Analyse

Arzt und Apotheker – vertrauensvolle Partner oder feindliche Brüder?

Von E. Mutschler | Die Hoffnung, dass infolge der gesundheitspolitischen Veränderungen – nicht zuletzt bedingt durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) – die beiden Gesundheitsberufe Arzt und Apotheker näher zusammenrücken, erschien nicht unbegründet. Doch hat sie sich leider nicht erfüllt. Eher ist, wenn man verschiedenen Publikationen aus letzter Zeit glaubt oder sich persönlich mit Kolleginnen und Kollegen beider Berufsgruppen unterhält, das Gegenteil der Fall. Misstrauen, teilweise sogar Feindseligkeit im Umgang miteinander ist nichts Außergewöhnliches. Das ist in hohem Maße bedauerlich und letztendlich zum Schaden beider Berufe sowie darüber hinaus auch der Patienten. Eine nüchterne Analyse, wie es dazu kam, sowie der Versuch, Wege zu einem gedeihlichen Miteinander aufzuzeigen, erscheint daher wichtig und lohnenswert.
Vor ungewohnter Kulisse hielt Professor Mutschler im Juli diesen Jahres in Aigen, Österreich, den hier abgedruckten Vortrag.

Anamnese

1241 erfolgte die formale Trennung des Arzt- und Apothekerberufes durch die Medizinalparagraphen in den Constitutiones Friedrichs II. von Hohenstaufen. Rudolf Schmitz schreibt hierzu in seinem Buch "Geschichte der Pharmazie":

"Allgemein wird der Beginn der abendländischen Pharmazie in das 13. Jahrhundert und damit ins Hohe Mittelalter datiert. Für die Umsetzung der Idee "Pharmazie" in eine autonome wissenschaftliche Fachdisziplin, die zu ihrer Verifizierung im Alltag einen selbstständigen Beruf benötigte, dürften im wesentlichen drei Dinge verantwortlich sein: Zum einen die Kenntnis und die Rezeption des in die Sprache des Abendlandes rückübersetzten antik-arabischen Wissens über die Natur sowie die Rolle der Medizin und des in sie integrierten Heil- bzw. Arzneimittels, zum zweiten die Existenz von Lehr- und Arbeitsstätten, an denen dieses Wissen gepflegt und verbreitet werden konnte. Und drittens war eine organisatorisch akzeptable Form für die Bereithaltung des Produkts Arzneimittel und dessen Verteilung an die Bevölkerung unabdingbar".

Unstrittig war die Trennung in zwei Medizinalberufe und die damit verbundene Aufgabenteilung, d.h. Diagnose und Therapie auf der einen sowie Herstellung und Abgabe von Arzneimitteln auf der anderen Seite, ein sinn- und zugleich wertvoller, wenngleich oft nicht konfliktfreier Schritt. Von Anfang an entwickelte sich – bewusst oder verdrängt – ein gewisses Minderwertigkeitsgefühl des Apothekers dem Arzt gegenüber, sei es wegen der über lange Zeit nicht gleichrangigen Ausbildung, sei es wegen der Abhängigkeit des Apothekers von der ärztlichen Verordnung, dem Rezept.

Immerhin, die Rolle des Apothekers als Arzneimittelhersteller war über Jahrhunderte hinweg unbestritten und anerkannt. In dem zunächst weitgehend handwerklich geprägten und erst ab dem 20. Jahrhundert auch wissenschaftlich orientierten Beruf mischte sich tradiertes Wissen mit dem der jeweiligen Zeit entsprechenden Kenntnisstand über den verfügbaren Arzneischatz. Dies änderte sich jedoch entscheidend mit dem Beginn der industriellen Arzneimittelproduktion und Arzneimittelforschung am Ende des 19. Jahrhunderts.

