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Arzneimittel und Therapie
Neuer Proteasehemmer: Fosamprenavir zur Behandlung der HIV-Infektion
Fosamprenavir ist der Calcium-Phosphatester von Amprenavir (Agenerase®), das 2000 eingeführt wurde. Der wesentliche Vorteil: Die neue Substanz ist besser löslich als Amprenavir und lässt sich in einer Tablette mit einer Dosis von 700 mg einarbeiten. Eine Amprenavir-Kapsel enthält nur 150 mg, sodass der Patient zweimal täglich vier Kapseln einnehmen muss, um die wirksame Dosis von zweimal 600 mg zu erreichen. Die entsprechende wirksame Dosis von Fosamprenavir beträgt zweimal 700 mg, der Patient muss also von Telzir® zweimal täglich nur eine Tablette einnehmen.
Fosamprenavir kann nüchtern oder zum Essen eingenommen werden. Für Erwachsene, für die eine Tabletteneinnahme nicht möglich ist, soll Fosamprenavir nächstes Jahr auch als Lösung zum Einnehmen zur Verfügung stehen. Eine Dosisanpassung wird bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion nicht für notwendig erachtet. Bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung ist Fosamprenavir kontraindiziert.
Gemeinsame Einnahme mit Ritonavir
Der neue Proteasehemmer Fosamprenavir ist ein Prodrug von Amprenavir. Nach oraler Gabe wird Fosamprenavir während der Resorption durch das Darmepithel rasch und beinahe vollständig zu Amprenavir und anorganischem Phosphat hydrolysiert.
Um die Amprenavir-Konzentrationen im Blutplasma zu erhöhen und die Eliminationshalbwertszeit zu verlängern, wird Fosamprenavir gemeinsam mit Ritonavir gegeben. Ritonavir hemmt CYP3A4 und damit die Metabolisierung von Amprenavir. Dieser Effekt wird als Boosterung bezeichnet und auch bei anderen antiretroviralen Substanzen genutzt. Amprenavir hemmt die HIV-1-Protease kompetitiv, indem es an das aktive Zentrum der HIV-1-Protease bindet und dadurch die Proteinsynthese verhindert. Als Folge werden unreife, nicht infektiöse Viruspartikel gebildet.
Fosamprenavir wird wegen des schnellen Auftretens resistenter Viren nicht zur Anwendung als Monotherapie empfohlen. Allerdings verursacht Fosamprenavir bei nicht vorbehandelten Patienten keine Mutationen in der Protease, sodass weitere Therapieoptionen offen bleiben. Die Entwicklung einer Kreuzresistenz zwischen Amprenavir und Reverse-Transkriptase-Hemmern ist unwahrscheinlich, da die enzymatischen Angriffspunkte unterschiedlich sind.
Vor allem gastrointestinale Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen entsprechen denen von Amprenavir. Am häufigsten sind Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Hautausschlag, der bei bis zu 20% der Patienten auftritt. Oft lassen diese Nebenwirkungen nach einigen Wochen oder wenigen Monaten nach. Fosamprenavir scheint nach Firmenangaben weniger gastrointestinale Beschwerden auszulösen als Amprenavir.
Kombinationstherapien mit Proteasehemmern können außerdem zu einem erhöhten Blutfettspiegel, abnormalen Fettumverteilungen (Lipodystrophie) und Diabetes führen. Fosamprenavir enthält eine Sulfonamidgruppe. Es sollte daher bei Patienten mit bekannter Sulfonamidallergie mit Vorsicht angewendet werden.
Gute Resorption
Nach peroraler Einnahme wird Amprenavir schnell resorbiert, die absolute Bioverfügbarkeit liegt bei 90%. Amprenavir geht gut aus dem Blutkreislauf ins Gewebe über und wird zu 90% an Plasmaproteine gebunden. Amprenavir überschreitet die Blut-Hirn-Schranke nicht, scheint aber in die Samenflüssigkeit zu penetrieren. Allerdings sind die Konzentrationen in der Samenflüssigkeit geringer als im Plasma.
Zahlreiche Interaktionen sind möglich
Da Fosamprenavir bzw. sein aktiver Metabolit Amprenavir sowie Ritonavir über das Cytochrom-P450-System metabolisiert werden, sind zahlreiche Interaktionen mit anderen Arzneimitteln zu beachten. Arzneimittel, die in der Leber über das Cytochrom-P450-Isoenzym 3A4 metabolisiert werden oder die Aktivität von CYP3A4 beeinflussen, können die Pharmakokinetik von Amprenavir verändern. Umgekehrt kann Amprenavir in ähnlicher Weise die Pharmakokinetik von anderen Arzneimitteln, die über diesen Weg verstoffwechselt werden, beeinflussen. Die Kombination mit entsprechenden Arzneimitteln kann zu schwerwiegenden und/oder lebensbedrohlichen Wechselwirkungen führen.
Fosamprenavir in Kombination mit Ritonavir darf nicht zusammen mit Arzneimitteln verabreicht werden, die eine geringe therapeutische Breite aufweisen und Substrate für CYP3A4 oder CYP2D6 sind. Dazu gehören Astemizol, Cisaprid, Diazepam, Nifedipin, Terfenadin und Rifampicin.
Pflanzliche Zubereitungen, die Johanniskraut (Hypericum perforatum) enthalten, dürfen aufgrund des Risikos reduzierter Plasmakonzentrationen und einer verminderten therapeutischen Wirkung von Amprenavir während der Einnahme von Telzir® nicht angewendet werden. Dieser Effekt beruht möglicherweise auf einer Induktion von CYP3A4 und kann zu einer Verminderung der therapeutischen Wirkung und zur Resistenzentwicklung führen. Die induzierende Wirkung von Johanniskraut kann bis zu mindestens zwei Wochen nach Absetzen anhalten. Wegen metabolischer Wechselwirkungen mit Fosamprenavir kann auch die Wirksamkeit von hormonellen Kontrazeptiva reduziert sein.
