren neuropathischen Schmerzen bei Erwachsenen sowie als Zusatztherapie bei Epilepsie zur Behandlung von partiellen Anfällen mit und ohne sekundärer Generalisierung bei Erwachsenen. 
Dosierung: 150 bis 600 mg täglich in zwei oder drei Einzeldosen. Pregabalin kann während oder zwischen den Mahlzeiten eingenommen werden. Neuropathische Schmerzen: Zu Beginn 150 mg als Tagesdosis, kann nach 3 bis 7 Tagen auf 300 mg täglich erhöht, bei Bedarf nach weiteren 7 Tagen auf eine Höchstdosis von 600 mg täglich gesteigert werden. Epilepsie: Zu Beginn 150 mg als Tagesdosis, kann nach einer Woche auf 300 mg täglich erhöht werden, die Höchstdosis von 600 mg täglich kann nach einer weiteren Woche erreicht werden. 
Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den arzneilich wirksamen Bestandteil oder einen der sonstigen Bestandteile. 
Nebenwirkungen: Benommenheit, Schläfrigkeit; gesteigerter Appetit; Euphorie, Verwirrung, verringerte Libido, Reizbarkeit; Ataxie, Aufmerksamkeitsstörungen, Koordinationsstörungen, Gedächtnisstörungen, Tremor, Dysarthrie, Parästhesie; verschwommenes Sehen, Diplopie; Schwindel; Mundtrockenheit, Verstopfung, Erbrechen, Flatulenzen; erektile Dysfunktion; Müdigkeit, periphere Ödeme, Trunkenheitsgefühl, Ödeme, Gangstörungen; Gewichtszunahme. 
Wechselwirkungen: Eine durch Oxycodon hervorgerufene Beeinträchtigung der kognitiven und grobmotorischen Funktionen scheint durch Pregabalin verstärkt zu werden. Pregabalin kann die Wirkung von Ethanol und Lorazepam verstärken. 
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Patienten mit seltener hereditärer Galactose-Intoleranz, Lapp-Lactase-Mangel oder Glucose-Galactose-Malabsorption dürfen diese Arzneimittel nicht einnehmen. Bei Diabetes-Patienten, bei denen es unter einer Pregabalin-Therapie zu einer Gewichtszunahme kommt, kann es notwendig werden, die Hypoglykämie-Medikation entsprechend anzupassen. Die Behandlung mit Pregabalin wurde mit dem Auftreten von Benommenheit und Schläfrigkeit in Verbindung gebracht.

Quelle 
Prof. Dr. Rolf Baron, Kiel; Prof. Dr. Christian Elger, Bonn; Prof. Dr. Dieter Schmidt, Berlin; Prof. Dr. Dr. Thomas Tölle, München; Pressegespräch: „Neuropathischer Schmerz und Epilepsie“, Berlin, 11. September 2004, veranstaltet von Pfizer, Karlsruhe.

2 Kommentare

Pregabalin

von Nikolaus Belz am 25.07.2019 um 8:58 Uhr

Bekomme seit 25.06.19 Pregabalin 225 mg
Habe seit ca. einer Woche starke Schmerzen im Rachen und im Mund-Raum.
Ebenfalls starken Speichelfluss besonders Nachts, da ich am Abend 2 nehmen muss.
Meine Finger und Hände verkrampfen sich mehrere mal am Tag und nehmen die bizarrsten Formen an ich kann nichts mehr halten.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Pregabalin beta

von Hildegard Bergmann am 22.07.2019 um 13:01 Uhr

Ich bekomme nach Einnahme des Medikaments sehr schmerzhafte Spannungen in der Muskulatur. Hilft nach 1 Woche gar nicht gegen neuropathische Schmerzen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.