Mit der immer stärkeren Übernahme der Arzneimittelherstellung durch die pharmazeutische Industrie nahm zwangsläufig und stetig die Bedeutung des Apothekers für die Anfertigung und Prüfung von Arzneimitteln in der Offizin ab, eine Entwicklung, die weite Kreise der Apothekerschaft, auch in den Universitäten, lange – um nicht zu sagen zu lange – nicht wahrhaben wollten. Zahlreiche Lehrinhalte blieben den traditionellen Vorstellungen verhaftet, der geänderten beruflichen Situation wurde nicht oder nicht rasch genug Rechnung getragen.

Die Folge war ein zunehmendes Auseinanderklaffen zwischen den Zielen der Ausbildung und den Erfordernissen im Berufsalltag, wachsende Unzufriedenheit bei den Berufsanfängern infolge der Diskrepanz zwischen beruflicher Erwartung und Berufswirklichkeit sowie wegen der unzureichenden Kommunikationsfähigkeit mit dem Arzt und schlussendlich, durch diese Faktoren bedingt, eine nur teilweise Identifikation mit dem gewählten Beruf.

Außerdem wurde in den 30er und 40er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts versäumt, die sowohl theoretisch als auch praktisch gute analytische Ausbildung des Pharmazeuten im Bereich der klinischen Chemie nutzbringend einzusetzen – nutzbringend sowohl im wissenschaftlichen als auch im finanziellen Sinn. Der Apotheker wäre prädestiniert gewesen, die klinisch-chemische Analytik als Partner des Arztes kompetent durchzuführen, es hätte nicht sein müssen, wie das französische Beispiel zeigt, dass dieses Gebiet von den Medizinern gänzlich okkupiert wurde und jetzt, wenn überhaupt, kaum und nur im offenen oder zumindest heimlichen Konflikt mit den Ärzten wiederzugewinnen ist.

Naturgemäß blieb das veränderte Berufsbild auch der Standesführung der Apotheker nicht verborgen. Dementsprechend setzte bald nach dem zweiten Weltkrieg eine intensive Diskussion hierüber ein. Das Ergebnis dieser Diskussion erschien und erscheint einleuchtend: Der Apotheker ist nicht mehr in erster Linie Arzneimittelhersteller und -prüfer, sondern er ist der Arzneimittelfachmann, das heißt, derjenige, der über Arzneimittel umfassend Bescheid weiß.

Soweit, so gut. Sofern die Voraussetzungen hierfür gestimmt hätten. Denn weil man es versäumt hatte, die Aus-, Fort- und Weiterbildung den neuen Gegebenheiten, der neuen Berufswirklichkeit, anzupassen, war der Claim "Arzneimittelfachmann" bestenfalls teilweise substantiiert.

Wer an die eigene pharmazeutische Ausbildung in den 50er Jahren des letzen Jahrhunderts zurückdenkt, der wird zugeben müssen, dass er am Ende dieser Ausbildung mit Sicherheit kein Arzneimittelfachmann war. Zwar hatte er gelernt, wie man Sulfat gravimetrisch bestimmt oder Säuren und Laugen titriert, Morphin synthetisiert, Drüsenhaare erkennt oder Salicylvaseline herstellt, von der Pathogenese und einer darauf begründeten rationalen Pharmakotherapie einer Herzinsuffizienz hatte er dagegen nichts gehört. Zugegeben, seitdem hat sich viel, ja Entscheidendes verändert, doch klafft noch immer – entsprechende Untersuchungen belegen dies – bei nicht unerheblichen Teilen der Apothekerschaft hinsichtlich des Begriffs "Arzneimittelfachmann" eine Lücke zwischen Anspruch und Realität.