Genauso gut wirksam wie Lopinavir
Die klinische Erfahrung basiert hauptsächlich auf zwei offenen Studien, die im Vergleich zu Nelfinavir an antiretroviral nicht vorbehandelten Patienten und im Vergleich zu Lopinavir/Ritonavir an antiretroviral vorbehandelten Patienten durchgeführt wurden. In beiden Studien wurde Fosamprenavir mit Ritonavir zur Erhöhung der Konzentration (Boosterung) angewendet.
Die einmal tägliche Anwendung von Fosamprenavir mit Ritonavir (1400 mg/200 mg) war bei antiretroviral nicht vorbehandelten Patienten vergleichbar wirksam wie Nelfinavir zweimal täglich. Dabei wurden sowohl Fosamprenavir/Ritonavir als auch Nelfinavir als Teil einer Dreifachtherapie mit Abacavir (300 mg zweimal täglich) und Lamivudin (150 mg zweimal täglich) über 48 Wochen angewendet. Bei mit Proteasehemmern vorbehandelten Patienten nach virologischem Versagen (bis zu zwei Proteaseinhibitoren) konnte hingegen nicht gezeigt werden, dass Fosamprenavir/Ritonavir genauso wirksam war wie Lopinavir/Ritonavir. Für eine Empfehlung zur Anwendung von Fosamprenavir/Ritonavir bei stark vorbehandelten Patienten liegen daher keine ausreichenden Daten vor.
Steckbrief: Fosamprenavir
Handelsname/Hersteller: Telzir (GlaxoSmithKline, Bad Oldesloe) Einführungsdatum: 1. September 2004 Zusammensetzung: 1 Tablette enthält 700 mg Fosamprenavir als Fosamprenavir-Calcium (entsprechend etwa 600 mg Amprenavir). Sonstige Bestandteile: Tablettenkern: mikrokristalline Cellulose, Croscarmellose-Natrium, Povidon (K30), Magnesiumstearat, hochdisperses Siliciumdioxid. Tablettenfilmüberzug: Hypromellose, Titandioxid (E 171), Triacetin, Eisen(III)-oxid (E 172). Eine orale Suspension soll demnächst eingeführt werden. Packungsgrößen, Preise und PZN: 30 Filmtabletten, Euro 523,97, PZN 3130795. Kosten einer Tagentherapie: Euro 17,50. Stoffklasse: Antibiotika/Antiinfektiva; HIV-Proteasehemmer Indikation: Zusammen mit niedrig dosiertem Ritonavir zur Behandlung von mit HIV-1 infizierten Erwachsenen in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln. Dosierung: Für antiretroviral vorbehandelte und nicht vorbehandelte Patienten beträgt die empfohlene Dosierung 700 mg Fosamprenavir zusammen mit 100 mg Ritonavir zweimal täglich, in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln. Bei Überschreitung der oben beschriebenen empfohlenen Dosierungen von Fosamprenavir mit Ritonavir ist Vorsicht geboten. Gegenanzeigen: Schwere Leberfunktionsstörung. Fosamprenavir/ Ritonavir darf nicht gleichzeitig mit Arzneimitteln gegeben werden, die eine geringe therapeutische Breite besitzen und außerdem über die Cytochrom-P-450 Isoenzyme CYP3A4 oder CYP2D6 verstoffwechselt werden. Die gleichzeitige Verabreichung kann zu einer kompetitiven Hemmung der Verstoffwechselung dieser Produkte und so zu schwerwiegenden, lebensbedrohlichen Ereignissen führen. Fosamprenavir/Ritonavir darf nicht gleichzeitig mit Rifampicin angewendet werden. Pflanzliche Zubereitungen, die Johanniskraut (Hypericum perforatum) enthalten, dürfen während der Einnahme von Telzir® nicht angewendet werden. Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Schwindel; Diarrhö, weiche Stühle, Übelkeit, Erbrechen, Unterleibsschmerzen; Hautausschlag; Müdigkeit. Wechselwirkungen: Fosamprenavir darf nicht zusammen mit Arzneimitteln verabreicht werden, die eine geringe therapeutische Breite aufweisen und Substrate für CYP3A4 oder CYP2D6 sind. Aufgrund der Möglichkeit metabolischer Wechselwirkungen mit Fos-amprenavir kann die Wirksamkeit von hormonellen Kontrazeptiva reduziert sein. Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Fosamprenavir sollte bei Patienten mit bekannter Sulfonamidallergie mit Vorsicht angewendet werden. Fosamprenavir sollte mit Vorsicht bei Patienten mit leichter oder mittelschwerer Einschränkung der Leberfunktion angewendet werden und ist bei Patienten mit schwerer Lebererkrankung kontraindiziert. Hämophile Patienten sollten auf die Möglichkeit einer Zunahme von Blutungen aufmerksam gemacht werden. Die antiretrovirale Kombinationstherapie wurde mit Stoffwechselanomalien assoziiert, wie Hypertriglyzeridämie, Hypercholesterinämie, Insulinresistenz, Hyperglykämie und Hyperlaktatämie. Die antiretrovirale Kombinationstherapie wurde mit einer Fettumverteilung (Lipodystrophie) bei HIV-Patienten in Verbindung gebracht. Unter Proteasehemmern wurde eine CPK-Erhöhung, Myalgie, Myositis und in seltenen Fällen über eine Rhabdomyolyse berichtet, insbesondere im Zusammenhang mit Nukleosidanaloga.
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