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Arzneimittel und Therapie
Impfung zur Behandlung von Süchtigen?
Dies hat unter anderem auch biologische Gründe. Der Wirkungsmechanismus von Kokain unterscheidet sich nämlich von dem anderer Drogen. Kokain blockiert die Wiederaufnahme verschiedener Neurotransmitter, vor allem von Dopamin, in die Gehirnzelle. Das führt dazu, dass im Überschuss vorhandenes Dopamin an den neuronalen Schaltstellen, den Synapsen, für lange Zeit wirksam ist. Dies bewirkt quasi eine Dauerfreischaltung der "Kick-Zentren". Dagegen fördern andere Drogen die vorübergehende Freisetzung bestimmter Neurotransmitter, verstärken also normalerweise ablaufende Vorgänge.
Während sich Drogen, die Neurotransmitter im Überschuss freisetzen, zumindest theoretisch durch geeignete chemische Substanzen blockieren lassen, kann ein Rauschgift wie Kokain, das die Wiederaufnahme von Dopamin unterbindet, aber nicht einfach gehemmt werden. Von der chemisch-pharmakologischen Seite sind deshalb derzeit keine Lösungen für die Behandlung von Kokainabhängigen zu erwarten.
Antikörper fangen Kokain vor dem Eintritt ins Gehirn ab
Da liegt die Überlegung nahe, Kokain mit im Blut zirkulierenden Anti-Kokain-Antikörpern zu neutralisieren. Diese Idee ließ sich bislang jedoch nicht in die Praxis umsetzen, weil das Kokain-Molekül zu klein ist, um vom Immunsystem als fremd erkannt zu werden, also auch nicht die Bildung von Antikörpern induziert. Forscher der britischen Pharmafirma Xenova haben dieses Problem dadurch umgangen, in dem sie Kokain mit einer Untereinheit des Choleratoxins – einem sehr potenten Immunogen – gekoppelt haben. Der Kokain-Choleratoxin-Komplex führt, wenn zusammen mit einem Impfverstärker injiziert, zur Bildung von Anti-Kokain-Antikörpern.
Allerdings sind drei bis vier Impfungen notwendig, um die Antikörperkonzentration auf ein ausreichend hohes Niveau zu bringen. Gelangt die Droge nach Schnupfen oder Rauchen in das Blut, binden die Antikörper das Kokain. Der Antikörper-Kokain-Komplex ist allerdings zu groß, um die Blut-Hirn-Schranke zu passieren. Gelangt kein Kokain in das Gehirn, gibt es aber auch keinen Kick. Sucht, so die Überlegung der britischen Forscher, wird dann erst gar nicht entstehen bzw. falls schon vorhanden, wird sie nicht perpetuiert.
Auffrischimpfungen nötig
Die Sicherheits- und Dosis-Findungs-Studien hat die Kokain-Vakzine bereits erfolgreich bestanden. In einer ersten Wirksamkeitsstudie mit 22 Kokain-Abhängigen, deren Ergebnisse im Sommer auf der 66. Tagung des College of Problems of Drug Dependence vorgestellt wurden, schafften es 75% der Geimpften für mindestens drei Monate "clean" zu bleiben. Diejenigen, die rückfällig wurden, berichteten, dass der Kick nach Kokaingenuss deutlich schwächer gewesen sei als vor der Impfung. Eine Wirksamkeitsstudie mit 132 Süchtigen, die von der Droge loskommen wollen, wurde im Oktober 2003 begonnen und soll in Kürze veröffentlicht werden.
Das auf den ersten Blick einleuchtende Konzept hat allerdings einen Haken: durch die Vakzine wird nur die Wirkung des Kokains im Gehirn unterbunden, nicht aber sein Konsum. Um den gewohnten Kick zu erreichen, kann man immer noch die Dosis – oder die Häufigkeit – der Einnahme steigern. Außerdem benötigen Abhängige drei bis vier Auffrischimpfungen pro Jahr, weil die Konzentration der Anti-Kokain-Antikörper verhältnismäßig rasch abfällt.
Quelle
Katsnelson, A.: Ethical quagmire awaits vaccine for cocaine addiction. Nature Medicine 10, 1007 (2004).
Kosten, T. R.; et al.: Human therapeutic cocaine vaccine: safety and immunogeni- city. Vaccine 20(7 – 8): 1196 – 1204 (2002).
Prof. Dr. med. H. Feldmeier, Berlin
Zum Weiterlesen Dopamin und Suchterkrankungen
Med Monatsschr Pharm 1997;20:300-09. www.medmopharm.de
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