Kongress

Rundgang durch die Forschung

Von Helga Blasius und Claudia Bruhn | Die Themen der Plenar- und Hauptvorträge auf der diesjährigen DPhG-Tagung in Regensburg waren außerordentlich breit gefächert: Forschungsergebnisse über neue Targets zur Behandlung der Herzinsuffizienz, über Polymere in der Krebstherapie, über gentechnische Methoden zur Erhöhung der Alkaloidausbeute in Schlafmohn und interessante Inhaltsstoffe europäischer Pflanzen wurden präsentiert. Weitere Referenten erläuterten die Problematik der Wirkstoffforschung in der Post-Genom-Ära, berichteten über computergestützte Strategien auf diesem Gebiet und stellten Foldamere als potenzielle Wirkstoffe der Zukunft vor. Auch technologische Themen kamen nicht zu kurz. Nicht nur die Tagung selbst, sondern auch der Nachmittag der Offizinpharmazie zum Themenkreis Rheumatoide Arthritis war bemerkenswert gut besucht.
Fotos: DAZ/hb und cb
DER TAGUNGSORT Die wunderschöne Regensburger Altstadt, größtes mittelalterliches Altstadt-Ensemble 
nördlich der Alpen, präsentierte sich überwiegend bei typischem „Fortbildungswetter“.

Wirkstoffforschung in der Post-Genom-Ära

In seinem Vortrag Drug discovery in the post-genome era: recent examples in oncology and diabetes stellte Prof. Dr. Günther Wess, Leiter der Abteilung Drug Innovation & Approval des Pharmakonzerns Sanofi Aventis, unter anderem dar, welchen neuen Herausforderungen sich die Pharmahersteller heute stellen müssen, um auch in Zukunft erfolgreich im Markt bestehen zu können.

Nach seiner Ansicht befindet sich die Pharmazeutische Industrie derzeit in einer Innovationskrise. Es kommen nicht genügend neue Substanzen auf den Markt, was auch dadurch begründet sei, dass viele potenzielle Wirkstoffe in Phase III der klinischen Prüfung scheitern. Früher habe man in der Wirkstoffforschung einen reduktionistischen Ansatz verfolgt. Man versuchte, für eine bestimmte Erkrankung ein Targetprotein, z. B. einen Rezeptor oder Transporter, zu identifizieren und anschließend eine Verbindung zu finden, die an diesem Target angreift.

 

Prof. Dr. Günther Wess

Diesen Ansatz habe man heute verlassen, da inzwischen erkannt wurde, dass Wirkstoffe in biologischen Systemen vielfältigere Nebenwirkungen und Interaktionen besitzen als bisher angenommen. Um dies zu berücksichtigen, müsse eine multi-parameter optimization in der Phase der Wirkstoffentwicklung durchgeführt werden. Es seien multidisziplinäre Ansätze mit vielen Partnern notwendig, moderne Technologien müssten in wissensbasierte Ansätze integriert werden. Neben einer strategischen Herangehensweise spiele jedoch auch heute noch der glückliche Zufall eine nicht unwesentliche Rolle beim Auffinden innovativer Wirkstoffe.

Neue Wirkstoffe gegen Diabetes

In den letzten Jahren ist es Aventis gelungen, zahlreiche neue Wirkstoffe zur Behandlung von Krebserkrankungen und Diabetes einzuführen, weitere befinden sich in klinischen Prüfungen oder kurz vor der Zulassung. Als Beispiele nannte Wess ein inhalierbares Insulin, für das die Firmen Pfizer und Aventis die europäische Zulassung beantragt haben. Als einen völlig neuen Ansatz in der Therapie des Typ-2-Diabetes bezeichnete Wess die GLP-1-Analoga, von denen sich derzeit einige in Phase III der klinischen Prüfung befinden. GLP-1 (Glucagon-like peptide-1) ist ein Darmhormon, das die Insulinfreisetzung glucoseabhängig stimuliert. So senkt es insbesondere die hohen Glucosespiegel, die nach einer Mahlzeit auftreten.

Zahlen und Fakten der DPhG-Jahrestagung

  • Fünf Plenarvorträge
  • Vier Hauptvorträge
  • 60 Kurzpräsentationen und/oder über 300 Poster (die Poster-Kurzpräsentationen mit 5 Minuten Redezeit waren neu)
  • Vorsymposien der Fachgruppen für Analytik und Klinische Pharmazie Allgemeinpharmazie Pharmaziegeschichte Industriepharmazie Pharmazeutische Biologie Pharmazeutische Technologie Pharmakologie und Toxikologie
  • Eine Jobbörse

Hochrisikopatienten identifizieren

In der Onkologie spielen unter den pharmazeutischen Therapien die zytotoxischen Substanzen immer noch eine wichtige Rolle. Es reiche nach Wessí Ansicht jedoch inzwischen nicht mehr aus, neue Substanzen zu finden. Vielmehr müssten heute der Prävention sowie der Identifizierung von Hochrisiko-Patienten größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Letzteres spiele beispielsweise eine Rolle bei der Behandlung von Frauen mit Brustkrebs in fortgeschrittenem Stadium mit Trastuzumab. Trastuzumab ist ein rekombinanter monoklonaler Antikörper, der gegen den humanen epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (HER-2/neu) auf der Oberfläche von Mammakarzinomzellen gerichtet ist. Durch die Bindung von Trastuzumab an den Rezeptor wird die Aufnahme von Wachstumsfaktoren, welche die Krebszelle zum Überleben benötigt, blockiert. Jedoch nur etwa 20 bis 25 Prozent aller Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom sind HER-2/neu-positiv und können von der Therapie profitieren.

