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Arzneimittel und Therapie
Geflügelpest in Asien: Gefahr für den Menschen?
Die echte Grippe gehört zu den bedrohlichsten Krankheiten des Menschen. In diesem Winter hat der vorherrschende Typ Influenza Fujian in Großbritannien fünf Kinder getötet. Aber auch Spanien, Portugal, Norwegen, Frankreich und schließlich auch Deutschland verzeichnen mittlerweile recht hohe Infektionsraten, ebenso der Südwesten der USA und Ozeanien.
Der Erreger mit der Bezeichnung Influenza A/Fujian/411/02 (H3N2) wurde zu spät isoliert, um noch in den Impfstoff für die Saison 2003/2004 integriert werden zu können. Im aktuellen Impfstoff ist jedoch der ähnliche Virusstamm Influenza Panama enthalten, der die vergangenen Jahre dominiert hatte, sodass ein wirksamer Schutz gegen die Grippe gegeben ist. Fujian wird keine Pandemie oder eine ähnlich bedrohliche Entwicklung zugetraut.
Dieser erfreulichen Prognose steht die Bedrohung durch die derzeit in Asien sich ausbreitende Vogelgrippe, Geflügelpest bzw. aviäre Influenza (lat. avis = Vogel) entgegen. Es besteht die Möglichkeit, dass die beiden Viren – Fujian von Europa aus und H5N1 von Ostasien aus – aufeinanderstoßen.
Wird ein Mensch mit beiden Virusformen gleichzeitig infiziert, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass durch genetische Rekombination Mischformen der beiden Stämme mit ganz anderen Oberflächenproteinen entstehen, die schwere Grippe-Epidemien auslösen können.
Grippeviren haben eine große genetische Variabilität
Influenza sind RNA-Viren aus der Familie der Orthomyxoviridae; sie teilen sich in die Klassen A, B und C ein. Die Influenzatypen A und B bewirken die Grippewellen der Wintermonate. Typ A kommt auch in mehreren Tierarten vor, vor allem im Hausschwein und bei Hühnern, Enten und anderen Wasservögeln.
Die Typ-A-Viren unterscheiden sich bisher entsprechend der Kombination der Hüllenproteine Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N) in 15 Hämagglutinin-Varianten und neun Neuraminidase-Varianten. Der Grund für die große genetische Variabilität der Grippeviren liegt in ihrer fehlerhaften Genomkopierung. Sie bauen beim Kopieren ihrer Erbsubstanz um ein Vielfaches häufiger als andere Zellen Fehler in Form eines falschen genetischen Bausteins ein.
Das Influenza-A-Virus ist in Wasservögeln zu Hause. 60 Prozent der kanadischen Enten tragen es mit sich herum, ohne darunter zu leiden. Das Virus befällt in erster Linie die Darmschleimhaut der Vögel. Das Virus wird über den Kot ausgeschieden und über die Nasen- und Augenflüssigkeit abgeben. Eine Infektion mit dem Subtyp H5N1 erfolgt wahrscheinlich über kontaminierten Staub und mangelnde Handhygiene.
Von Zeit zu Zeit geht so ein Vogelvirus auf Säugetiere wie Schwein und Mensch über. Der enge Kontakt von Tier und Mensch, wie er vor allem in Asien gegeben ist, erleichtert den Vorgang. In Personen in Südchina, die intensive Geflügelzucht betreiben, konnten Antikörper gegen verschiedene Subtypen des Influenza-A-Virus nachgewiesen werden, die normalerweise spezifisch für Vögel sind.
Antigendrift verhindert dauerhafte Immunisierung
Das Virus unterläuft eine aufgebaute Immunität permanent durch Mutationen. Diese Änderung der antigenen Eigenschaften nennt man Antigendrift. Sie macht eine dauerhafte Immunisierung unmöglich. Die WHO betreibt zum schnellen Erkennen der Driftvarianten ein weltweites Netz von 110 nationalen Influenzazentren, die die zirkulierenden Influenzaviren isolieren, serologisch typisieren und subtypisieren und genetisch charakterisieren.
Repräsentative und ungewöhnliche Stämme werden den vier WHO-Zentren in Atlanta, in London, Melbourne und Tokio für vergleichende Analysen zur Verfügung gestellt. Eine Expertenkommission prognostiziert die Zusammensetzung des Impfstoffes der nächsten Saison. Diese Impfstoffempfehlung wird in Europa noch einmal von der Europäischen Agentur zur Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) überprüft bzw. bestätigt. Diese Strategie hat sich in den letzten zehn Jahren sehr gut bewährt.
