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F&E: Neue Konzepte für die Arzneimittelforschung

ERFURT (bra). Die alten Trampelpfade der Arzneimittelforschung und -entwicklung (F&E) führen schon heute, erst recht aber in absehbarer Zukunft, nicht mehr zu den erwünschten Erfolgen. Neben der Suche nach neuen Wirkstoffen, die nicht einfacher geworden ist, spielt die Suche nach geeigneten Arzneiformen zunehmend wieder eine große Rolle. Anders als traditionell sollten dabei physiologische und klinische Erfordernisse die Richtung vorgeben. Mit den faszinierenden Aspekten dieser neuen Trends beschäftigte sich ein SocraTec-Symposion, mit dem die Leiter von SocraTec R&D, der frühere Leiter des ZL, Professor Henning Blume, und die ebenfalls aus dem ZL kommende Dr. Barbara Schug in Erfurt die Eröffnung einer neuen 60-Betten-Probandenstation für klinische Untersuchungen feierten.
Neue WEge gehen will das SocraTec-Institut bei der Forschung und Entwicklung. 
(Im Bild: Barbara Schug und Henning Blume bei der Eröffnungsfeier)

Der neue Ansatz, bei der Entwicklung von Darreichungsformen immer zunächst die "klinische Rationale" im Blick zu haben (und nicht mehr nur klassische Aspekte der Galenik wie z.B. Stabilität, Dosierbarkeit und Freisetzung), erfordert ein neues Denken. Blume arbeitet für die Erarbeitung der Konzepte eng mit Professor Mutschler und Professor Weitschies zusammen. Dabei verbinden sich pharmakologisch-medizinisches Wissen, die Kenntnis biopharmazeutischer Zusammenhänge und eine pharmazeutische Technologie, die bei der Suche nach geeigneten oralen Arzneiformen die physiologischen und ggf. pathophysiologischen Verhältnisse im Magen-Darm-Trakt im Auge hat.

Da die Arzneistoffoptimierung zunehmend an Grenzen stößt, öffnen sich für eine "Rückbesinnung auf die Arzneiform" (Blume) neue Chancen. Ziel dabei sei, Produkte mit optimierter "drug-delivery", dadurch erhöhter Wirksamkeit oder verbesserter Verträglichkeit zu entwickeln. Bei solchen Konzepten bekommen dem Pharmazeuten vertraute Begriffe neue Aspekte. Drug-delivery meint z.B. nicht mehr nur Freisetzung; der Begriff umfasst auch, wo im Gastrointestinaltrakt und über welchen Zeitraum der Wirkstoff zur Verfügung gestellt wird, damit er kalkulierbar aufgenommen und optimal zur Wirkung kommen kann. Solche Konzepte zur Optimierung der Arzneiform stoßen inzwischen bei Unternehmen der forschende Pharmaindustrie ebenso auf Aufmerksamkeit wie bei Generikaherstellern, die sich von Wettbewerbern abgrenzen wollen.
 

SocraTec R&D 

Das von Professor Henning Blume und Dr. Barbara Schug – beide kommen aus dem Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker – gegründete unabhängige Auftragsforschungsinstitut SocraTec F&D hat sich seit seinem Start im Jahre 1998 ebenso stetig wie kräftig entwickelt. Inzwischen beschäftigen sich bei SocraTec mehr als 60 Mitarbeiter mit der Konzeption, Durchführung, Überwachung und Auswertung von klinischen Studien. In der neuen 60-Betten-Probandenstation werden z.B. auch Studien zur Resorption von Arzneistoffen und zum Verhalten von Arzneiformen im Gastrointestinaltrakt – unter Einsatz auch Bild gebender Verfahren – durchgeführt. Für Thüringens Minister für Wirtschaft, Technologie und Arbeit, Jürgen Reinholz passt das Engagement von SocraTec in Erfurt ausgezeichnet zum Bemühen der Landesregierung, Thüringen als traditionelles "Land der Tüftler, Denker und Dichter" durch die Ansiedlung von innovativen Unternehmen zu stärken.

Für F&E-Firmen bietet sich die Chance, ihre Produkte während der Patentlaufzeit – in Sichtweise zu den ablaufenden Wirkstoffpatenten – in der Wirksamkeit zu optimieren. Wettbewerber aus dem Generikasektor, die die optimierten Darreichungsformen nicht oder nicht schnell genug nachbauen können, lassen sich damit – durch geschicktes "Life-Cycle-Management" des Erstanbieterproduktes – etwas auf Distanz halten. Ein klassisches Beispiel für solches "Life-cycle-Management" ist die Ausbietung der 3,5 mg-Tablette von Glibenclamid, die wirkungsäquivalent zur ursprünglichen 5 mg-Formulierung ist.

Ein neueres Beispiel ist die MUPS-Tablette von Omeprazol (multiple unit pellet system) anstelle der ursprünglichen pelletbeschickten Kapsel. Bei solchen Veränderungen ist natürlich immer die Frage, ob – wie in diesem Fall – die raschere Resorption aus der neuen Darreichungsform auch wirklich mit therapeutischen Vorteilen verbunden ist. Nicht selten dominiert die Marktrationalität die klinische Rationale, die eigentlich die Richtung weisen müsste: Die noch patentierte Technologie gibt fälschlich den Ton an, nicht ein nachweisbarer zusätzlicher Nutzen.

Auch Generikahersteller bemühen sich immer häufiger, ihren Produkten über besondere Arzneimittelformulierung einen Zusatznutzen (added value) mit in den Wettbewerb zu geben. Dafür gelten die gleichen Maximen: der nachweisbare klinische Zusatznutzen sollte im Vordergrund stehen, das klinische Konzept sollte nicht auf die verfügbare Galenik adaptiert werden – nur umgekehrt macht es Sinn.

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