Prof. Dr. Gerhard Klebe

Computergestützt neue Leitstrukturen finden

Prof. Dr. Gerhard Klebe, Universität Marburg, berichtete in seinem Vortrag Lead discovery out of the computer: scope and limitations darüber, wie mithilfe des Virtual screenings computergestützt Leitstrukturen für neue Wirkstoffe identifiziert werden können. Beim Virtual screening handelt es sich um eine komplementäre Methode zur Wirkstofffindung, bei der von der 3-D-Struktur des Zielproteins (Target) ausgegangen wird. Um diese zu ermitteln, müssen zunächst komplexe Messungen, z. B. an den Bindungstaschen des Proteins, durchgeführt sowie weitere Eigenschaften wie z. B. H-Brücken-Bindungen und hydrophobe Bereiche charakterisiert werden. Bei den Bindungstaschen spielen hot spots eine wichtige Rolle. Darunter sind Areale zu verstehen, an die mit großer Wahrscheinlichkeit funktionelle Gruppen potenzieller Liganden binden können. Ist das Target umfassend charakterisiert, werden im nächsten Schritt Substanz-Datenbanken (z.B. Relibase+) gescreent.

Mit Filtern Datenfülle verringern

Dabei kann die Datenfülle so beträchtlich sein, dass zunächst über eine Million Substanzen vorliegen. Mithilfe spezieller Filter wird deren Anzahl dann sukzessive verringert. Mit den nach dieser aufwändigen Prozedur übrigbleibenden 10 bis 20 meistversprechenden Substanzen werden anschließend Kristallstrukturanalysen und Bindungsexperimente durchgeführt. Diese Strategie wurde bereits auf einige Enzyme angewendet, darunter die t-RNA-Guanin-Transglykosylase. Dieses Enzym hat eine Bedeutung für die Virulenz von Shigella dysenteriae, dem Erreger der Shigellose (Bakterienruhr). Verringert man die Aktivität dieses Enzyms, ist das Eindringen des Erregers in die Darmmukosa behindert. t-RNA-Guanin-Transglykosylase-Inhibitoren stellen daher potenzielle Antibiotika gegen Shigella-Infektionen dar. Mithilfe des Virtual Screenings gelang es Klebe und seinen Mitarbeitern, 4-Aminophthalhydrazin als Leitstruktur für potenzielle t-RNA-Guanin-Transglykosylase-Inhibitoren computergestützt zu identifizieren.

Klebe zeigt in seinem Vortrag allerdings auch deutlich die Grenzen der computergestützten Wirkstofffindung auf. Keinesfalls könnten damit Experimente ersetzt werden. Es sei jedoch möglich, mithilfe des Virtual screenings bessere Experimente als bisher zu planen.

 

Prof. Herman Stuppner

Edelweiß mit antioxidativem Potenzial

Nach Ansicht von Prof. Hermann Stuppner vom Institut für Pharmazie, Abt. Pharmakognosie, der Universität Innsbruck sind auch im Zeitalter der kombinatorischen Chemie Sekundärmetaboliten von Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen immer noch als bedeutsame Quelle für neue Arzneistoffe zu betrachten. In seinem Vortrag "Exploring the chemical diversity of European plants - a promising strategy for the discovery of bioactive molecules" gab er einen Überblick über neueste Ergebnisse aus seinem Arbeitskreis.

Stuppner bedauerte, dass sich gegenwärtig viele Pharmafirmen aus der Naturstoffforschung zurückziehen. Lediglich kleinere Biotech-Unternehmen würden sich noch auf diesem Gebiet engagieren. Dabei habe eine 2003 veröffentlichte Studie ergeben, dass 61 Prozent aller im Zeitraum 1981 bis 2002 eingeführten Wirkstoffe auf Naturstoffen basieren oder von ihnen inspiriert worden sind.

Möglichkeiten noch unausgeschöpft

Speziell das europäische Pflanzenreich biete noch viele unausgeschöpfte Möglichkeiten, so Stuppner. Von den schätzungsweise 13.600 europäischen Samenpflanzen wurden bisher weniger als 25 Prozent phytochemisch charakterisiert, viele davon vor etlichen Jahrzehnten, als die Untersuchungsmethoden noch nicht so ausgereift waren wie heute. Stuppner und seine Mitarbeiter verwenden verschiedene Ansätze zum Auffinden neuer Wirkstoffe auf pflanzlicher Basis: das Virtual screening, bei dem ausgehend von einem Target Substanzbibliotheken nach passenden Liganden durchsucht werden; Zufalls-Suchstrategien mithilfe von Bioassays und ethnopharmakologische Ansätze.

Edelweiß gegen Falten?

Stuppner berichtete, wie mithilfe des letztgenannten Ansatzes interessante Ergebnisse mit Leontopodium alpinum, dem Edelweiß, gewonnen werden konnten. Die über 40 bekannten Spezies des Edelweiß sind nicht nur in den alpinen Regionen Europas, sondern auch in Asien weit verbreitet. In der Volksmedizin wurde die Pflanze traditionell gegen Atemwegserkrankungen, Bauchschmerzen und Durchfälle eingesetzt. Mit Extrakten von Leontopodium alpinum führten Stuppner und seine Mitarbeiter zahlreiche In-vitro- und In-vivo-Studien durch. Da die Pflanze unter Naturschutz steht, wird das Material von Plantagen aus der Schweiz bezogen.