Auch bei der Ärzteschaft vollzog sich ein Wechsel des Berufsbildes und der daraus sich ergebenden Anforderungen, wie man ihn größer sich kaum vorstellen kann. Die um 1900 hinter vorgehaltener Hand übliche Definition der "Inneren Medizin" als "Lehre von den unheilbaren Krankheiten" mag dies schlaglichtartig beleuchten. Sowohl auf diagnostischem als auch auf therapeutischem Gebiet eröffneten sich in den letzten hundert Jahren grundlegend neue Möglichkeiten, die jedoch zwangsläufig auch zu immer stärkerer Spezialisierung mit den daraus sich ergebenden Konsequenzen geführt haben. So gibt es kaum noch einen Internisten oder Chirurgen, der sein gesamtes Fachgebiet beherrscht, der Kardiologe verfügt, sofern er selbstkritisch ist, nur noch über ein Basiswissen im Bereich der Gastroenterologie, der Herzchirurg wird allenfalls in einem Notfall eine Kolektomie durchführen.

Was für die verschiedenen medizinischen Fachgebiete gilt, nämlich dass man nur noch in Teilbereichen voll kompetent ist, trifft auch für das pharmakologische Wissen zu. Dieses wird, selbst was das Basiswissen anbetrifft, unter den Gegebenheiten des derzeitigen Curriculums dem Medizinstudenten noch immer nicht in ausreichendem Maße vermittelt, auch ist insbesondere die allgemeine Pharmakologie nicht entsprechend klinikorientiert, was oft dazu führt, dass die pharmakologischen Vorlesungen schlecht bis sehr schlecht besucht werden. Während der Assistententätigkeit bzw. auch während der Facharztausbildung werden zwar die diagnostischen und operativen Methoden intensiv vermittelt, bezüglich der Pharmakotherapie ist dagegen meist Autodidaktik erforderlich. Hieraus ergeben sich für den Pharmazeuten Chancen.

Beide Medizinalberufe haben somit in den letzten Jahrzehnten entscheidende Wandlungen durchgemacht. Noch stärker als bei den Ärzten hat sich bei den Apothekern das Berufsbild gewandelt. Die Frage, die sich nunmehr stellt, ist die, wie sich dieser Wandel auf das Verhältnis zwischen Arzt und Apotheker ausgewirkt hat und wie dieses sich heute darstellt.

Diagnose

Eine Diagnose setzt zwingend diagnostische Verfahren voraus. Nun gibt es leider bei dem Versuch, eine korrekte Diagnose des Verhältnisses zwischen Arzt und Apotheker zu stellen, weder Sonographie noch Computer- oder Kernspintomographie. Was zur Verfügung steht, ist nur die Analyse publizierter Daten sowie das Einbringen eigener Erfahrungen und Erlebnisse. Wichtig erscheint ferner die Vorbemerkung, dass es notwendig ist, zwischen persönlichem und generellem Arzt-Apotheker-Verhältnis zu unterscheiden.

Auf der persönlichen Ebene gibt es unstrittig viele gute Arzt-Apotheker-Beziehungen bis hin zu echten Freundschaften, wie sie nicht zuletzt in ländlichen Gebieten anzutreffen sind. Anders dagegen sieht es bei einer allgemeinen Betrachtung aus. Liest man z. B. die "Medical Tribune" oder die "Ärztezeitung" und parallel dazu die "Deutsche Apotheker Zeitung" oder die "Pharmazeutische Zeitung", dann stößt man in mehr oder weniger großen Abständen auf wenig erfreuliche Artikel oder Leserbriefe.

So konnte man 2003 in der Medical Tribune unter der Überschrift "Apotheker pfuschen mir ins Handwerk" lesen: "Ist Ihr Apotheker auch lebensgefährlich, hat Ihnen der Apotheker auch schon einmal die Therapie versaut", und in der Ärztezeitung stand vor kurzem Folgendes im Leserbrief eines Facharztes für Allgemeinmedizin: "Man bedenke nur einmal, dass ein Apotheker an einer Hepatitis-B-Impfung ca. 14 Euro verdient, ohne auch nur ein Körnchen Verantwortung für die Impfung tragen zu müssen, nur weil er den Impfstoff bestellt und weiterreicht."

