Arzneimittel und Therapie

Multiple Sklerose: Natalizumab in den USA zugelassen

ck | Die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) hat dem selektiven Adhäsionsmolekül-Inhibitor Natalizumab für die Behandlung der schubförmigen multiplen Sklerose (MS) die Zulassung erteilt, wie Biogen Idec und Elan mitteilten. Der bislang unter der Bezeichnung Antegren® in der klinischen Entwicklung befindliche Antikörper soll unter dem Handelsnamen Tysabri® auf den Markt kommen.

Im Mai hatte die FDA dem Wirkstoff ein beschleunigtes Zulassungsverfahren gewährt, das eine sechsmonatige Bearbeitungsfrist verlangt.

Anzahl der Schübe reduziert

Grundlage der Zulassung waren die Ergebnisse der Phase-III-Studien AFFIRM (Natalizumab allein bei schubförmig-remittierender MS) und SENTINEL (Einfluss von Natalizumab in Kombination mit Interferon Beta-1a [Avonex®] im Vergleich zu Interferon Beta-1a allein auf die Progression der Behinderung und die klinische Rezidivrate). In beiden Studien wirkte eine monatlich intravenös verabreichte Dosis des Wirkstoffs reduzierend auf die Schubrate. Die Studien werden noch weiter geführt.

Bei der AFFIRM-Studie handelt es sich um eine zwei Jahre dauernde, randomisierte, plazebokontrollierte Multicenter-Doppelblindstudie, an der 942 Patienten mit schubförmig remittierender multipler Sklerose teilnehmen und in der die Wirkung einer Monotherapie mit Natalizumab auf das Fortschreiten der Behinderung bei MS und die Rate der klinischen Rezidive untersucht werden soll. Die Rezidivrate war der primäre Endpunkt der Analyse nach einem Jahr. Zu den sekundären Endpunkten nach einem Jahr gehören die Anzahl an neuen bzw. neu vergrößerten T2-hyperintensen Läsionen, die Anzahl der Gadolinium-aufnehmenden Läsionen und der Anteil der Patienten, die rezidivfrei bleiben. Die an der Studie teilnehmenden Patienten haben eine rezidivierende Form von MS und hatten im vorangehenden Jahr mindestens einen Schub. Natalizumab verringerte die Rezidivrate um 66% gegenüber Plazebo.

Noch keine Daten zur Langzeitwirkung

Zu den unerwünschten Ereignissen, die bei wenigstens 5% der mit Natalizumab behandelten Patienten auftraten und um 2% häufiger als bei der Plazebo-Gruppe waren, gehörten Kopfschmerzen, Müdigkeit und Gelenkschmerzen. Die Infektionsinzidenz war in den beiden Gruppen insgesamt vergleichbar. Schwere Infektionen traten bei 1% der mit Plazebo behandelten Patienten und bei 2% der mit Natalizumab behandelten Patienten auf. Bei etwa 1% der Natalizumab-Patienten kam es zu schweren Überempfindlichkeits-ähnlichen Reaktionen. Allerdings ist derzeit noch nichts über die Langzeitwirkung bekannt, die Firmen gehen davon aus, dass die Zweijahresergebnisse im ersten Halbjahr 2005 vorliegen werden.

Bei einer zweiten Phase-III-Studie, SENTINEL, handelt es sich um eine zweijährige, randomisierte, plazebokontrollierte Multicenter-Doppelblindstudie mit rund 1200 Patienten mit schubweise remittierender multipler Sklerose, in welcher die Wirkung der Kombination von Natalizumab mit Interferon Beta-1a (Avonex®) im Vergleich zu Interferon Beta-1a allein auf die Progression der Behinderung und die klinische Rezidivrate untersucht wird.
 

Einsatz bei Morbus Crohn denkbar

Im Rahmen von klinischen Studien haben bisher über 2800 Patienten Natalizumab erhalten. Biogen Idec und Elan arbeiten gemeinsam an der Entwicklung von Natalizumab für die Behandlung von multipler Sklerose, Morbus Crohn und rheumatoider Arthritis. Im September 2004 wurde bei der EMEA auf der Grundlage der Phase-III-Studien ein Zulassungsantrag zur Behandlung der multiplen Sklerose gestellt; derzeit findet außerdem eine weitere Phase-III-Studie für Morbus Crohn statt, und zur Zeit wird in einer Phase-II-Studie Effektivität und Sicherheit von Natalizumab bei rheumatoider Arthritis untersucht.

Hemmung der Migration von Immunzellen

Natalizumab ist der erste Vertreter der neuen Wirkstoffklasse der SAM(Selektive Adhäsionsmolekül)-Inhibitoren, die in der Lage sind, Entzündungskaskaden bei Erkrankungen wie Morbus Crohn oder multipler Sklerose zu durchbrechen. Bei der multiplen Sklerose wandern Immunzellen durch die Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn und verursachen dort die Entzündung und Zerstörung der Myelinscheide. Adhäsionsmoleküle auf der Oberfläche der Immunzellen spielen dabei eine wichtige Rolle bei der Migration dieser Zellen.

Der humanisierte monoklonale Antikörper Natalizumab bindet an ein spezifisches Adhäsionsmolekül auf der Oberfläche auf Immunzellen (Alpha-4-Integrin) und stört dadurch die Kommunikation zwischen den Zellen. Es wird vermutet, dass Natalizumab durch diese Adhäsion Immunzellen daran hindert, die Blutgefäße zu verlassen und die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. So kann die Bildung neuer Entzündungsherde im Gehirn und Rückenmark verhindert und der Entzündungsprozess an den Myelinscheiden der Nervenzellen gebremst werden.

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