Bei diesen Untersuchungen zeigten lipophile Edelweiß-Wurzelextrakte beispielsweise antiinflammatorische und antioxidative Wirkungen. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden recht schnell in die Praxis überführt. Es gibt inzwischen zahlreiche Produkte im Anti-Aging-Bereich mit Edelweiß-Extrakten, die vor Faltenbildung schützen sollen. Auch in Sonnencremes sind Extrakte dieser Alpenpflanze enthalten.

DPhG im Aufwind

Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft hat derzeit rund 7500 Mitglieder. Gerade in den letzten Jahren sind jährlich etwa 1000 dazugekommen.

Prof. Dr. Toni M. Kutchan

Alkaloide im Schlafmohn

Die Arbeitsgruppe um Frau Prof. Dr. Toni M. Kutchan am Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle wendet gentechnische Methoden an, um die Alkaloid-Biosynthese im Schlafmohn zu erforschen. In ihrem Vortrag "The opium poppy Papaver somniferum as a target for genetic engineering" stellte sie interessante Ergebnisse dieser Arbeit vor.

Der Schlafmohn (Papaver somniferum L.), bis heute eine der wichtigsten Arzneipflanzen, produziert über 80 verschiedene Alkaloide. Die medizinisch bedeutsamsten sind die Isochinolin-Derivate Morphin, Codein und Thebain. Ihre Biosynthesewege und die beteiligten Enzyme sind heute weitgehend aufgeklärt. Weniger bekannt dagegen ist, in welchen Geweben der Pflanze die Biosynthese stattfindet, wie sie reguliert wird und welche Funktionen die Alkaloide für die Pflanze selbst besitzen.

Ziel: Alkaloidprofil mit Gentechnik verändern

Zur Klärung dieser Fragen wurden verschiedene cDNA, die Enzyme der Alkaloid-Biosynthese von Schlafmohn kodieren, isoliert, so beispielsweise die der Norcoclaurin-6-O-Methyltransferase (6-OMT) und der Cytochrom P450-abhängigen Monooxygenasen (S)-N-Methylcoclaurin-3'-hydroxylase (CYP80B1) und 3'-Hydroxy-N-methylcoclaurin-4'-hydroxylase (4'-OMT). Letztere sind nicht nur in die Biosynthese von Morphin, sondern auch von Laudanosin und Sanguinarin involviert. Spezifisch für die Morphin-Biosynthese sind beispielsweise die Enzyme Salutaridinol-7-O-Acyltransferase (SalAT) und die Codeinonreduktase (COR), die die Umwandlung von Codeinon zu Codein katalysiert.

Mithilfe verschiedener Immunolokalisations-Techniken wurde weiterhin untersucht, welche Zelltypen von Papaver somniferum in die Alkaloidsynthese involviert sind. Dabei zeigte sich, dass die Enzyme 4'-OMT und SalAT im Parenchym um die Milchsaftzellen exprimiert werden, während COR innerhalb der Milchsaftzellen lokalisiert ist. Das Ziel der weiteren Arbeit besteht nun darin, durch gentechnische Methoden die Pflanze soweit zu verändern, dass sie ein aus pharmazeutischer Sicht maßgeschneidertes Alkaloidprofil produziert.

Prof. Dr. Oliver Reiser

Foldamere Wirkstoffe der Zukunft

Unter Foldameren versteht man synthetisch erzeugte Peptide aus nicht-proteinogenen Aminosäuren mit einer definierten Konformation. In seinem Vortrag "Synthesis, structural and biological evaluation of foldamers consisting of α/β-peptides" stellte Prof. Dr. Oliver Reiser vom Institut für Organische Chemie der Universität Regensburg diese Verbindungen, die in biologischen Testsystemen vielversprechende Wirkungen gezeigt hatten, vor.

Das Ziel der Forschung besteht darin, diesen künstlich erzeugten Peptiden eine biologische Funktionalität zu geben, sodass sie in nicht allzu ferner Zukunft als Pharmaka eingesetzt werden können. Besonders überraschende Ergebnisse wurden bisher mit β-Aminocyclopropancarbonsäuren und β-Aminocyclopentancarbonsäuren erzielt. Bereits sehr kleine, nur aus 4 bis 12 Aminosäuren bestehende Foldamere waren in der Lage, in Lösungsmitteln wie Methanol stabile helikale Sekundärstrukturen zu bilden, was eine Voraussetzung für die biologische Wirksamkeit ist.

Reiser und seine Mitarbeiter inkorporierten Foldamere in die C-terminale Sequenz eines verkürzten Neuropeptid Y (NPY). Die so entstandenen Verbindungen zeigten in Ligand-Rezeptor-Bindungsstudien eine gute Affinität und Selektivität am Y1-Rezeptor. NPY ist das am häufigsten vorkommende Neuropeptid im Gehirn, es spielt wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei epileptischen Erkrankungen. Einige andere β-Foldamere zeigten in biologischen Testsystemen eine antimikrobielle Wirksamkeit, beispielsweise gegen Escherichia coli, Bacillus subtilis und Staphylococcus aureus.

Prof. Dr. M. Lohse

Neue Targets zur Behandlung der Herzinsuffizienz

Prof. Dr. M. Lohse vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Würzburg stellte in seinem Vortrag "New targets in the treatment of cardiovascular diseases: from mice to men" Ergebnisse seiner Forschungen zu Ursachen, Auswirkungen und Behandlungsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz vor. Im Mittelpunkt von Lohses Forschungen steht die Rolle des beta-adrenergen Systems bei der Herzinsuffizienz. Charakteristisch für diese Erkrankung sind die Downregulation der β1-Adrenozeptoren und der Anstieg inhibitorischer G-Proteine zwei Mechanismen, mit denen sich das Herz vor Überstimulation infolge der erhöhten Sympathikusaktivität zu schützen versucht. Lohse und seinen Mitarbeitern gelang es, im Tiermodell das Ausmaß der durch die Überstimulation von β1-Rezeptoren am Herzen verursachten Schäden zu zeigen. Bei den von ihnen verwendeten β1-Rezeptor-transgenen Mäusen zeigten sich schon nach wenigen Wochen eine Hypertrophie der Herzmuskelzellen, eine Abnahme der linksventrikulären Kontraktilität und Ödeme.