Umgekehrt wird von Apothekerseite über von Arzthelferinnen oder vom Arzt selbst falsch ausgestellte Rezepte sowie von Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen berichtet oder die Abrechnung nicht erbrachter ärztlicher Leistungen angeprangert, das ärztlich Ethos sei, so wird moniert, weitgehend verloren gegangen, der Arzt von der Pharmaindustrie umgarnt, Zweiklassenmedizin fast schon die Regel. Bei Fortbildungsveranstaltungen oder bei Stammtischgesprächen wird nicht selten über den jeweils anderen Berufstand negativ geurteilt.

Generell betrachtet ist das Arzt-Apotheker-Verhältnis somit im Jahr 2004, wie schon eingangs beschrieben, nicht (sehr) gut. Oder sollte man ehrlicherweise sagen "eher schlecht?" Also doch mehr feindliche Brüder als vertrauensvolle Partner? Es stellt sich die Frage nach den Gründen für diese negative Situation. Sicher dient es nicht der Verbesserung der Beziehung zwischen den beiden Berufsgruppen, wenn von Seiten der Apothekerschaft öffentlich erklärt wird, dass der einzige, der wirklich etwas vom Arzneimittel versteht, der Apotheker ist. Auch hat der aus Apothekersicht verständliche, aber letztlich doch leidige Streit um die Ärztemuster sich ebenfalls negativ auf das Zusammenleben der beiden Berufsgruppen ausgewirkt. Auch war die Aut-Idem-Debatte alles andere als klimaverbessernd.

Die Vorstellung, dass das Selbstwertgefühl des Apothekers durch eine neue Aut-Idem-Regelung gestärkt und seine Kompetenz damit zum Ausdruck gebracht werden könne, war zumindest problematisch; auch war von vorneherein klar, dass man einen durch "aut idem" ausgelösten Zweifrontenkrieg mit der Ärzteschaft und der Pharmaindustrie nicht würde gewinnen können. Besser wäre gewesen, man hätte sich auf örtlicher Ebene mit den Ärzten in Verbindung gesetzt und ihnen Hilfe bei der Auswahl der Generika angeboten.

"Wir Apotheker können Ihnen, Herr Doktor, sagen, welche Generika einerseits mit dem Innovatorpräparat bioäquivalent und andererseits gleichzeitig preiswert sind, wir stellen Ihnen gerne eine entsprechende Liste zur Verfügung, aus der Sie das Ihnen am geeignetsten erscheinende Präparat dann auswählen können". Mit einer solchen Vorgehensweise hätte sich pharmazeutisches Wissen, ohne Kotau und ohne den Arzt zu verprellen, problemlos dokumentieren lassen. Doch kam es so ja nicht. Was sich im Verlauf dieser Diskussion tatsächlich abspielte, war nichts anderes als eine gegenseitige Schlammschlacht.

Ein weiterer Grund für ein gestörtes Arzt-Apotheker-Verhältnis – hier gilt es ein heißes Eisen anfassen – sind die Apothekenschaufenster, zumindest die meisten von ihnen. Geht man beispielsweise durch Mainz oder Frankfurt und betrachtet in den Apotheken die Auslagen, dann erhebt sich die Frage, wo der Arzneimittelfachmann "Apotheker" geblieben ist. Maria-Treben-Tees, Kräuterblut oder Impulshomöopathika eignen sich wenig dazu, bei Ärzten, zumindest bei denen, die keinen Außenseitermethoden anhängen, Sympathien für Apotheken zu wecken.

Wo sieht man in den Aushängeschildern der Apotheken für den Patienten wirklich nützliche Informationen, z. B. verständliche Erklärungen über die Wirkweise von Arzneimitteln, über Arzneimittelwechselwirkungen mit Lebens- oder Genussmitteln, wo werden wichtige Etappen der Arzneimittelforschung, die unser Leben entscheidend veränderten, z. B. die Entdeckung des Diphtherieserums, des Penicillins oder des Cortisons, dargestellt?

