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- DAZ 48/2004
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Aus Kammern und Verbänden
50 Jahre Hamburger Apothekerverein
Der Hamburger Apothekerverein heute
Nach Einschätzung von Dietrich Wersich, CDU, Staatsrat in der Hamburger Behörde für Wissenschaft und Gesundheit, braucht die Gesellschaft privatwirtschaftlich und unabhängig handelnde Apotheker; dies habe sich in Deutschland bewährt. Da die selbstständigen Apotheker für die Arzneimittelsicherheit sorgen und gleichzeitig ein Unternehmen leiten, sei es für sie nötig, sich einer starken Gemeinschaft wie dem Apothekerverein anzuschließen. An der Arbeit des Hamburger Vereins hob Wersich besonders die Erfolge in wettbewerbsrechtlichen Verfahren gegen solche Marktteilnehmer hervor, die gegen das Recht verstoßen. Doch gehe es auch um politische Ziele. Denn die Gesundheitsbehörde sei darauf angewiesen, auf die Auswirkungen geplanter politischer Regelungen hingewiesen zu werden. Wenn der Hamburger Einfluss auf Bundesebene auch begrenzt sei, wolle sich Hamburg bemühen, solche fachlichen Hinweise zu beachten.
Hermann Stefan Keller, Vorsitzender des Apothekerverbandes Rheinland-Pfalz und des Deutschen Apothekerverbandes, überbrachte die Grüße der Dachorganisation und bedankte sich für die konstruktive und kooperative Zusammenarbeit auf Bundesebene. Keller machte auf zahlreiche Parallelen zwischen den Apothekervereinen in Hamburg und Rheinland-Pfalz aufmerksam, insbesondere hinsichtlich der Kontinuität. In beiden Ländern werde in diesem Jahr das 50. Jahr des Bestehens gefeiert, in beiden Ländern seien die Vorsitzenden 20 Jahre im Amt, und beide Vereine hätten sich in der Vergangenheit für die Einigkeit und Geschlossenheit innerhalb des Berufsstandes eingesetzt.
Für Rainer Töbing, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, kann die Arzneimittelversorgung nur funktionieren, wenn die Apotheken durch die Tätigkeit des Vereins wirtschaftlich und vertraglich abgesichert werden und die Kammer für die qualitativ einwandfreie Berufsausübung sorgt. Daher sei es folgerichtig, wenn Verband und Kammer ihr gemeinsames Ziel in engem Schulterschluss verfolgen und die ABDA auf Bundesebene für den nötigen Interessensausgleich sorgt. Wie in der Musik sei eine gemeinsame Partitur nützlich, auch wenn Variationen über ein Thema interessant und bereichernd sein könnten. Darüber hinaus müssten die Apotheker als kleiner Berufsstand mittelfristig auch länderübergreifend verstärkt miteinander kooperieren.
Dr. Gerhard Behnsen, langjähriger erster und heutiger stellvertretender Vorsitzender des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, erinnerte an den großen Einsatz des Hamburger Apothekervereins nach der Wende. Diese Kontakte hätten die Apotheker aus Mecklenburg-Vorpommern sehr bewegt, daraus seien viele Freundschaften entstanden. In der Zeit des Umbruchs und der Privatisierung sei das taktische Geschick des Hamburger Vereinsvorsitzenden Dr. Jörn Graue voll zum Tragen gekommen.
Besonderen Dank richtete er an die langjährige stellvertretende Vorsitzende des Hamburger Apothekervereins, Traute Köhler, die die Kollegen im Osten ermutigt und ihnen Perspektiven aufgezeigt habe. Doch wenn die derzeitige politische Entwicklung so weiterginge, müssten die Apotheker aus dem Osten bald ihre Erfahrungen mit Polikliniken, Ärztenetzen und einem staatlichen Gesundheitswesen an die Kollegen im Westen weitergeben.
Geschichte der Hamburger Apothekervereine
Im Programm der Veranstaltung hatte Dr. Jörn Graue die Tagespolitik bewusst ausgespart. Stattdessen sollten die gemeinsame Feier und der Rückblick auf historische Ereignisse im Mittelpunkt stehen. Denn Jahreszahlen würden helfen, die Geschichte und damit sich selbst zu verstehen. Jede berufspolitische Kultur brauche eine Vorgeschichte, die sie stützt und legitimiert. Die Geschichte der Hamburger Apothekervereine solle daher im Zusammenhang begriffen werden, um daraus die heutige Identität zu begründen. Zudem sei die Bildung von Vereinen stets abhängig von den politischen Gegebenheiten gewesen.
