- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 7/2004
- Apotheken motivieren ...
DAZ aktuell
Apotheken motivieren Patienten für DMP-Programme der IKK Schleswig-Holstein
Von der Konfrontation zur Kooperation
Ralf Hermes, Vorstandsvorsitzender der IKK Schleswig-Holstein, machte deutlich, dass diese Krankenversicherung und die Apotheken in ihren Verhandlungen einen Weg von der Konfrontation zur Kooperation gefunden hätten. Die gesetzlichen Vorgaben würden den Veränderungsprozess im Gesundheitswesen noch mehr beschleunigen, was verlässliche Partner erfordere. In diesem Sinne würde mit den Apotheken auch über neue Lösungen für die Dauerversorgung mit Diabetikerhilfsmitteln verhandelt.
Als Beispiel für weitere künftige Veränderungen im Gesundheitswesen nannte er die integrierte Versorgung. Diese sollte möglichst erst für begrenzte Indikationen in überschaubaren ländlichen Räumen erprobt werden, wobei durchaus mehrere Krankenkassen zusammenarbeiten könnten. Letztlich würden für alle Akteure neue Organisations- und Kooperationsformen entstehen.
Derzeit steht jedoch das neue DMP im Vordergrund. Die vom Gesetzgeber gewollte Verknüpfung des Risikostrukturausgleichs mit den DMP halte er für einen Fehler. Doch sollten die Versicherten den Weg in eine sinnvolle Beschränkung finden, wobei die Kosten gesenkt und die Qualität der Versorgung verbessert werden soll.
Informationsaufgabe der Apotheken
Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, hob das Engagement der IKK für die Ausrichtung der apothekenbezogenen Veranstaltung hervor und stellte die Rolle der Apotheken in diesem DMP dar. Ihre Dienstleistung besteht darin, IKK-Patienten zu identifizieren, die als Chroniker in ein DMP eingeschrieben werden könnten und diese zu informieren und zu motivieren.
Mit interessierten Patienten sollen die Apotheker ein Anfragefax an die IKK ausfüllen und dies an die Krankenkasse senden. Diese kümmert sich um die weitere Information der Patienten und führt sie zur Einschreibung bei einem beteiligten Hausarzt. Für die erfolgreiche Vermittlung wird die Apotheke einmalig mit 4 Euro honoriert.
Nach Einschätzung von Froese liegt der Wert des Vertrages für die Apotheken in der Einbindung der Apotheke in die Vertragsstruktur. Dies sei als Teil der Leistungen der IKK-Serviceapotheke zu verstehen und erhöhe die Bindung der Kunden an die Apotheke.
Die intensivere Betreuung beim Arzt und in der Serviceapotheke greife unmittelbar ineinander. Da der nun praktizierte Vertrag bereits vor der Einführung der IKK-Serviceapotheken unterzeichnet wurde, wird das neue Programm aber unter der Bezeichnung "IKK promed" propagiert.
Anreize für Krankenkassen
Ein wesentlicher Antrieb für die schnelle Entwicklung des DMP dürfte die Finanzierung über den Risikostrukturausgleich sein. Nach dem Willen des Gesetzgebers wird der Ausgleich nicht an die Anzahl der chronisch kranken Versicherten, sondern an die Anzahl der eingeschriebenen DMP-Teilnehmer geknüpft, die naturgemäß Chroniker sein müssen.
IKK-Mitarbeiterin Ellen Pahling stellte dar, dass die Krankenkassen für DMP-Teilnehmer beträchtliche Gutschriften im Risikostrukturausgleich bekommen bzw. einzahlende Kassen, wie die IKK Schleswig-Holstein, daraufhin geringere Zahlungen leisten müssen. Selbstverständlich können nur Versicherte eingeschrieben werden, die klare Krankheitskriterien erfüllen.
Zuzahlungen werden erlassen
Für die Patienten dürfte der herausragende Anreiz zur Teilnahme am DMP der Erlass der Zuzahlungen werden. Die eingeschriebenen Patienten werden von sämtlichen Zuzahlungen, insbesondere der Rezeptgebühr bei allen Arzneimitteln und der Praxisgebühr befreit. Ausgenommen sind nur der Zahnersatz und die Selbstbeteiligung im Krankenhaus.
Die weiteren Auswirkungen für die Versicherten stellte IKK-Mitarbeiterin Dörthe Vagts vor. Demnach werden die eingeschriebenen Patienten auf die intensive Beratung in den IKK-Serviceapotheken hingewiesen. Ihnen werden ein Bewegungsprogramm, die individuelle Ernährungsberatung, ein Raucherentwöhnungsprogramm, ein modular aufgebautes "Fernstudium" und Informationen für Diabetiker am Arbeitsplatz angeboten.
