Recht aktuell

Notdienst in der Apotheke

Seit Anfang des Jahres gelten in Deutschland neue arbeitsrechtliche Bestimmungen, die den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zum ärztlichen Bereitschaftsdienst Rechnung tragen sollen. Welche Auswirkungen haben die Änderungen des Arbeitszeitrechts auf die Notdienstbereitschaft in Apotheken?

Für Apothekenmitarbeiter, die gemäß §§ 23 Abs. 4, 2 Abs. 6 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) zur Ableistung von Dienstbereitschaft apothekenrechtlich berechtigt sind¹, besteht eine entsprechende arbeitsrechtliche Verpflichtung nach § 4 Bundesrahmentarifvertrag (BRT) – dort als Notdienstbereitschaft bezeichnet –, soweit dieser Tarifvertrag auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anzuwenden ist².

Diese Dienstbereitschaft ist – wie es in § 4 Abs. 2 BRT heißt – neben der regelmäßigen Arbeitszeit zu leisten. Die apothekenspezifischen Begriffe der Dienst- bzw. Notdienstbereitschaft entsprechen dem arbeitsrechtlichen Terminus des Bereitschaftsdienstes, der definiert wird als ein Zustand, während dessen der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und sich auf Anforderung des Arbeitgebers zur Arbeitsaufnahme bereitzuhalten, ohne sich im Zustand "wacher Aufmerksamkeit" zu befinden.

Er kann also ruhen oder sich anderweitig beschäftigen, solange seine dienstlichen Leistungen nicht erforderlich sind³. Bisher galten Zeiten des Bereitschaftsdienstes nur insoweit als Arbeitszeit, als während dieser Zeitspanne effektiv berufliche Tätigkeit anfiel. Im Übrigen handelte es sich um Ruhe- bzw. Freizeit.

Durch Urteil vom 9. September 20034 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Zeiten des Bereitschaftsdienstes entsprechend der Richtlinie 93/104/EG europarechtlich als Arbeitszeit auch insoweit zu werten sind, als während dieser Zeit keine dienstliche Tätigkeit erfolgt, der Arbeitnehmer also ruhen oder sich anderweitig beschäftigen kann.

Arbeitszeitgesetz ist zu beachten

Hieraus folgt, dass Bereitschaftsdienstzeiten den Beschränkungen der Höchstarbeitszeit des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) unterliegen. Diese rechtliche Einordnung durch den EuGH widerspricht dem bisherigen deutschen Arbeitsrecht, sodass der Gesetzgeber sich veranlasst sah, mit Wirkung zum 1. Januar 2004 eine Gesetzesnovellierung vorzunehmen, die den europarechtlichen Vorgaben Rechnung trägt.

Das deutsche Arbeitszeitrecht schreibt vor, dass die werktägliche Arbeitszeit von normalerweise 8 Stunden auf bis zu 10 Stunden verlängert werden kann, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden täglich nicht überschritten werden. Da in diesen Zeitrahmen nach neuem Recht auch Dienstbereitschaftszeiten fallen, lässt sich ein Nachtdienst in der Apotheke im Anschluss an einen normalen Arbeitstag nicht in dieses enge Korsett einspannen.

Dem trägt der zum 1. Januar 2004 neu in das Arbeitszeitgesetz eingefügte § 7 Abs. 2a Rechnung, indem in einem Tarifvertrag zugelassen werden kann, die werktägliche Arbeitszeit einschließlich der Bereitschaftsdienstzeit auch ohne Zeitausgleich über 8 Stunden zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Bereitschaftsdienst fällt und durch besondere Regelungen sichergestellt wird, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

Entspricht Tarifrecht gesetzlicher Vorgabe?

Diesen Voraussetzungen wird die bestehende tarifliche Regelung in § 4 BRT wohl gerecht: Dort ist in Abs. 2 vorgesehen, dass die gesetzliche Höchstarbeitszeit zur Leistung der Notdienstbereitschaft ohne Höchstgrenze überschritten werden darf gegen Zeit- oder Geldausgleich entsprechend § 5 BRT. Welche gesundheitsschützenden Maßnahmen der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang für geboten erachtet, ist dem Gesetzestext nicht eindeutig zu entnehmen.

§ 4 Abs. 3 BRT verpflichtet den Arbeitgeber, für den Aufenthalt während der Notdienstbereitschaft einen Raum mit angemessener wohnlicher Ausstattung einschließlich Bettwäsche sowie ein betriebsbereites Rundfunkgerät und ein betriebsbereites Fernsehgerät bereitzustellen. Zur angemessenen wohnlichen Ausstattung gehören außer Rundfunk- und Fernsehgerät auch Heizung, Beleuchtung, Essgeschirr sowie Wasch- und Schlafgelegenheit einschließlich Bettwäsche6.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Tarifpartner Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) und Bundesverband der Angestellten in Apotheken (BVA) diese Ausstattung als hinreichende Regelungen im Sinne des § 7 Abs. 2a ArbZG n. F. werten.

Konsequenzen

Wird die werktägliche Arbeitszeit über 12 Stunden hinaus verlängert – wie z. B. bei Nachtdienst nach normalem Arbeitstag – so muss dem Arbeitnehmer im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung der Arbeitszeit eine Ruhezeit von 11 Stunden gewährt werden (§ 7 Abs. 9 ArbZG n. F.). Die hiervon abweichende Tarifregelung in § 5 Abs. 6 BRT – Freizeit von 12 Stunden nach einer Notdienstbereitschaft von 24 Stunden – wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Freizeitausgleich von 11 Stunden ist bereits zu gewähren im Anschluss an eine 12 Stunden betragende Gesamtarbeitszeit. Diese Beschränkung greift für Bereitschaftsdienste gemäß § 25 ArbZG n. F. erst ab 1. Januar 2006, sodass im Anwendungsbereich des BRT bis dahin wie bisher verfahren werden kann.

