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BSE Update 2004: Zu früh für eine Entwarnung
292 BSE-Fälle habe es seit Beginn der Testung bislang in Deutschland gegeben, berichtete der Fachgebietsleiter Risikoverfahren im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Dr. Axel Thiele, im vergangenen Jahr statistisch gesehen immer noch einen BSE-Fall pro Woche. Mit der Zahl von rund 300 Fällen stehe Deutschland weltweit etwa im Mittelfeld.
Mit weitem Abstand an der Spitze befänden sich die Iren (1355 Fälle), gefolgt von Frankreich (891), Portugal (839), der Schweiz (451) und Spanien (372), während Länder wie Polen, Japan, Tschechien, Luxemburg und Österreich kaum Fälle zu verzeichnen hätten. Bei der Gewichtung dieser Zahlen sei allerdings auch die Anzahl der durchgeführten Tests zu berücksichtigen, die in Deutschland vergleichsweise außerordentlich hoch sei (allein in 2003 rund 2,1 Mio. Testungen, zum Vergleich: In Japan gab es 2003 rund 420 000 Testungen).
Zur Risikosituation speziell im Ursprungsland "Großbritannien" ergänzte der Leiter des nationalen Referenzzentrums für die BSE und Scrapie-Diagnostik, Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Riems, Priv.-Doz. Dr. Martin Groschup, dass die heutigen britischen BSE-Fälle fast ausnahmslos solche Tiere beträfen, die vor 2001, d. h. vor Einführung des Verbots der Verfütterung von Tiermehl geboren wurden. Ob die Maßnahmen tatsächlich gegriffen hätten, sei daher noch gar nicht beurteilbar.
Die europäischen Rechtsvorschriften zur Abwehr des Risikos der Übertragung transmissibler spongiformer Enzephalopathien (TSE) sind zweigleisig angelegt. Neben einer allgemeinen Verordnung (999/2001), die im Wesentlichen auf den Lebensmittelbereich Anwendung findet, gibt es spezielle arzneimittelrechtliche Regelungen, in deren Zentrum die "Note for Guidance on minimising the risk of transmitting animal spongiform encephalopathy via human and veterinary medicinal products" (EMEA/410/01) steht.
Diese wurde im Oktober 2003 von den europäischen Ausschüssen für Humanarzneimittel (CPMP) und für Tierarzneimittel (CVMP) in einer geänderten Fassung angenommen, die die Vorläufer-Version von 2001 ersetzt (ABl. EG Nr. C 24/6 vom 8. 1. 2004).
Leitlinie erfordert viel Eigenverantwortung
Die Leitlinie regelt alle Einzelheiten im Zusammenhang mit der Frage, wie mit potenziell BSE-risikobehafteten Ausgangsstoffen für Arzneimittel umgegangen werden soll, und welche Belege die Arzneimittel- und Rohstoffhersteller zum Beleg der BSE-Freiheit der verwendeten Ausgangsstoffe beizubringen haben.
Entsprechende Vorschriften haben im Übrigen auch im Europäischen Arzneibuch Niederschlag gefunden. Die Pharmahersteller hatten seinerzeit umfangreiche Dokumente zum Beleg der BSE-Sicherheit ihrer Produkte eingereicht, die fortlaufend aktualisiert werden sollen. Thiele bedauerte, den Firmen auf Basis der aktualisierten Leitlinie noch kein Patentrezept für den geforderten Belegumfang geben zu können.
Die Leitlinie sei weiterhin so angelegt, dass der sich ständig wandelnden Risikosituation Rechnung getragen werde, d. h., letzten Endes müsse jeder Hersteller für jeden Ausgangsstoff nach Prüfung der Einzelkriterien, z. B. Art des verwendeten tierischen Materials und dessen geographischer Herkunft, selbst entscheiden, wie weit die Recherche zu führen sei und wie weit die Dokumentation und Belegpflicht zu gehen habe. Den Herstellern komme hier ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Entscheidungskompetenz zu.
Gleichzeitig beruhigte Thiele die Industrie aber auch. Zumindest für bereits zugelassene Präparate werde sich aus seiner Sicht nicht viel ändern. Im Übrigen sei die Zulassungsbehörde dabei, das so genannte 20 Punkte-Schema zur BSE-Risikobeurteilung auf Basis der geänderten Guideline zu überarbeiten, so dass die Firmen in Kürze wieder eine klarere Handlungsanweisung an der Hand hätten.
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