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Arzneimittel und Therapie
Burnout-Syndrom: Von der Höchstleistung zum Zusammenbruch
Charakteristisch für das Vollbild des Burnout-Syndroms ist die vollständige körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung. Die Ursachen liegen im individuellen Zusammenspiel zwischen der Persönlichkeitsstruktur des Einzelnen und dessen (beruflicher) Umwelt – mit verhängnisvollen Auswirkungen auf den Alltag. Schätzungen zufolge sind dreißig Prozent der Erwachsenen betroffen.
Innere Distanzierung
Das Burnout-Syndrom ist außerordentlich vielschichtig und zeigt sich nicht bei jedem gleich. Die Betroffenen sind permanent müde, kraftlos und finden dennoch keinen Schlaf. Sie können nach dem Arbeitstag kaum mehr abschalten und entspannen. Ein weiteres charakteristisches Merkmal sind psychosomatische Beschwerden wie Schwächegefühle oder ein geschwächtes Immunsystem. Daneben fühlen sich Burnout-Patienten antriebslos und wenig leistungsfähig.
Nach außen hin reagieren sie distanziert und abgestumpft, das heißt es besteht die Tendenz, die Mitmenschen, Kunden oder auch Patienten unpersönlich und als Objekt zu behandeln, ihnen gegenüber gleichgültig zu werden. Verbunden mit dieser inneren Distanzierung ("Depersonalisierung") sind Gefühle der Überforderung und der soziale Rückzug. Nicht selten mündet Burnout in Arbeitsunfähigkeit und Depressionen.
Wie entsteht Burnout?
Burnout hat in der Regel mehrere Entstehungsfaktoren, die interindividuell sehr unterschiedlich sein können. Grundsätzlich findet sich immer ein Zusammenspiel aus chronischem Stress, belastenden Arbeitsbedingungen und dem individuellen Vermögen zu Anpassung und Stressverarbeitung. Gründe für Burnout können ausschließlich im beruflichen Umfeld liegen aber auch aus der Doppelbelastung durch berufliche und private Aufgaben resultieren, wovon insbesondere berufstätige Frauen betroffen sind.
Zur Entstehung von Burnout existieren verschiedene Modelle. Freudenberger und North skizzieren die Entwicklung des Burnout sehr detailliert als einen "Burnout-Zyklus", wobei die einzelnen Phasen nicht in genau dieser Reihenfolge auftreten müssen (siehe Abbildung).
Der Burnout-Zyklus
Die Einstiegsfaktoren sind ausgeprägter Ehrgeiz und Idealismus. Die Ansprüche an die eigene Leistung sind hoch, die Bereitschaft, die individuellen Grenzen und Möglichkeiten anzuerkennen, nimmt ab. Was bisher als Eigeninitiative und Tatendrang empfunden wurde, wandelt sich zum Leistungszwang (Stadium 1). In der Folge wird der eigene Einsatz gesteigert: freiwillige Überstunden werden geleistet, jeder Handgriff wird selbst erledigt, schließlich will man seinen eigenen Ansprüchen ja genügen (Stadium 2). So werden – bisher gerne ausgeübte – Hobbies und Möglichkeiten zu körperlicher und geistiger Rekreation zunehmend vernachlässigt (Stadium 3). Obwohl dem Betroffenen diese Konfliktsituation durchaus bewusst ist, beginnt er, sie zu ignorieren.
Der fortwährende Dis-Stress hat zur Folge dass die Fehlerquote steigt (Stadium 4). Soziale Kontakte werden als zeitraubend und belastend empfunden und stark vernachlässigt. Prioritäten verschieben sich, so wird der Arbeit vermehrt Zeit eingeräumt und nichtberufliche Aktivitäten (Sport, Familie) werden zunehmend als unbedeutend empfunden (Stadium 5), ohne dass der Betroffene selbst diesen Verzicht auf Lebensqualität bemerkt. Neben der Abkapselung begegnet er dem Alltag mit Zynismus, Aggressivität und Intoleranz. Seine Leistungsfähigkeit sinkt dramatisch, und vegetative Beschwerden stellen sich ein (Stadium 6).
Sozialer Rückzug, Panikattacken und Depressionen
Die Situation ist jetzt durch endgültigen Rückzug gekennzeichnet. Das sonst so stützende soziale Netz wird als überfordernd und feindlich erlebt (Stadium 7). Unübersehbar sind Verhaltensänderungen: die Abwehrhaltung gegenüber Kritik, die Distanzierung vom Arbeitsgeschehen, die fehlende Flexibilität und Phantasie. Schließlich kommt es zum vollständigen Verlust der Wahrnehmung der eigenen Person, was zu massiven Problemen in Familie und Partnerschaft führt (Stadium 8 und 9).