Der Einsatz von β1-Adrenozeptorenblockern wie Metoprolol oder Bisoprolol ist daher ein sehr sinnvoller Ansatz in der Therapie der Herzinsuffizienz, so Lohse. Viele klinischen Studien konnten eine signifikante Senkung der Mortalitätsrate im Vergleich mit Plazebo zeigen.

„Schädliche“ Gene identifiziert

Die Arbeitsgruppe um Lohse beschäftigt sich weiterhin mit dem Auffinden neuer Targets zur Behandlung der Herzinsuffizienz. Auch bei diesen Forschungen werden transgene Mäuse eingesetzt. Dabei wurden drei Gene identifiziert, deren Expression sich im gesunden und insuffizienten Herzen unterscheidet: PLB (Phospholamban), NHE1 und NAB1. Wurden in β1-transgenen Mäusen die Gene PLB und NHE1 abgeschaltet („knock-out“), so erhöhte sich die Überlebensrate der Tiere.

Im Falle des Gens NAB1 zeigten sich dagegen bei einer Überexpression positive Effekte wie beispielsweise eine verminderte Hypertrophie. Ein sinnvoller Ansatz wäre daher, die Konzentration des von NAB1 kodierten Proteins, über das noch relativ wenig bekannt ist, zu stimulieren, die Aktivität der von PLB und NHE1 kodierten Proteine dagegen zu hemmen. Im Falle des Gens NHE1 wurden bereits Inibitoren identifiziert.

Prof. Dr. Jindrich Kopecek

Polymere in der Krebstherapie

Prof. Dr. Jindrich Kopecek vom Department of Pharmaceutics and Pharmaceutical Chemistry der Universität Utah, Salt Lake City (USA), erläuterte in seinem Vortrag "Macromolecular anticancer therapeutics: design, mechanism of action, and clinical potential" anhand von Beispielen die Vorteile makromolekularer Tumor-Therapeutika gegenüber niedermolekularen Wirkstoffen. Letztgenannte gelangen durch Diffusion in die Zelle, werden relativ schnell eliminiert, und ihre unspezifische Toxizität ist relativ hoch. Makromolekulare Verbindungen dagegen werden durch Endozytose in die Zielzelle aufgenommen, sie können sich in Tumoren anreichern, ihre unspezifische Toxizität ist niedriger. Ein weiterer großer Vorteil: Die Gefahr einer Resistenzentwicklung ist geringer, da diese Verbindungen nicht so leicht durch Effluxpumpen aus der Zelle heraustransportiert werden können. Weiterhin ist eine gezieltere Aktivierung der Apoptose möglich.

Studien mit polymer gebundenem Doxorubicin

Kopecek stellt einige Ergebnisse seiner Arbeit mit dem wasserlöslichen Makromolekül N-(2-hydroxypropyl)methacrylamid (HPMA) vor. HPMA bietet viele Vorteile: Es ist nicht immunogen, nicht abbaubar, die Molekularmasse lässt sich im Bereich von unter 10 bis 80 kD flexibel einstellen. In Studien mit humanen Ovarialkarzinomzellen hatte sich gezeigt, dass mit steigender Molekularmasse auch die AUC des makromolekular gebundenen Wirkstoffs – in diesem Fall Doxorubicin – in den Tumorzellen ansteigt.

In weiteren Versuchen wurde HPMA-Doxorubicin noch zusätzlich an den Photosensitizer Mesochlorin e6 gekoppelt. Es handelt sich dabei um eine nicht-invasive Behandlungsmethode: Durch Bestrahlung wird der Sensitizer selektiv zur Produktion reaktiver Spezies angeregt. Auch hier zeigten sich in Testsystemen mit Ovarialkarzinomzellen viele Vorteile gegenüber der herkömmlichen Behandlung ohne HPMA. Die Bindung von zytostatischen Wirkstoffen an Polymere kann daher zu Recht als hoffnungsvolles therapeutisches System der Zukunft bezeichnet werden.

Prof. Dr. A. Bernkop-Schnürch

Thiomere zur Freisetzung von Peptid-Arzneistoffen

Die meisten Peptid-Arzneistoffe werden heute parenteral verabreicht, ein unbefriedigender Zustand. Am Institut für Pharmazie der Universität Innsbruck befasst sich der Arbeitskreis von Prof. Prof. Dr. Andreas Bernkop-Schnürch mit der Entwicklung und Optimierung nicht-invasiver Freisetzungssysteme für diese Arzneimittegruppe, und zwar vornehmlich mit den Thiomeren.

Die physiologischen Hindernisse für die Aufnahme von Peptid-Arzneimitteln lassen sich auf die drei Faktoren Enzym-, Schleimhaut- und Membran-Barrieren zurückführen. Die Suche nach geeigneten nicht-invasiven Trägersystemen ist eine große Herausforderung an die biopharmazeutische und technologische Forschung. Mögliche Strategien, um die Barrieren zu überwinden, liegen in der Nutzung von Liposomen, Mikro- und Nanopartikeln, Matrixtabletten oder auch dem Colon-targeting, wobei mukolytische Agenzien, Enzyminhibitoren, Permeationsförderer sowie multifunktionale Polymere zu Hilfe genommen werden.