Wendet man sich nach diesen kritischen Anmerkungen zum Verhalten der Apotheker nun dem der Ärzte zu, so stellt deren oftmals spürbare Überheblichkeit ein wesentliches Problem im Verhältnis Arzt-Apotheker dar: "Wir Ärzte sind es, die Bescheid wissen, wir brauchen keine Besserwisser neben uns." Viele Mediziner haben darüber hinaus keine Vorstellung davon, was ein Pharmazeut zu leisten hat und, wenn er seinen Beruf ernst nimmt, zu leisten vermag. "Akademische Schubladenzieher, viel mehr doch wohl nicht", so kann man nicht selten hören.

Und dann: "Wie kommen die eigentlich dazu, diagnostische Untersuchungen durchzuführen, was soll eine Blutdruckmessung in der Apotheke, eine Cholesterinbestimmung oder gar eine Knochendichtemessung? Offensichtlich haben die Apotheker auf ihrem eigenen Feld nicht mehr genug zu tun, deshalb versuchen sie, in fremden Gefilden zu grasen und zu wildern".

Über eine solche Argumentation kann, ja muss man sich wundern. Wird nämlich in einer Apotheke ein erhöhter Blutdruck oder eine Hyperlipidämie erkannt, dann hat das zwingend zur Folge, dass dem Patienten ein Arztbesuch nachdrücklich empfohlen wird. Kein einziger Patient geht dem Arzt somit durch die Untersuchungen in den Apotheken verloren, das Gegenteil ist der Fall. Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass in Deutschland noch immer ein Drittel der Hypertoniker nicht diagnostiziert ist, Hochdruckmessungen in der Apotheke somit wesentlich dazu beitragen können, diesen nicht akzeptablen Zustand zu verbessern. Ähnliches gilt für Patienten mit einer Fettstoffwechselstörung.

Speziell in Österreich und in der Schweiz ist ein weiterer wesentlicher Streitpunkt, der das Arzt-Apotheker-Verhältnis belastet, die Möglichkeit zur Selbstdispensation bei einem Teil der Ärzteschaft. Gerade in letzter Zeit sind hierüber in der Schweiz die Spannungen eskaliert, die Erbitterung der Schweizer Apotheker über das Verhalten der Ärzte ist verständlich. Leider ist eine Umkehr zum Besseren zumindest momentan nicht in Sicht.

Im Rahmen dieser Überlegungen soll noch ein weiterer Gesichtspunkt angeschnitten werden: Es wurde schon erwähnt, dass die pharmakologische Aus- und Weiterbildung der Mediziner den Erfordernissen nur bedingt entspricht und daher die praktizierte Pharmakotherapie zumindest teilweise nicht als optimal bezeichnet werden kann.

So verordnete beispielsweise 2003 ein Arzt mit einer großen Praxis in Rheinland-Pfalz, d.h. mit mehr als 1500 Scheinen, in einem gesamten Quartal keinen ACE-Hemmer, keinen Angiotensinrezeptor-Antagonisten und kein Statin. Ein anderer verschrieb dagegen sämtliche in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Markt befindliche Statinpräparate in Abhängigkeit von der Zeit. Eine Zuordnung der Verschreibungen zum entsprechenden Pharmareferentenbesuch ist wohl nicht von der Hand zu weisen.

Ein weiteres Beispiel: In einem Telefonat berichtete eine Patientin, dass sie, obwohl unter asthmoiden Beschwerden leidend, das Präparat Metoprolol 50-ratiopharm® verordnet bekommen und dieses nicht gut vertragen habe. Beim nächsten Arztbesuch hätte ihr dann die Ärztin anstelle von Metoprolol 50-ratiopharm® Azumetop® 50 verschrieben. Dem Beipackzettel hätte sie nun aber entnommen, dass dieses wie das erste Präparat Metoprolol-hemihydrat als Wirkstoff enthalte, und sie möchte nun fragen, was sie denn machen solle. Zugegeben, hierbei handelt es sich um Extrembeispiele, die gewiss nicht verallgemeinert werden dürfen, doch zeigen sie immerhin ein Problem bei der Arzneimittelverordnung auf.