Neu ist vor allem auch, dass die Arbeitszeit ohne Ausgleich über 8 Stunden hinaus nur verlängert werden darf, wenn der Arbeitnehmer schriftlich eingewilligt hat (§ 7 Abs. 7 ArbZG n. F.). Er ist darüber hinaus berechtigt, diese Einwilligung mit einer Frist von sechs Monaten schriftlich zu widerrufen. Außerdem schreibt die Neuregelung vor, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen darf, weil dieser die Einwilligung zur Arbeitszeitverlängerung nicht erklärt oder seine Einwilligung widerrufen hat.

Abschließend ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die oben beschriebene Neuregelung nur arbeitszeitrechtlich relevant ist, nicht dagegen vergütungsrechtlich7. Das bedeutet, dass für die Vergütung der Notdienstbereitschaft im Anwendungsbereich des BRT weiterhin dessen § 5 gilt, also nach Wahl des Apothekenleiters entweder pauschalierter Zeit- oder Geldausgleich erfolgen kann.

Was gilt ohne Tarifvertrag?

Sofern der BRT auf das Arbeitsverhältnis eines zur Ableistung von Dienstbereitschaft apothekenrechtlich berechtigten Arbeitnehmers keine Anwendung findet, bleibt es dabei, dass die tägliche Arbeitszeit 8 Stunden nicht überschreiten darf. Sie kann auch im Rahmen zu leistender Notdienstbereitschaft auf bis zu 10 Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden (§ 3 ArbZG). Insbesondere ist auch sicherzustellen, dass nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden eingehalten wird (§ 5 Abs. 1 ArbZG).

Leisten Arbeitnehmer in der Apotheke Notdienstbereitschaft an Sonn- oder Feiertagen, ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass ihnen ein Ersatzruhetag zu gewähren ist (§ 11 Abs. 3 ArbZG).

Bei Notdienstbereitschaft an einem Sonntag muss der Ersatzruhetag innerhalb eines den Beschäftigungstag einschließenden Zeitraums von 2 Wochen, bei Notdienstbereitschaft an einem auf einen Werktag fallenden Feiertag von 8 Wochen gewährt werden. Als Ersatzruhetag kommt aber auch ein ohnehin arbeitsfreier Sonnabend oder sonstiger Werktag in Betracht[8].

Fazit

Soweit der BRT zur Anwendung kommt, kann die zur Notdienstbereitschaft bestehende Regelung weiter praktiziert werden. Allerdings ist dafür die schriftliche Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer erforderlich, die diese auch widerrufen können. Soweit das Arbeitsverhältnis des zu Notdienstbereitschaft verpflichteten Arbeitnehmers nicht dem BRT unterliegt, kann die tägliche Arbeitszeit einschließlich des Bereitschaftsdienstes höchstens auf 10 Stunden erweitert werden mit Freizeitausgleich innerhalb von 24 Wochen bzw. 6 Monaten. Für die Bezahlung des Notdienstes haben diese arbeitszeitrechtlichen Neuerungen keine Bedeutung.

Fußnoten

1 Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung – Kommentar, Stand: August 2003, § 23 Rn. 89 2 vgl. Fichtel, Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter, Kommentar, § 1 Rn. 2 3 BAG in Der Betrieb 2001, Seite 820; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch § 156, Rn. 17 4 EuGH in Betriebsberater 2003, Seite 2063, ff. 5 BGBl. I 2003, S. 3005 f. 6 Fichtel a.a.O. § 4 Rn 5 7 Franzen in Betriebsberater 2003, S. 2070

8 BAG, NZA 2002, S. 505

Seit Anfang des Jahres gelten in Deutschland neue arbeitsrechtliche Bestimmungen, die den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zum ärztlichen Bereitschaftsdienst Rechnung tragen sollen. Welche Auswirkungen haben die Änderungen des Arbeitszeitrechts auf die Notdienstbereitschaft in Apotheken?

§ 7 des seit 1. Januar 2004 geltenden Arbeitszeitgesetzes

(1) ...

(2) ...

(2a) In einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann abweichend von den §§ 3, 5 Abs. 1 und 6 Abs. 2 zugelassen werden, die werktägliche Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über 8 Stunden zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang eine Arbeitsbereitschaft oder ein Bereitschaftsdienst fällt und durch besondere Regelungen sichergestellt ist, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(3) bis (6) ...

(7) Aufgrund einer Regelung nach Abs. 2a ... darf die Arbeitszeit nur verlängert werden, wenn der Arbeitnehmer schriftlich eingewilligt hat. Der Arbeitnehmer kann die Einwilligung mit einer Frist von 6 Monaten widerrufen. Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, weil dieser die Einwilligung zur Verlängerung der Arbeitszeit nicht erklärt oder die Einwilligung widerrufen hat.

(8) ...

(9) Wird die werktägliche Arbeitszeit über 12 Stunden verlängert, muss im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung der Arbeitszeit eine Ruhezeit von mindestens 11 Stunden gewährt werden.

Literaturtipps

Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter Kommentar für die betriebliche Praxis. Mit Gehaltstarifvertrag und Altersvorsorgetarif sowie Textmustern. Von Ulrich Fichtel. 11. Aufl., Ringordner, Fortsetzungswerk, Euro 30,–

Arbeitsrecht in der Apotheke Von Ulrich Fichtel und Christian von Bitter. Euro 24,50

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