Unter den multifunktionalen Polymeren sind solche mit Thiol-Teilstrukturen, das heißt Thiomere, besonders aussichtsreich. So konnten die mukoadhäsiven Eigenschaften von Polyacrylsäure und Chitosan durch Immobilisierung der Thiol-Gruppen auf das bis zu 250fache gesteigert werden. Die Folge ist eine längere Verweildauer entsprechend angehängter Freisetzungssysteme auf der Mund-, Magen, Augen- oder Magen-Darm-Schleimhaut und durch den höheren Konzentrationsgradienten letztendlich eine bessere Bioverfügbarkeit.

Weitere Vorteile bieten gerade die Thiomere durch ihre kohäsiven Eigenschaften, die Möglichkeit zum controlled drug release, die Hemmung membrangebundener Enzyme und ihre permeationfördernden Eigenschaften. Letztere wird durch die Blockierung phosphorylierender Enzyme erreicht, die für den Verschluss der Permeationskanäle, der tight junctions, sorgen.

Tabletten mit einem Thiomer und einem pegylierten Insulin zeigten nach oraler Applikation bei diabetischen Mäusen eine relative pharmakologische Wirkung von 7% gegenüber s.c. Verabreichung. Bernkop-Schnürch warnte gleichwohl vor zu hohen Erwartungen in bezug auf eine orale Insulintherapie und rechnet allenfalls mit einem Einsatz bei Typ-2-Diabetes.

An Ratten konnte darüber hinaus nach oraler Verabreichung von Calcitonin-Tabletten, die ein Thiomer beinhalteten, eine pharmakologische Aktivität von 1,3% gemessen werden. Bei nasaler Applikation von Wachstumshormon ebenfalls an Ratten resultierte eine Bioverfügbarkeit von 2,75%. In allen drei Studien zeigte sich beim Einsatz unmodifizierter Polymere allenfalls ein marginaler oder gar kein Effekt.

Vor dem Hintergrund dieser Studienergebnisse erachtet Bernkop-Schnürch die Thiomere als außerordentlich vielversprechende Kandidaten zur Verbesserung der oralen Freisetzung von Peptid-Arzneimitteln. Mit toxikologischen Problemen sei allenfalls bei abbaubaren Polymeren zu rechnen, denn die Zahl der Abbauprodukte sei in der Regel sehr hoch.

Priv.-Doz. Dr. U. Müller-Ladner

Pathogenese ist hochkomplex

Den pathophysiologischen Hintergrund der rheumatoiden Arthritis (RA) beleuchtete Priv.-Doz. Dr. Ulf Müller-Ladner. Bereits seit den 80er-Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, nach denen dieser dem Tumorgeschehen sehr ähnlich sein soll. In beiden Fällen handelt es sich um proliferierende Zellen mit einem abweichenden Erscheinungsbild und einer autonomen Aktivität, wobei die Schlüsselfrage, was die Transformation der Zellen auslöst, noch nicht geklärt ist.

Dass hierbei infektiöse Agenzien im Spiel sind, scheint bereits klar zu sein. Die daraus resultierende Immunreaktion wird gefolgt von einer komplexen Kaskade von entzündlichen Vorgängen. Die Synovialfibroblasten werden zu aggressiv wachsenden RA-Fibroblasten aktiviert. Die Proliferation wird beeinflusst durch Apoptose-regu- lierende Moleküle und Protoonkogene, das entzündliche Geschehen im wesentlichen vermittelt durch Tumornekrosefaktor α (TNF-α) und Interleukin 1 (IL-1). Durch die Freisetzung Matrix-abbauender Enzyme kommt es über Adhäsionsmoleküle zur Zerstörung von Knorpeln und Knochen.

Die Reaktionsmechanismen sind in den einzelnen Geweben und Kompartimenten offenbar unterschiedlich. Ein neuer Aspekt in der Forschung ist die mögliche Involvierung des Fettgewebes in der Perpetuierung der Erkrankung. Auch die Rolle von Adhäsionsmolekülen wie α1-Integrin ist ein Hauptthema. Weitere Angriffspunkte sind die Hemmung des intrazellulären Signalling und die Hemmung der Gentranskription. Erfolgversprechend erscheint die Inhibierung des Transkriptionsfaktors NF-κB. Dessen Aktivierung spielt eine zentrale Rolle bei den entzündlichen Vorgängen verschiedener Erkrankungen.

Eine sehr elegante Option wäre nach Müller-Ladner die Möglichkeit, das pathologische Geschehen mit an- und abschaltbaren Gene zu steuern, um Erkrankungsschübe abzufangen. Hieran wird bereits gearbeitet. Dasselbe gilt für die In-vivo-Gentherapie am Menschen, die bei der Firma Targeted Genetics in Seattle in Planung ist. Last not least erwähnte er den möglichen Einsatz aktivierbarer Smart Probes (Smart-Sonden), mit denen es möglich werden könnte, Therapieerfolge in vivo zu überwachen.

Schwerpunkt Rheuma

Der Nachmittag der Offizinpharmazie als gemeinsame Fortbildungsveranstaltung der DPhG-Landesgruppe Bayern und der Bayerischen Landesapothekerkammer zum Themenkreis Rheumatoide Arthritis war mit rund 230 Teilnehmern außerordentlich gut besucht.

Die Vortragenden und ihre Themen waren: Priv.-Doz. Dr. Ulf Müller-Ladner, Universität Regensburg: Neue Aspekte der Pathophysiologie und Immunologie der rheumatoiden Arthritis Priv.-Doz. Dr. Burkhard Hinz, Universität Erlangen: Pharmakotherapie der rheumatoiden Arthritis Prof. Dr. Theo Dingermann, Universität Frankfurt: Rekombinante Antirheumatika Dr. Walter Fuchs, Bad Abbach: Pharmazeutische Betreuung von Rheumapatienten.