Therapie

Diagnose ist wichtig und die Voraussetzung für therapeutische Maßnahmen. Sofern die bisherigen diagnostischen Aussagen zutreffen, was lässt sich unter therapeutischen Gesichtspunkten daraus ableiten? Eine nachhaltige positive Änderung im Arzt-Apotheker-Verhältnis allgemein wäre, ja ist durchaus möglich, jedoch nur dann realisierbar, wenn der Apotheker in Vorleistung tritt. Diese Vorleistung hat bereits bei der pharmazeutischen Ausbildung anzufangen. Es wäre dringend erforderlich, dass die pharmazeutischen Hochschullehrer im Interesse einer verbesserten Ausbildung die Egoismen der einzelnen Pharmafächer zurückstellen und die Pharmazie als Ganzes in den Mittelpunkt rücken.

Der angehende Pharmazeut hat nichts von der Diskussion um ein mehr naturwissenschaftlich- oder ein stärker medizin-orientiertes Studium, was er braucht, ist eine genuine pharmazeutisch-wissenschaftliche Ausbildung. Worauf es bei einer den heutigen Erfordernissen Rechnung tragenden und zugleich zukunftsorientierten Ausbildung ankommt, ist die Vermittlung pharmazeutisch relevanter Fakten schon bei der Erlernung des Grundlagenwissens, das Hervorheben des "typisch Pharmazeutischen" von Anfang an.

Gleichzeitig ist es unabdingbar, Ballast abzuwerfen, Studienpläne zu entrümpeln, um den neuen Erkenntnissen, den neuen Entwicklungen, den neuen Anforderungen Platz zu verschaffen. Das eigenständige, unverwechselbare pharmazeutische Berufsbild ist zu definieren und mit Leben zu erfüllen, was nicht mehr und nicht weniger bedeutet, als dem, wie erwähnt, zunächst nur selbst erhobenen Anspruch, der kompetente Arzneimittelfachmann zu sein, im umfassenden Sinn gerecht zu werden. Ein so ausgebildeter Pharmazeut wird dann auch problemlos als gleichrangiger Gesprächspartner mit dem Arzt in Kontakt treten können.

Ebenso wichtig oder vielleicht sogar noch wichtiger ist darüber hinaus die Vorleistung im Bereich der Offizinpharmazie. Leider war das Bemühen vergeblich, die Bundesapothekerkammer davon zu überzeugen, allen Apotheken zu jedem neuen Arzneimittel ein von einem unabhängigen, hochkarätig besetzten wissenschaftlichen Beirat verfasstes Statement zur Verteilung an die Ärzte zur Verfügung zu stellen.

Ein solches Vorgehen hätte mehrere positive Aspekte in sich vereinigt: Erstens hätten sich die in der Praxis tätigen Kolleginnen und Kollegen mit diesen Statements beschäftigen müssen, da sie nur so auf eventuelle Fragen ihrer Ärzte hätten antworten können – das hätte intensive Fortbildung bedeutet –, zum zweiten hätten die Ärzte etwas vom Arzneimittelfachmann Apotheker erfahren und der partnerschaftlichen Diskussion wäre der Weg geebnet gewesen, und schließlich drittens – nicht weniger wichtig – hätte der Stellenwert des Apothekers bei der Pharmaindustrie schlagartig zugenommen.