Durch einen Vertrag mit dem Orthopädiehandwerk erhalten sie für 75 Euro spezielle Schuhe zur Vorbeugung gegen den diabetischen Fuß. Im frühen Krankheitsverlauf sind dies speziell gefertigte Konfektionsschuhe, die normalerweise für etwa 350 Euro verkauft werden, im späteren Krankheitsverlauf werden die Schuhe nach Maß gefertigt.
Geregelter Versorgungsablauf
Stephan A. Schreiber, Diabetologe und Mitglied der Diabeteskommission der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein, beschrieb den Versorgungsprozess für die Teilnehmer des DMP. Die Patienten können sich nur bei kooperierenden Hausärzten einschreiben. Ärzte, die an qualifizierenden Maßnahmen teilnehmen, bilden die Versorgungsebene 1. Sie stellen die normale Versorgung im Rahmen des DMP sicher und schulen die Diabetiker. Teilnehmende Patienten müssen sich in jedem Quartal bei dem behandelnden Arzt vorstellen.
Wenn Komplikationen eintreten oder die Therapiezielwerte über zwei Quartale nicht erreicht werden, überweisen sie die Patienten an eine der 26 Diabetesschwerpunktpraxen in Schleswig-Holstein. Dort werden problematische Fälle behandelt und im Erfolgsfall zurück zu den Hausärzten oder nötigenfalls weiter ins Krankenhaus überwiesen.
Für die Überweisung und die Rücküberweisung bestehen jeweils klare Regeln, so dass die Hausärzte nicht fürchten müssen, Patienten zu verlieren. Die Schwerpunktpraxen sollen die Patienten nicht dauerhaft versorgen. Der direkte Weg der Patienten zu den Schwerpunktpraxen ist im DMP nicht mehr vorgesehen.
Bisher bezieht sich das Programm nur auf Patienten mit Diabetes Typ II. Doch sind Programme für Diabetes Typ I, Brustkrebs und andere Krankheiten bald zu erwarten. Etwa 30 Krankheiten gelten als DMP-fähig, so dass ein großer Teil der Chroniker erfasst werden könnte. Daher laufen Ärzte, die sich nicht am DMP beteiligen, nach Einschätzung von Schreiber langfristig Gefahr, viele Patienten zu verlieren.
Für die Ärzte biete das DMP zudem die einzige Möglichkeit, Einnahmen außerhalb des Budgets zu erzielen. Dennoch nehme bisher erst knapp die Hälfte der Hausärzte an dem Programm teil. Schreiber appellierte an die Apotheker, zögernde Ärzte zur Teilnahme zu motivieren. Die inhaltliche Kritik, die manche Ärzte äußern, gehe an der Realität vorbei. Entgegen manchen Behauptungen werde die Therapiefreiheit nicht beeinträchtigt.
Es sollten 50% der Ärzte (nach zwei Jahren 60%, nach drei Jahren 70% der Ärzte) jeweils mindestens 50% der Patienten mit Arzneistoffen therapieren, die in Leitlinien vorrangig empfohlen werden, d. h. insbesondere mit Humaninsulin, Sulfonylharnstoffen oder Metformin. Doch würden diese Quoten sogar für das dritte Jahr bereits heute erfüllt.
Bürokratische Hürden
Allerdings räumte Schreiber ein, dass derzeit noch bürokratische Hindernisse auszuräumen sind, damit das DMP in der gewünschten Weise funktioniere. So seien die Evaluationsbögen zu kompliziert und teilweise unlogisch. Dies blockiere die Auswertung und damit auch die Auszahlung der vorgesehenen Finanzmittel.
Außerdem habe sich herausgestellt, dass der Auftrag zur Auswertung der Daten europaweit hätte ausgeschrieben werden müssen. Skurrilerweise müsse sogar der Auftrag zur Durchführung dieser Ausschreibung ausgeschrieben werden. Doch dürften die größten Anfangsschwierigkeiten schon im April überwunden sein.
Nach Einschätzung von Schreiber kann künftig nach dem Willen des Gesetzgebers eine hochwertige Chronikertherapie nur noch im Rahmen eines DMP bezahlbar durchgeführt werden. Durch die Einführung des DMP hätten Patienten, Ärzte, Apotheken, Krankenkassen und der Gesetzgeber erstmals ein gemeinsames Interesse.
In Schleswig-Holstein findet derzeit eine Premiere statt. Da die Apotheken in das Disease-Management-Programm (DMP) der IKK Schleswig-Holstein eingebunden sind, veranstaltet erstmals eine Krankenkasse spezielle Informationsveranstaltungen für Apotheker und ihre Mitarbeiter. Für die in das DMP eingeschriebenen Diabetiker wird eine neue Versorgungsstruktur mit einer Abstufung zwischen Hausärzten und Schwerpunktpraxen geschaffen. Als besonderen Anreiz werden die beteiligten Patienten von allen Zuzahlungen außer für den Zahnersatz und das Krankenhaus befreit.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.