Priv.-Doz. Dr. B. Hinz

Aktuelle Therapiemöglichkeiten

Priv.-Doz. Dr. Burkhard Hinz skizzierte die derzeitigen Therapiemöglichkeiten der rheumatoiden Arthritis (RA). Sie beruhen heute im wesentlichen auf

  • nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAIDs, z. B. Diclofenac, Indometacin, Ibuprofen, Naproxen, Piroxicam) und selektiven COX-2-Hemmern zur symptomatischen Behandlung sowie
  • Basistherapeutika (= disease modifying antirheumatic drugs, DMARDs) und Biologicals zur Erosionshemmung.
  • Darüber hinaus werden für beide Therapieziele Glucocorticoide eingesetzt.

Definition der RA

Die Rheumatoide Arthritis (RA) ist eine chronische, in der Regel progrediente Systemerkrankung des Bindegewebes mit einer progressiven Gelenkzerstörung, einem fakultativen Befall von Sehnenscheiden, Schleimbeuteln, Augen und inneren Organen und einem fluktuierenden klinischen Verlauf. Die Prognose ist unvorhersehbar, die Lebenserwartung um 5 bis 10 Jahre verkürzt. In Deutschland leiden rund 800.000 Personen an RA. Frauen sind rund dreimal häufiger betroffen als Männer.

Vor- und Nachteile der COX-2-Hemmer

Gegenüber den NSAIDs zeigten die selektiven COX-2-Hemmer in den Studien VIGOR, CLASS und TARGET tatsächlich erhebliche Vorteile in bezug auf die Magen/Darm-Risiken. Sie stehen allerdings bereits seit mehreren Jahren in der Diskussion wegen potenzieller kardiovaskulärer Risiken wie Thrombosen und Myokardinfarkten.

Nachdem die Zwischenauswertung einer klinischen Prüfung zum Nachweis der Wirksamkeit von Rofecoxib in einer neuen Indikation (APPOVe-Studie) ein erhöhtes relatives Risiko für das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse offenbart hatte, wurden Rofecoxib-haltige Arzneimittel am 30. September 2004 eigenverantwortlich vom Markt genommen (s. DAZ Nr. 41, S. 39 f.).

Nach Hinz' Einschätzung wird nun zu klären sein, ob es sich bei den beobachteten unerwünschten Wirkungen um ein Spezifikum von Rofecoxib handelt oder um ein Klassenphänomen, ob die Kinetik der COX-2-Hemmung hierbei möglicherweise eine entscheidende Rolle spielt und ob diese vorzugsweise bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren auftritt. Auf jeden Fall hält er weitergehende therapeutische Einschränkungen in der rationalen Therapie mit selektiven COX-2-Inhibitoren für angebracht. Hinz verwies an dieser Stelle auf die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) Bewertung und Bedeutung der Coxibe in der Schmerztherapie vom Juni 2004 (Der Schmerz, Heft 3, S. 238).

Prof. Dr. Armin Buschauer moderierte den Nachmittag der Offizinpharmazie.

Basistherapeutika: „Hit hard and early“

Mit den Basistherapeutika, darunter Methotrexat als „Goldstandard“, Leflunomid, Chloroquin und Hydroxychloroquin, Sulfasalazin und Cyclosporin A, kann bei einer signifikanten Responderrate eine partielle Hemmung der Gelenkdestruktion erreicht werden, allerdings beträgt die Latenzzeit bis zum Wirkeintritt Wochen bis Monate, und die Therapie erfordert ein aufwendiges laborchemisches Monitoring.

50% der Patienten brechen die Therapie nach fünf Jahren ab. Während Basistherapeutika früher lange nicht zu den Mitteln der ersten Wahl gehörten, ist es mittlerweile zu einem Paradigmenwechsel in Richtung hit hard and early gekommen. Erst seit knapp zehn Jahren stehen mit Leflunomid und Cyclosporin A Substanzen zur Verfügung stehen, die spezifische Targets angreifen. Darüber hinaus gibt es Kombinationen mit erwiesener Wirksamkeit (s. Kasten).

Glucocorticoide wieder „en vogue“

Glucocorticoide kommen als orale Low-dose-Dauertherapie, als orale Stoßtherapie sowie bei schwersten Schüben auch als parenterale Puls- bzw. bei hoher entzündlicher Aktivität auch als intraartikuläre Lokaltherapie zum Einsatz. Gerade die Langzeittherapie erlebt derzeit eine Renaissance. Bei stark reduzierten Erhaltungsdosen wird nach zwei Jahren eine Hemmung der Knochenerosion erkennbar.

Kombinationstherapie der RA

Methotrexat 
+ Sulfasalazin + Hydroxychloroquin 
+ Leflunomid 
+ Cyclosporin A 
+ Infliximab 
+ Adalimumab 
+ Etanercept 
+ Anakinra

Prof. Dr. Th. Dingermann

Biologicals vielversprechend, aber teuer

Nach Aufklärung der molekularen Pathogenesemechanismen der rheumatoiden Arthritis wurden die Entzündungsmediatoren Interleukin 1 (IL-1) und Tumornekrosefaktor α (TNF-α) zur zentralen Zielscheibe für einen rationalen Therapieansatz. Genau hier greifen die modernen, auf gentechnischem Wege hergestellten Protein-Wirkstoffe an, wie Prof. Dr. Theodor Dingermann erläuterte. Derzeit sind die folgenden vier rekombinanten Arzneistoffe für die Therapie der rheumatoiden Arthritis zugelassen:

  • Infliximab (Remicade®),
  • Adalimumab (Humira®),
  • Etanercept (Enbrel®) und
  • Anakinra (Kineret®).