Dass ein solches Vorhaben keine Utopie sein muss, haben die Krankenhausapotheker – zwar nicht alle, aber doch viele – vorgemacht. Dazu ein Beispiel: Kurz nach der Promotion begann ein Kollege seine Tätigkeit als Krankenhausapotheker in einer großen städtischen Klinik. Schon bald darauf verfasste er im Einvernehmen mit seinem Chef für die Klinikärzte einen klinikinternen Arzneimittelbrief, der alle wesentlichen Informationen über Neuentwicklungen auf dem Arzneimittelsektor enthielt. Der Erfolg war zunächst eher bescheiden, ein großer Teil der Ärzte warf das Schreiben ungelesen in den Papierkorb.

"Was kann so ein junger Apotheker uns schon sagen", war zunächst die häufigste Reaktion. Doch bald änderte sich das Bild: "Interessant, nützlich die Informationen aus der Krankenhausapotheke, so etwas hat gefehlt". Als wenige Jahre später der Chef der Klinikapotheke plötzlich verstarb, wurde der immer noch junge Nachwuchsapotheker einstimmig zum neuen Chefapotheker gewählt, und bei seiner Einführung sagte der ärztliche Direktor der Klinik wörtlich: "Hiermit nehme ich Sie in die Gruppe der Chefärzte auf."

Das A und O, die unabdingbare Basis für ein verbessertes Arzt-Apotheker-Verhältnis, für die Akzeptanz des Apothekers als gleichrangigem Partner, ist somit die ständige Vertiefung des pharmazeutischen Wissens, die Erlangung und vor allem auch die Aufrechterhaltung der erforderlichen fachlichen Kompetenz. Der durch die Apotheke erbrachte Mehrwert muss für Arzt und Patient sowohl erkenn- als auch nachvollziehbar sein, Pharmaceutical Care darf kein Schlagwort sein, sondern muss mit Leben erfüllt werden, neutrale Arzneimittelinformation durch den Apotheker für den Arzt ist ebenso zu gewährleisten wie die korrekte Beratung des Patienten in sämtlichen Arzneimittelfragen.

Weiterhin sollten die Bemühungen um gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen und Seminare von Ärzten und Apothekern verstärkt werden, Apotheker sollten ferner versuchen, an ärztlichen Qualitätszirkeln, bei denen es um Arzneimittel geht, teilzunehmen. Dass dies möglich ist, wurde z. B. in Frankfurt mehrfach gezeigt. Einen in jeder Hinsicht positiven Beitrag könnte auch die gemeinschaftliche Mitarbeit von Ärzten und Apothekern bei Selbsthilfegruppen leisten.

Von den Ärzten ist zu erhoffen, dass sie erkennen, welchen Nutzen eine zuverlässige neutrale Arzneimittelinformation durch den Apotheker für sie haben könnte, wenn wie besprochen, die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Nach Anfertigung eines Röntgenbildes entscheidet zwar der behandelnde Arzt, welche therapeutische Maßnahmen zu treffen sind, doch wird bei dieser Entscheidung die Information durch den Röntgenologen, dessen Interpretation des Röntgenbildes, eine entscheidende Rolle spielen.

Ist die Vorstellung, dass zukünftig die von einem Pharmazeuten eingeholte Information über die Möglichkeiten einer wirksamen und zugleich kostengünstigen Pharmakotherapie bei einem bestimmten Patienten den Arzt in seiner Entscheidung beeinflusst, unrealistisch? Am Ende dieses Teils noch eine kurze Anmerkung: Es wäre in hohem Maße wünschenswert, wenn beide Berufsgruppen Matthäus 7, Vers 3 bedenken würden: "Was siehest du aber den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?"

Prognose

Die Prognose, wie es vermutlich im Arzt-Apotheker-Verhältnis weitergehen wird, ist – wie andere Prognosen auch – naturgemäß schwierig. Vieles wird, zumindest in der Bundesrepublik Deutschland, davon abhängen, wie sich zukünftig die im Rahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes getroffenen Maßnahmen, die sowohl Ärzte als auch Apotheker, wenngleich unterschiedlich, betreffen, weiter auswirken.

