- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 49/2004
- Diabetes mellitus: Neues ...
Arzneimittel und Therapie
Diabetes mellitus: Neues kurz wirksames Insulinanalogon
Das neue Insulinglulisin (Apidra®) zählt wie Insulin Lispro und Insulin Aspart zu den kurz wirksamen Insulinanaloga. Das rekombinante Humaninsulin-Analogon wird mit gentechnischen Methoden unter Verwendung von Escherichia coli gewonnen. Die primäre Wirkung von Insulinen und Insulinanaloga wie Insulinglulisin besteht in der Regulierung des Glucosestoffwechsels. Insulin senkt den Blutzuckerspiegel durch die Stimulierung der peripheren Glucoseaufnahme (insbesondere durch Skelettmuskulatur und Fettgewebe) sowie durch die Hemmung der Glucoseproduktion in der Leber. Insulin hemmt ferner die Lipolyse in den Adipozyten wie auch die Proteolyse und fördert die Proteinsynthese.
Schnellere Anflutung als Humaninsulin
Bei Insulinglulisin wurden im Vergleich zu Humaninsulin die Aminosäure Asparagin in Position B3 durch Lysin sowie das Lysin in Position B29 durch Glutaminsäure ersetzt. Dadurch kann das Analogon nicht mehr zu Hexameren aggregieren und wird schneller resorbiert. Im Vergleich zu Normalinsulin flutet das Analogon schneller an. Das neue Insulinanalogon verstoffwechselt pro Einheit ebensoviel Glucose wie humanes Normalinsulin. In kontrollierten Studien bei Typ-1-Diabetes erwies es sich als effizienter und rascher wirksam als Normalinsulin, auch nach postprandialer Injektion. Insulinglulisin kann zwei Minuten vor einer Mahlzeit gespritzt werden. Seine Wirkung entspricht dann der von humanem Normalinsulin, das 30 Minuten vor der Mahlzeit injiziert wird.
Gut wirksam bei Adipösen
Die Wirkung von Insulinglulisin setzt innerhalb von fünf bis 15 Minuten nach subkutaner Injektion ein, wobei die Injektion in die Bauchdecke am schnellsten wirkt. Insulinglulisin wird nahezu dosisunabhängig rasch aus dem subkutanen Fettgewebe resorbiert und behält seine schnellere Wirkung auch bei adipösen Probanden, während humanes Normalinsulin hier besonders an Schnelligkeit verliert. Im Mittel werden für das Analogon doppelt so schnelle und doppelt so hohe Maximalkonzentrationen gemessen wie unter der Therapie mit humanem Normalinsulin. Unabhängig von der Injektionsstelle – Oberschenkel, Oberarm oder Bauchdecke – beträgt die absolute Bioverfügbarkeit von Insulinglulisin im Mittel 70%.
Verschiedene Kombinationsmöglichkeiten
Apidra® sollte unmittelbar (0 – 15 Minuten) vor oder unmittelbar nach einer Mahlzeit angewendet werden. Die Dosierung ist individuell anzupassen. Insulinglulisin ist in Kombination mit einem Intermediärinsulin, Langzeitinsulin oder einem Basalinsulin-Analogon anzuwenden. Es kann auch in Kombination mit oralen Antidiabetika angewendet werden. Insulinglulisin kann in Kombination mit Insulin glargin (Lantus®), einem einmal täglichen Basalinsulin-Analogon mit 24-Stunden-Wirkung eingesetzt werden. Apidra® und Lantus® werden im gleichen Pen-System angeboten. So ist die Anwendung für den Patienten einfach, denn er benötigt nur ein Pen-System für das Basis- und Bolus-Insulin.
Hypoglykämie: Warnzeichen beachten
Wie bei allen Insulinanaloga muss der Patient besonders gut auf die Zeichen einer Hypoglykämie achten. Wann eine Hypoglykämie auftritt, hängt vom Wirkprofil der verwendeten Insuline ab und kann sich daher bei einer Umstellung des Behandlungsschemas ändern. Im Vergleich zu normalem Humaninsulin kann nach einer Injektion mit einem schnell wirksamen Insulinanalogon eine Hypoglykämie rascher auftreten.
Die Umstellung eines Patienten auf einen anderen Insulintyp oder ein Insulin eines anderen Herstellers sollte unter strenger ärztlicher Aufsicht erfolgen. Jeder Wechsel der Wirkstärke, der Marke (Herstellers), des Insulintyps (normal, NPH, Zink-verzögert), der Art des Insulins (tierisches Insulin) und/oder der Herstellungsmethode kann eine Veränderung des Insulinbedarfs nach sich ziehen. Eine gleichzeitige Behandlung mit oralen Antidiabetika muss gegebenenfalls angepasst werden.