Rekombinante Wirkstoffe herzustellen, ist laut Dingermanns Aussage weniger ein Problem als die Findung der richtigen Targets. Für die monoklonalen Antikörper Infliximab und Adalimumab sowie für Etanercept ist es TNF-α an und für Anakinra IL-1.

Monoklonale Antikörper wurden ursprünglich aus Maus-Antikörpern gewonnen, die jedoch wegen Unverträglichkeitsreaktionen am Menschen nicht einsetzbar sind. Weiterentwicklungen sind die chimären Antikörper (-ximab) mit 25% Maus-Protein (z. B. Infliximab) und in der nächsten Stufe die rein humanen Antikörper (-mumab), deren erster Vertreter Adalimumab ist.

Etanercept ist eine Kombination von Rezeptor- und Antikörperfragment, entstanden durch gentechnische Fusion der extrazellulären Ligandenbindungsdomäne des humanen TNF-Rezeptors 2p75 und des Fc-Teil des menschlichen Immunglobulins IgG1. Es verhält sich im Körper wie die löslichen TNF-Rezeptoren, die TNF abfangen und dadurch vor einem Überschießen der Entzündungsreaktion schützen. In bezug auf die Affinität zum TNF ist es diesen sogar noch überlegen, und auch seine Halbwertszeit ist deutlich länger.

Anakinra ist ein humaner IL-1-Rezeptorantagonist, der durch rekombinante DNA-Technologie in E. coli exprimiert wird. Er neutralisiert die Aktivität von IL-1α und -1β indem er kompetitiv deren Bindung an den IL-1-Rezeptor hemmt und dadurch die nachfolgende Signaltransduktion verhindert. Obwohl die Wirksamkeit der derzeit auf dem Markt befindlichen biologischen Arzneimittel zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis unbestritten ist, ist der Einsatz auf eine strenge Indikationsstellung beschränkt. Zum einen können sie eine Antikörperbildung induzieren, zum anderen müssen sie parenteral appliziert werden, und last not least sind die Therapiekosten von jährlich 14.000 bis 26.000 E immens hoch.

Weitere biologische Me-toos sind bereits in der Entwicklung. Als Beispiele führte Dingermann die pegylierten Versionen eines Antikörperfragmentes gegen TNF-α an, zu denen Certolizumab pegol gehört, sowie dominant negatives TNF-α.

Dr. W. Fuchs

Rheumapass wird gut angenommen

Dr. Walter Fuchs, Bad Abbach, berichtete von den praktischen Erfahrungen mit einem Rheumapass, den der im Jahr 2001 gegründete Regensburger Qualitätszirkel mit Erfolg einsetzt. Das Konzept besteht aus einer Kombination

  • des Medikationsprofils des Patienten (Rheuma-Basistherapie, Schmerztherapie, sonstige) mit
  • einem Schmerz-Score, der die Gelenkbeschwerden, Gelenksteifigkeit, Einschränkung der Leistungsfähigkeit umfasst (modifiziert nach WOMAC-Arthroseindex, Western Ontario und McMaster Universities).

Zunächst wird die gesamte Medikation des Patienten in den Rheumapass aufgenommen. Dann wird durch Abfragen der Schmerz-Score ermittelt und im Pass vermerkt. Schließlich werden Schmerz-Score und aktuelle Medikation gegenübergestellt und ausgewertet. Die Abfrage wird regelmäßig alle drei Monate sowie bei einer Änderung der Medikation oder der Beschwerden durchgeführt.

Laut Fuchs sind die Regensburger Apotheker mit den bisherigen Ergebnissen des Rheumapasses sehr zufrieden. Aus der Initiative ergeben sich nicht nur Vorteile für die Patienten, sondern selbstverständlich auch für die Apotheke, schon allein wegen der stärkeren Kundenbindung. Fuchs verteilte an dieser Stelle auch Lob sowohl an die Patienten als auch an die Rheumatologen in seinem Apotheken-Umfeld. Die Patienten seien therapeutisch gut eingestellt und arbeiten engagiert mit. Probleme gebe es allerdings oft im Zusammenhang mit der Schmerztherapie und anderen Begleittherapien.

Dr. L. Praznovcova

In Tschechien üben Studenten die Beratung

Bezüglich des idealen Offizinapothekers haben die tschechischen Apotheker recht klare Vorstellungen entwickelt. Dr. Lenka Praznovcova von der Abteilung für Sozial- und klinische Pharmazie der Fakultät für Pharmazie der Universität in Hradec Kralove erläuterte das Konzept und seine Auswirkungen auf die Arzneimitteltherapie. Der starke Umbruch im Arzneimittelmarkt, die Globalisierung, die zunehmende Finanznot der Krankenversicherungen, neue Technologien, die vermehrte Entlassung von Arzneimitteln aus der Rezeptpflicht und der Internethandel machen es dringend erforderlich, dass die Apotheker ihr Profil deutlich verbessern. Nur so können sie Praznovcovas Meinung nach im Markt weiter bestehen.

