Arzneimittel und Therapie

Gastrointestinale Stromatumoren: Benefit durch Dosiserhöhung von Imatinib?

Bis vor kurzem hatten Patienten mit einem gastrointestinalen Stromatumor eine denkbar schlechte Prognose, da sie nicht effektiv behandelt werden konnten. Mit der Einführung von Imatinib vor rund vier Jahren steht eine wirksame Therapie zur Verfügung. Aufgrund der erst kurzen Erfahrung mit dieser Substanz gibt es noch Fragen zu der optimalen Behandlungsdauer und zu der optimalen Dosis. Eine umfangreiche Studie untersucht, ob mit einer Dosisverdoppelung eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens erzielt werden kann.

Gastrointestinale Stromatumoren werden den Weichteilsarkomen zugeordnet. Sarkome bilden eine heterogene Gruppe bösartiger Tumoren, die etwa ein Prozent aller Malignome ausmachen. Ungefähr 10 bis 15% der Sarkome gehen vom Magen-Darm-Trakt aus und werden als gastrointestinale Stromatumore (GIST) bezeichnet. Sie treten sehr selten auf, ihre geschätzte Prävalenz liegt bei 15 bis 20 auf 1.000.000 Einwohner. Bei gastrointestinalen Stromatumoren finden sich Mutationen an einem Tyrosinkinase-Rezeptor (c-kit) und gelegentlich am PDGF-(platelet-derived growth factor)Rezeptor. Die Mutation am Tyrosinkinase-Rezeptor wird als aktivierende oder "gain of function" Mutation bezeichnet und verursacht eine kontinuierliche Aktivität der Tyrosinkinase. Diese Daueraktivierung führt wiederum zu unkontrollierter Zellproliferation.

Gezielte Therapie mit Imatinib

GIST sind schwierig zu therapieren, da sie nicht auf konventionelle Zytostatika und Radiotherapien ansprechen. Die einzige therapeutische Möglichkeit bestand früher in einer chirurgischen Entfernung der Geschwulst, was aber nur im nicht metastasierenden Stadium möglich ist. Mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Imatinib (Glivec®) kann erstmals eine gezielte Therapie durchgeführt werden. Imatinib hemmt verschiedene Tyrosinkinase-Aktivitäten, unter anderem die Aktivität von c-kit und des PDGF-Rezeptors. Aufgrund dieses Wirkmechanismus wird Imatinib seit einigen Jahren bei gastrointestinalen Stromatumoren eingesetzt; ein anderes Indikationsgebiet für Imatinib ist die chronisch myeloische Leukämie. Imatinib kann oral verabreicht werden, die übliche Dosis beträgt täglich 400 mg.

c-kit

CD117 oder c-kit ist das zelluläre Homolog des Onkogens v-kit, welches erstmals in einem Katzensarkomvirus nachgewiesen wurde (kit steht für kitten = Kätzchen). Das c-kit-Protoonkogen kodiert für eine Rezeptor-Tyrosinkinase und ist unter anderem auf Knochenmarkstammzellen, Mastzellen, Melanozyten, Keimzellen und Cajalzellen nachweisbar. Ferner findet sich CD117 auch auf Tumorzellen beim nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom, Melanomen und verschiedene Sarkomen. Entscheidend ist nicht der Nachweis von CD117, sondern eine aktivierende Mutation am Rezeptor, die zu einer kontinuierlichen Aktivität der Tyrosinkinase führt.

Quelle
Hohenberger P., et al.: Gastrointestinale Stromatumoren – Tumorentität und Therapie mit Imatinib. Dtsch Ärztebl 100, 1612 –1618 (2003)].

Größte Phase-III-Studie zu GIST

In der weltweit größten GIST-Studie wurde nun untersucht, ob sich eine Dosiserhöhung positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt. Für diese multizentrische Phase-III-Studie wurden randomisiert 946 Patienten mit einem gastrointestinalen Stromatumor ausgewählt. Die eine Hälfte der Patienten erhielt täglich 400 mg Imatinib, die andere Hälfte zweimal täglich. Kam es bei den Patienten der 400-mg-Gruppe zu einem Progress, wurde ihnen ein Wechsel in die 800-mg-Gruppe angeboten. Der primäre Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben.

Nach einer mittleren Beobachtungszeit von 760 Tagen hatten 56% der 400-mg-Gruppe und 50% der 800-mg-Gruppe einen Progress erlitten. Unerwünschte Wirkungen traten bei fast allen Patienten auf, waren aber insgesamt moderat. Patienten der 800-mg-Gruppe unterbrachen häufiger die Therapie oder reduzierten die Dosis als Probanden der 400-mg-Gruppe. Im Hinblick auf die Remissionskriterien war zwischen den beiden Gruppen kein statistisch signifikanter Unterschied feststellbar (siehe Tabelle).

Tab. 1: Remission in den Imatinib-Gruppen

 einmal tägl. 400 mg Imatinibzweimal tägl. 400 mg Imatinib
komplette Remission24 (5%)28 (6%)
partielle Remission213 (45%)229 (48%)
no change150 (32%)150 (32%)
Progression61 (13%)42 (9%)
nicht einschätzbar 25 (5%)24 (5%)

Fazit: Für einen therapeutischen Erfolg reichen 400 mg Imatinib pro Tag aus. Durch die Verdoppelung der Dosis kann ein längeres progressionsfreies Überleben erzielt werden.

Tyrosinkinase-Inhibitor

Imatinib ist eine oral anwendbares Phenylaminopyrimidin-Derivat. Es hemmt kompetitiv die ATP-Bindungsstelle spezifischer Tyrosinkinasen wie c-kit, PDGF-Rezeptor, Abl und Bcr-Abl. Aufgrund der pathogenetischen Bedeutung der Bcr-Abl-Translokation für die Entstehung der chronisch myeloischen Leukämie wurde Imatinib zuerst bei dieser Erkrankung eingesetzt; kurze Zeit später erfolgte die Zulassungserweiterung zur Therapie gastrointestinaler Stromatumore.

Quelle
Hohenberger P., et al.: Gastrointestinale Stromatumoren – Tumorentität und Therapie mit Imatinib. Dtsch Ärztebl 100, 1612 – 1618 (2003).

Dr. Petra Jungmayr, Esslingen

Quelle 
Verweij, J., et al.: Progression-free survival in gastrointestinal stromal tumours with high-dose imatinib: randomised trial. 
Lancet 364, 1127 – 1134 (2004). 
Kitamura, Y., et al.: Pushing the Imatinib envelope. Lancet 364, 1101 – 1102 (2004). 

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