Ein Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesapothekerkammer schrieb dazu zum Jahreswechsel 2003/2004: "Die immer stärkere Kommerzialisierung unseres Berufes, der Umstand, dass für das Handeln als Heilberufler kaum noch Spielraum bleibt und – schlimmer noch – dass diese Funktion und Aufgabe nicht wahrgenommen wird, weder von Seiten der Verantwortlichen noch von Seiten der Patienten, diese Entwicklung lässt mich mit großer Sorge in die Zukunft sehen. Der Berufsalltag ist dominiert von den pekuniären Aspekten, von Boni und Einkaufsvorteilen, von einem immer kafkaeskere Züge annehmenden vertraglichen Regelwerk der Kostenträger und von Auswüchsen der zugehörigen Kontroll-Bürokratie.

Auch an den Hochschulen waltet der gleiche blinde Dirigismus, die Erwartung, dass man Missstände durch Streichen und Reformen durch Sparen ersetzen könne. Es wird zur Schließung kleinerer Institute wie etwa in Hamburg sowie mit der Umwidmung pharmazeutischer Hochschulstandorte in Biotechnologie-Einrichtungen wie in Heidelberg kommen. Letztlich wird damit der Boden dafür bereitet, die universitäre Ausbildung insgesamt und damit den akademischen Stellenwert des Apothekerberufes zu demontieren".

Selbst wenn man die kommende Entwicklung im Apothekenbereich nicht ganz so pessimistisch beurteilt, so wird man doch nicht umhin können, zu befürchten, dass die wirtschaftlichen Zwänge zu einer verstärkten Hinwendung auf das Kaufmännische und nicht zu einer intensiveren Beschäftigung mit den wissenschaftlichen Grundlagen des Arzneimittels führen werden. Sollte diese Befürchtung eintreten, wäre das für das Arzt-Apotheker-Verhältnis äußerst schädlich.

Es bleibt jedoch die Hoffnung und die Erwartung, dass die weitaus überwiegende Zahl der Kolleginnen und Kollegen schon erkannt hat oder spätestens jetzt erkennt, dass der Apotheker als Mitglied eines Heilberufes, als Akademiker, mittel- und langfristig nur dann eine echte Überlebenschance hat, wenn er seine Funktion als Arzneimittelfachmann, d.h. als kompetenter Informant des Arztes und als zuverlässiger Berater des Patienten, erfüllt.

Außerdem ist bei der heranwachsenden Generation von Ärzten und Apothekern vieles entkrampfter als bei den Älteren, es existieren weniger Berührungsängste und Vorurteile, kurzum, man geht kollegialer miteinander um. Auch das macht Hoffnung.

Letztendlich wird es aber darauf ankommen, dass jeder Einzelne, jede einzelne Ärztin und Apothekerin, jeder einzelne Arzt und Apotheker, etwas zur Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen beiträgt, dass erkannt wird, wie wichtig es im Interesse der Patienten ist, zusammen zu arbeiten. Arzt und Apotheker sitzen in einem Boot, und wenn sie mit diesem Boot vorankommen wollen, müssen sie in dieselbe Richtung rudern. Dies gilt besonders bei rauer See, oder anders ausgedrückt, speziell unter den derzeitigen politischen Verhältnissen. Die Standesführungen beider Berufsgruppen sind ständig aufzufordern, mehr als bisher aufeinander zuzugehen, jede/jeder sollte sich der Tatsache bewusst werden, dass beide Berufe eine gemeinsame Wurzel sowie eine gemeinsame Aufgabe haben: Salus aegroti suprema lex.

 

Vortrag anlässlich der Sommerschule 2004 in Aigen, Österreich, vor 100 Studierenden der Pharmazie und Humanmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt. Nachdruck aus Pharm. Unserer Zeit 33 (6), 509 – 514 (2004).

 

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