Daher stellte Graue die Geschichte des Vereins ausführlich dar und ging dabei insbesondere auf die Vorläufer des heutigen Vereins ein, die sich bis in das Jahr 1816 zurückverfolgen lassen (Tab. 1). Damals entstand aus einer kleinen Zahl von Privatzusammenschlüssen eine "Genossenschaft zum Ankauf überzähliger Apotheken". Dies sollte den damaligen "Wildwuchs" Hamburger Apotheken eindämmen und den verbleibenden Apotheken die Existenzgrundlage sichern.
Es folgten weitere Vereine, bis 1843 der Hamburg-Altonaer Apothekerverein entstand, der sich auch damit befasste, wissenschaftliche Entwicklungen für die praktische Pharmazie nutzbar zu machen. 1899 beantragten 54 Apotheker die Bildung einer Apothekerkammer, was der Senat aber für überflüssig, wenn nicht gar von Übel hielt. Die der Kammer zugedachten Aufgaben wurden daher vom Verein wahrgenommen.
Tab. 1: Chronologie der Hamburger Apothekervereine.
Verein | Bestand |
---|---|
Genossenschaft zum Ankauf überzähliger Apotheken | 1816-1938 |
Freundschaftlicher Apothekerverein | 1830-1835 |
Allgemeiner Apothekerverein | 1835-1843 |
Hamburg-Altonaer Apothekerverein | 1843-1899 |
Apothekerverein in Hamburg e. V. | 1900-1923 |
Gau Groß Hamburg des Apothekervereins | 1923-1933 |
Abrechnungsstelle der Deutschen Abpothekerschaft in Hamburg e. V. | 1934-1954 |
Hamburger Apothekerverein e. V. | seit 1954 |
1911 bildeten die Altonaer Apotheker einen eigenen Verein, 1923 wurde der Verein als Gau Groß Hamburg in den Deutschen Apothekerverein eingegliedert. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Mitgliederversammlung entmachtet und der Vorsitzende nach dem Führerprinzip ernannt. Am 12. Juni 1951 wurde die Mitgliederversammlung mit der Namensänderung in "Abrechnungsstelle Hamburger Apothekeninhaber und -pächter e. V." wieder in ihre ursprünglichen Rechte eingesetzt. Am 11. Juni 1954 erging an die Hamburger Apothekenleiter die Einladung zur Wiedergründung des Hamburger Apothekervereins, um an die traditionellen Aufgaben anzuknüpfen. Am 20. November 1954 konstituierte sich der Vorstand des Vereins, am 15. Januar 1955 wurde er in das Vereinsregister eingetragen.
Daneben erinnerte Graue an viele Apothekerpersönlichkeiten, die diese Vereine prägten und sich durch ihre Leistungen für die Apotheker und die Arzneimittelversorgung eingesetzt haben. Daher wünsche er, dass an der Vereinsspitze stets ein Vorstand aus Persönlichkeiten stehe, die nicht furchtsam nach der Meinung einzelner Unzufriedener, dem Geschrei der Medien oder der Forderung der Marktteilnehmer fragen und sich nicht beirren lassen.
Während die Apothekervereine in der Vergangenheit um die Existenzsicherung der Apotheken kämpften, gehe es jetzt um die Existenzberechtigung. Um zu überleben, müssten die Apotheken aus der vermeintlichen Opferrolle heraus und ihre Zukunft entschieden mitgestalten. Doch sei gewiss, dass auf eine Ebbe stets eine Flut folgt.
Entwicklung in ganz Deutschland
Prof. Dr. Christoph Friedrich, Marburg, stellte die Hamburger Erfahrungen in seinem Festvortrag in den Zusammenhang mit der Entwicklung von Apothekervereinen in anderen Teilen Deutschlands. Die Apothekervereine gehen demnach vielfach auf Organisationen zurück, die sich am Ende des 18. Jahrhunderts um die Abschaffung der Weihnachtsgeschenke an Ärzte bemühten, so beispielsweise die Magdeburger Apothekerkonferenz von 1798.
Während die meisten Vereine nur regionale Bedeutung erlangten, entwickelte sich aus dem Apothekerverein in Westfalen der "Apothekerverein im nördlichen Teutschland". 1848 wurde erstmals ein Apothekerverein für ganz Deutschland gegründet, aus dem 1872 der Deutsche Apotheker-Verein entstand. Dabei wandelten sich im Lauf der Zeit die Ziele der Vereine, mit der Industrialisierung gewannen die wirtschaftlichen Interessen an Bedeutung. Demgegenüber verfolgten die Vereine der Apothekergehilfen vorwiegend wissenschaftliche Zwecke. Insgesamt kann die Bildung von Vereinen als Ausdruck der Professionalisierung eines Berufsstandes gesehen werden. Damit sollte die Fremdkontrolle minimiert und die Marktmacht gesteigert werden.
Die beiden historischen Vorträge wurden von einer musikalischen Zeitreise mit dem beeindruckenden Beitrag des Tenors Götz-Melchior Märtig umrahmt.
Thomas Müller-Bohn
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