Manche Betroffene leiden unter Panikattacken und Phobien, der gesamte Zustand mündet in einer inneren Leere, die Motivation ist auf dem Nullpunkt und Depression macht sich breit (Stadium 10 und 11). Am Ende dieser Entwicklung steht ein durchaus lebensbedrohlicher Zustand: die vollständige emotionale, körperliche und geistige Erschöpfung: der Burnout (Stadium 12).
Fehlende Anerkennung im Arbeitsumfeld
Die Anfälligkeit für das Burnout-Syndrom wird durch persönliche und insbesondere durch betriebsbedingte Konstellationen bestimmt. In der Persönlichkeit des "Ausbrenners" finden sich bestimmte Wesenszüge, die gehäuft beim Burnout auftreten:
- geringe Belastbarkeit
- hochgesteckte Ziele
- Neigung zu Idealismus und Perfektionismus
- gering ausgeprägtes Selbstwertgefühl
- Hunger nach Anerkennung.
Zudem ist der Betroffene intensiv in seine Tätigkeit involviert. Maxime wie "Meine Arbeit ist mein Leben" und "Alle müssen mich und meine Arbeit schätzen" finden sich hier gehäuft.
Betriebliche Burnout-Risiken sind:
- Arbeitsüberlastung
- Zeitdruck
- fehlende Entscheidungsspielräume
- unklares Anforderungsprofil
- fehlendes Feedback im Unternehmen
- Schichtarbeit
- schlechtes Arbeitsklima.
Strategien zur Vorbeugung
Menschen haben individuelle "Coping-Ressourcen", das heißt verschiedene Möglichkeiten und Handlungsspielräume, um Probleme zu bewältigen. Deshalb existiert eine Reihe von Vorbeugemaßnahmen gegen Stress, die beim Individuum ansetzen. Zum einen kann der Betroffene aktiv an seiner eigenen Einstellung arbeiten, zum Beispiel realistische Ziele setzen oder Mehrfachbelastungen vermeiden.
Die andere Präventionsmöglichkeit stellt die Umgestaltung der betrieblichen Abläufe dar, wenngleich die Einflussmöglichkeiten hierauf vergleichsweise gering sind. Wichtig ist hier eine Sensibilisierung der Führungskräfte, damit eine Entwicklung von Burnout rechtzeitig erkannt wird.
Auswege aus dem Teufelskreis
Welche Lösungsmöglichkeiten stehen bei Burnout zur Verfügung? Zuerst muss der Betroffene lernen, wieder bewusst auf sich und seine Bedürfnisse zu achten. Dazu gehören – auch wenn es trivial erscheint – ausreichend Schlaf und ausgewogene Ernährung. Außerdem macht sportliche Betätigung belastbarer für den Alltag. Durch Entspannungstechniken (progressive Muskelentspannung nach Jakobsen, autogenes Training) gelingt es, vom Alltag loszulassen und geistig wie körperlich zu entspannen.
In diese Richtung zielt auch die Pflege sozialer Kontakte. Hobbies sollten nach und nach reaktiviert werden. Letztendlich muss der Betroffene lernen, die eigenen Grenzen anzuerkennen, sie einzuhalten und sich nicht unentwegt zu überfordern. Hier kann die Unterstützung eines Psychologen oder Psychotherapeuten hilfreich sein.
Gegen die hohe Rückfallgefahr hilft eine individuelle Checkliste:
- Was belastet mich am meisten?
- Welche meiner Bedürfnisse werden nicht erfüllt?
- Wo haben andere mir zu viel zugemutet?
Nur durch eine große Sensibilität gegenüber den Stressoren kann es gelingen, nicht erneut in den Teufelskreis Burnout zu gelangen.
Das Burnout-Syndrom
Der heute in den Alltagswortschatz integrierte Begriff des Burnout geht auf den New Yorker Psychoanalytiker H. J. Freudenberger zurück, der das innere "Ausbrennen" an Ärzten einer Hilfsorganisation festgestellt und seine Beobachtung 1974 veröffentlicht hatte. Das Burnout-Syndrom ist charakterisiert durch einen Zustand emotionaler Erschöpfung und reduzierter Leistungsfähigkeit.
Ein Teufelskreis aus hohem persönlichen Einsatz und fehlender Honorierung durch das Arbeitsumfeld führt dazu, dass sich die Betroffenen leer, nutzlos und ausgebrannt fühlen. Risikofaktoren sind sowohl individuelle Persönlichkeitsmerkmale als auch Schwierigkeiten im beruflichen Bereich. Durch schwache Sozialstrukturen und vernachlässigte zwischenmenschliche Kontakte fehlt es an Auffang- und Bewältigungsmöglichkeiten.
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