Impfstoffherstellung ist schwierig
Bisher sind verhältnismäßig sehr wenige Menschen an der Vogelgrippe H5N1 erkrankt. Das liegt an den großen genetischen Unterschieden der Influenzaviren von Vogel und Mensch. Grundsätzlich gilt aber, dass sich die Vogelviren, auf Mensch oder Schwein übertragen, so verändern können, dass sie auch von Mensch zu Mensch springen können.
Dies scheint in der Tat nun der Fall zu sein. Am 1. Februar 2004 wurde die erste Infektion von Mensch zu Mensch aus Vietnam gemeldet. Ob dies der Beginn einer großen Pandemie des Erregers ist, bleibt abzuwarten. Hinzu kommt, dass die Entwicklung und Produktion eines passenden Impfstoffs gegen H5N1 schwierig ist. Denn Impfstoff wird bisher aus Hühnereiern gewonnen, gegen deren Embryonen das Virus tödlich ist.
Nach Angaben der WHO wird derzeit an der Entwicklung eines H5N1-Impfstoffes gearbeitet, ein Saatvirus für die Impfstoffproduktion könnte in etwa ein bis zwei Monaten verfügbar sein, dann könnte ein wirksamer Impfstoff für die Allgemeinheit möglicherweise in etwa sechs Monaten zur Verfügung stehen.
Neuraminidasehemmer gegen die Vogelgrippe
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) besteht derzeit keine Gefahr für Reisende in die betroffenen Gebiete, die WHO verschärfte allerdings ihre Warnung vor einer weltweiten Grippeepidemie mit Millionen von Toten. Dieser Bedrohung zu begegnen, dürfte auch in Deutschland schwer fallen.
Zwar könnten die deutschen Impfstoff-Produzenten innerhalb von drei Monaten nach Eingang des aktuellen Erregerstammes drei bis vier Millionen Impfdosen produzieren. Für die deutsche Bevölkerung würden aufgrund der anzunehmenden europaweiten Influenzawelle aber nur 1 Millionen Dosen initial zur Verfügung gestellt.
Die Katastrophenpläne des Robert Koch-Institutes sehen vor, dass zuerst Feuerwehrleute, Polizisten und Menschen, die in der Energie- und Wasserversorgung und im Gesundheitswesen tätig sind, geimpft werden. Allein für sie würden zu Beginn einer Epidemie jedoch mehr als 7 Millionen Impfdosen gebraucht.
Noch einmal 26 Millionen würden benötigt, um die Hochrisikogruppen der Alten, chronisch Kranken und Kinder und Jugendlichen zu impfen. Alle Vogel-Influenzaviren sind Influenza-A-Viren. Damit sind theoretisch alle in Deutschland gegen Influenza-Erkrankungen zugelassenen und verfügbaren Medikamente wirksam. Zu diesen zählen die so genannten Neuraminidasehemmer Oseltamivir (Tamiflu®) und Zanamivir (Relenza®).
Laborversuche mit Neuraminidasehemmern an den im Jahre 1997 isolierten H5N1-Viren sprechen für eine prinzipielle Wirksamkeit dieser Präparate, denn sie blockieren die Neuraminidase, ein Oberflächenenzym der Viren, das die in der umprogrammierten Wirtszelle produzierten Viren von der Oberfläche losschneidet. Wird die Neuraminidase gehemmt, kann das Virus keine neuen Zellen infizieren.
Die Geflügelpest wird durch bestimmte Subtypen des Influenza-A-Virus verursacht, die für Vögel hochpathogen sein können. In der Vergangenheit haben Viren des Suptyps H5N1 auch schwere Atemwegserkrankungen beim Menschen hervorgerufen. Wie gefährlich ist der Ausbruch der Vogelgrippe in Asien?
Pandemie
Kommt es zu einem massenhaften Auftreten einer Krankheit, vor allem einer Infektionskrankheit, in einem begrenzten Gebiet und Zeitraum, spricht man von einer Epidemie. Eine Pandemie ist eine länderübergreifende oder sogar weltweit übergreifende Epidemie.
Das Wort Pandemie ist aus dem griechischen Wörtern pan (= alles) und demos (Volk) abgeleitet. Eine in einer Gegend heimische Krankheit, von der ein größerer Anteil der Bevölkerung regelmäßig erfasst wird, wird als Endemie bezeichnet.
Informationen zur Geflügelpest im Internet
Robert Koch-Institut: Fragen und Antworten zur Geflügelpest www.rki.de/INFEKT/GP/GP_FAQ.PDF www.rki.de/INFEKT/HTM
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Empfehlungen für Beschäftigte in Geflügelfarmen und Veterinäre www.baua.de/prax/abas/besch608.pdf
Länder- und Reiseinformationen des Auswärtigen Amtes: www.auswaertiges-amt.de
Weltgesundheitsorganisation: www.who.int/csr/diseasee/avian_influenza/en/
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