Häufige Nebenwirkungen von Insulinglulisin sind Reaktionen an der Injektionsstelle und lokale Überempfindlichkeitsreaktionen, selten kommt es zur Lipodystrophie, gelegentlich zu systemischen Überempfindlichkeitsreaktionen.
Steckbrief: Insulinglulisin
Handelsname/Hersteller: Apidra (Aventis, Bad Soden)
Einführungsdatum: 1. November 2004
Zusammensetzung: Ein ml enthält 100 E Insulinglulisin (entsprechend 3,49 mg). Ein Pen enthält 3 ml der Injektionslösung, entsprechend 300 E. Sonstige Bestandteile: m-Cresol, Natriumchlorid, Trometamol Polysorbat 20, Salzsäure, 36%, Natriumhydroxid, Wasser für Injektionszwecke.
Packungsgrößen, Preise und PZN: 3x3 ml, Euro 41,59, PZN 0175159; 6 x 3 ml, Euro 83,15, PZN 1320037; 9 x 3 ml, Euro 113,71, PZN 1320356; 3 x 3 ml, Euro 40,43, PZN 0175219, 6 x 3 ml, Euro 80,86, PZN 1320497, 9 x 3 ml, Euro 110,39, PZN 1320505 Stoffklasse: Antidiabetika; Insulinanalogon
Indikation: Zur Behandlung von Erwachsenen mit Diabetes mellitus.
Dosierung: Insulinglulisin sollte unmittelbar vor oder unmittelbar nach einer Mahlzeit angewendet werden. Die Dosierung ist individuell anzupassen. Insulinglulisin ist in Kombination mit einem Intermediärinsulin, Langzeitinsulin oder einem Basalinsulin-Analogon anzuwenden. Es kann auch in Kombination mit oralen Antidiabetika eingesetzt werden. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Insulinglulisin oder einen der sonstigen Bestandteile, Hypoglykämie.
Nebenwirkungen: Hypoglykämie, Reaktionen an der Injektionsstelle und lokale Überempfindlichkeitsreaktionen, Lipodystrophie, systemische Überempfindlichkeitsreaktionen.
Wechselwirkungen: Eine Reihe von Substanzen beeinflusst den Glucosestoffwechsel und kann eine Dosisanpassung von Insulinglulisin sowie eine besonders gründliche Überwachung erforderlich machen. Substanzen, die die blutzuckersenkende Aktivität erhöhen und die Neigung zu Hypoglykämien verstärken können: orale Antidiabetika, Angiotensin-Koversions-Enzym-(ACE-)Hemmer, Disopyramid, Fibrate, Fluoxetin, Mono- aminoxidase-(MAO-)Hemmer, Pentoxifyllin, Propoxyphen, Salicylate und Sulfonamid-Antibiotika. Substanzen, die den blutzuckersenkenden Effekt abschwächen können: Glucocorticoide, Danazol, Diazoxid, Diuretika, Glucagon, Isoniazid, Phenothiazin-Abkömmlinge, Somatropin, Sympathomimetika, Schilddrüsenhormone, Estrogene und Gestagene, Protease-Inhibitoren sowie atypische, antipsychotisch wirkende Arzneimittel. Zusätzlich können unter der Wirkung von Sympatholytika wie Betablockern, Clonidin, Guanethidin und Reserpin die Symptome der adrenergen Gegenregulation abgeschwächt sein oder fehlen.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Die Umstellung eines Patienten auf einen anderen Insulintyp oder ein Insulin eines anderen Herstellers sollte unter strenger ärztlicher Aufsicht erfolgen. Eine unzureichende Dosierung oder der Abbruch einer Behandlung, insbesondere bei Patienten mit einem insulinpflichtigen Diabetes, kann zu einer Hyperglykämie und einer diabetischen Ketoazidose führen; diese Zustände sind potenziell lebensbedrohlich. Im Vergleich zu normalem Humaninsulin kann nach einer Injektion mit einem schnellwirksamen Insulinanalogon eine mögliche Hypoglykämie rascher auftreten. Die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit des Patienten kann aufgrund einer Hypo- oder Hyperglykämie oder z. B. aufgrund von Sehstörungen beeinträchtigt sein.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.