„Nur für die Information 3-mal täglich eine wird der Patient nicht mehr in die Apotheke kommen. Das kann er auch im Internet lesen und sich sein Arzneimittel dort bestellen.“ 
L. Praznovcova

Das derzeit angewendete Konzept für die Arzneimittelabgabe wurde in der Tschechischen Republik bereits in den Jahren 1960 bis 1970 entwickelt. Hierbei sind die Apotheker gehalten, möglichst viel ihrer eigenen Expertise in individualisierter Form an den Patienten weiterzugeben. Für eine professionelle Beratung reicht das übliche pharmazeutische Wissen des Apothekers nach Auffassung der Tschechen bei weitem nicht aus. Seit vielen Jahren wird dort versucht, die Studenten nicht nur auf dem Gebiet der Biopharmazie und der klinischen Medizin, sondern auch psychologisch und auf dem Gebiet der Kommunikationsfähigkeit besser auszubilden. Außerdem wird ihnen Spezialwissen über geriatrische, pädiatrische, onkologische, Asthma- und Diabetes-Therapie vermittelt. Ziel ist eine neue Ars pharmaceutica.

Vor der Arzneimittelabgabe wird möglichst viel Wissen über die Risiken eines Produktes in Form von Piktogramm-Kärtchen visualisiert, die direkt bei den Arzneimitteln angebracht sind. Dies erspart dem Personal eine langwierige Recherche in der Packungsbeilagen oder in Datenbanken. So genannte „Abgabeboxen“ in der Offizin sorgen für eine patientengerechte Atmosphäre, die einen diskreten Dialog gewährleistet. Derzeit kommen 10 bis 15 Prozent der Studenten in ihrer Regelausbildung in den Genuss von praktischen, von bereits tätigen Apothekern begleiteten Beratungsübungen. Die Gespräche werden videoüberwacht und nachher analysiert, eine Übung, die laut Auskunft von Praznovcova immer wieder wertvolle Erkenntnisse über den individuellen Zugang des beratenden Apothekers zum Patienten liefert und die in der Zukunft noch ausgeweitet werden soll.

Ein großes Manko sieht sie noch in dem unzureichenden Hintergrundwissen des Apothekers über den einzelnen Patienten. Die Tschechen orientieren sich diesbezüglich an Ländern wie Kanada und Australien, in denen „Patient medication records“ mit individuellen Patientendaten geführt werden, auf die Angehörige der Gesundheitsberufe bei Bedarf online zugreifen können. In Tschechien werden gerade die rechtlichen Grundlagen für die Implementierung eines solchen Modells vorbereitet. Praznovcova gestand allerdings zu, dass in der Bevölkerung noch erhebliche Vorbehalte gegenüber dieser Initiative bestehen.

PREISVERLEIHUNG DPhG-Präsidentin Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe verlieh den Johann-Wolfgang-Döbereiner-Preis für eine wissenschaftlich herausragende 
Habilitation an Dr. Sebastian Härtter.

Preise und Ehrungen

Zum Abschluss der diesjährigen Jahrestagung verlieh DPhG-Präsidentin Prof. Dr. Ulrike-Holzgrabe die satzungsgemäßen Preise der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft sowie vier Posterpreise der DPhG und der Dr. August und Dr. Anni Lesmüller Stiftung.

  • Habilitationspreis. Als Anerkennung herausragender wissenschaftlicher Leistungen im Rahmen einer Habilitation vergibt die DPhG maximal einmal jährlich den Johann-Wolfgang-Döbereiner-Preis mit einem Betrag von 5000 Euro. Der Habilitationspreis 2004 ging an Dr. Sebastian Härtter, Neurochemisches Labor der Psychiatrischen Klinik und Poliklinik am Klinikum der Universität Mainz. Der Titel seiner Habilitationsschrift lautet: Bedeutung des Cytochrom P450 (CYP) 1A2 für den hepatischen Metabolismus von Melatonin.
  • Promotionspreis. Als Anerkennung überdurchschnittlicher Leistungen im Rahmen einer Doktorarbeit kann die DPhG zweimal pro Jahr den Carl-Wilhelm-Scheele-Preis mit einem Betrag von 500 Euro verleihen. Im Jahr 2003 ging der Preis an Dr. Andrea Lucke aus dem Arbeitskreis von Prof. Dr. Achim Göpferich, Pharmazeutische Technologie an der Universität Regensburg. Wegen eines Auslandsaufenthaltes wurde der Preis an Dr. Lucke erst beim diesjährigen Jahreskongress übergeben. Der Titel der Arbeit lautet: Interactions of Poly(alpha-hydroxy acids) with peptides.
  • Posterpreise. Auch in diesem Jahr wurden vier Posterpreise der DPhG und der Dr. August und Dr. Anni Lesmüller-Stiftung verliehen. Die Stiftung bezweckt die Förderung der pharmazeutischen Wissenschaft unter besonderer Berücksichtigung des Arzneimittels und der Aufgabenstellung des Apothekers. Die mit jeweils 250 Euro dotierten Preise erhielten
    • Dorothee Grüneberg, Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der Universität Münster, für: Advanced oral rehydration salt (ORS) solutions with pleasant taste, 
    • Josef Scheiber, Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie der Universität Würzburg, für: Incorporating conformational flexibility into QSAR - Validation of a novel 4D-QSAR technique, 
    • Irina Tretiakowa, Institut für Pharmazie der Universität Frankfurt, für: Caspase-6 regulates metabolism of 5-lipoxygenase protein in proliferating B-lymphocytic cells, 
    • Martina Westfeld, Pharmazeutisches Institut, Klinische Pharmazie der Universität Bonn, für: Relation-ship between patient satisfaction with information and quality of life in cancer patients.

 

Literaturhinweis

Literaturhinweis Den rekombinanten Antirheumatika ist Heft 5/2003 der Zeitschrift Pharmazie in unserer Zeit gewidmet. Gastherausgeber sind Theodor Dingermann und Manfred Schubert-Zsilavecz.

 

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.