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Arzneimittel und Therapie
Black Box Warning für Pimecrolismus und Tacrolismus
DAZ
Zum Schutz von Patienten hat die FDA die Möglichkeit, besondere Warnhinweise für Arzneimittel auszusprechen. Diese erscheinen als schwarzer Kasten (Black Box) in der Fachinformation. Warum hat die FDA eine Black Box Warning für topische Calcineurin-Inhibitoren ausgesprochen?
Wahn:
Diese Empfehlung der FDA entspricht einem besonders vorsichtigen Umgang mit den relativ neuen Substanzen Pimecrolimus und Tacrolimus. Hintergrund der Empfehlung sind Daten aus tierexperimentellen Untersuchungen mit extrem hohen Dosierungen und aus einer sehr geringen Anzahl verschiedener maligner Erkrankungen bei Erwachsenen und Kindern. In den vergangenen Jahren wurden weltweit ca. acht Millionen Menschen mit topischen Immunmodulatoren therapiert. Die Anzahl gemeldeter maligner Erkrankungen unter der Behandlung mit diesen Substanzen muss mit einer gleich großen Gruppe Nicht-Behandelter verglichen werden.
Nach meinem Kenntnisstand ist die Anzahl gemeldeter maligner Erkrankungen in der Gruppe der Behandelten niedriger als unter den Nicht-Behandelten. Dabei halte ich das Vorgehen der FDA, gerade bei Kindern eine besondere Aufmerksamkeit walten zu lassen, für nachvollziehbar und verständlich. Nicht akzeptabel ist es dagegen aus dieser Black Box Warning irgendwelche Schlüsse für das individuelle Risiko eines einzelnen Patienten abzuleiten.
DAZ
Welche Konsequenzen hat ein US-amerikanischer Warnhinweis für Europa, insbesondere für Deutschland?
Werfel:
Ein solcher Warnhinweis hat im rechtlichen Sinne keine Konsequenzen für Europa. Trotzdem werden sich die europäischen Behörden inhaltlich auch mit diesen Fragen auseinander setzen.
DAZ
Das Pediatric Advisory Committee glaubt Hinweise dafür zu haben, dass Patienten unter der Therapie mit topischen Calcineurin-Inhibitoren langfristig ein erhöhtes Risiko haben, an Lymphomen oder Hautkrebs zu erkranken. Für wie groß halten Sie das Neoplasie-Risiko, wenn Kinder, die an atopischer Dermatitis leiden, mit Calcineurin-Inhibitoren behandelt werden?
Wahn:
Jeder Kinderarzt wird grundsätzlich eine sehr sorgfältige und kritische Nutzen-Risiko-Abwägung walten lassen. Für Kinder, die mit Calcineurin-Inhibitoren behandelt werden, gibt es in der Regel nur eine therapeutische Alternative - die Cortisonbehandlung über längere Zeit. Und bei Abwägung von Nutzen und Risiko bin ich der festen Überzeugung, dass Calcineurin-Inhibitoren auch künftig als Corticoid-Alternative ins Kalkül gezogen werden müssen.
Die wenigen vom Pediatric Advisory Committee aufgelisteten Fälle ergeben keine Evidenz für erhöhtes Neoplasie-Risiko bei Kindern, die mit Calcineurin-Inhibitoren behandelt wurden im Vergleich zu nicht-behandelten Kindern. Ich wäre deshalb unglücklich, wenn aus der aktuellen Diskussion der Schluss gezogen würde, es sei ein unvertretbares Sicherheitsrisiko, bei einem kranken Kind Calcineurin-Inhibitoren anzuwenden und man sich nur an Glucocorticoid-Präparaten orientieren würde.
DAZ
Wenn aus der aktuellen Datenlage kein erhöhtes Risiko für Neoplasien abzuleiten ist, warum hat sich die FDA dann zu diesem Schritt entschlossen?
Werfel:
Das lässt sich schwer eindeutig beantworten. Von außen stellt es sich so dar, dass sich die FDA entschlossen hat, hier besonders vorsichtig zu agieren. Natürlich ist es sinnvoll, neue Therapieprinzipien auch nach der Markteinführung weiterhin sehr sorgfältig zu beobachten. Da gerade Kinder häufig an einer Neurodermitis leiden, ist es besonders erfreulich, dass Calcineurin-Inhibitoren zu den wenigen neuen Therapieprinzipien gehören, die nach entsprechend sorgfältiger kontrollierter klinischer Prüfung von Beginn an auch für Kinder zugelassen waren. Warum es zu diesem Zeitpunkt zu einer Black Box Warning gekommen ist, bleibt für Außenstehende nicht ganz nachvollziehbar.
Sowohl die publizierten Daten als auch die Meldungen über Krebserkrankungen nach Zulassung dieser Medikamente sprechen nicht dafür, dass tatsächlich ein erhöhtes Krebsrisiko bei der Behandlung mit Calcineurin-Inhibitoren vorliegt. Spekuliert werden kann darüber, ob die FDA mit der Black Box Warning ausdrücklich darauf hinweisen möchte, dass die Verwendung der topischen Calcineurin-Inhibitoren außerhalb der Zulassung nicht erwünscht ist und so den in den USA weit verbreiteten "Off-label-use" einschränken möchte.
DAZ
Ein besonderes Problem für Eltern und behandelnde Ärzte sind Kleinkinder unter zwei Jahren, die an atopischer Dermatitis leiden. Welche Aspekte sind hier für Nutzen-Risiko-Abwägung von Bedeutung?
Wahn:
In den meisten Ländern der Welt gab es bisher keine Zulassung für Calcineurin-Inhibitoren bei Kindern unter zwei Jahren. Es liegen jedoch für diese Altersgruppe in breitem Umfang Erfahrungen u. a. aus verschiedenen Studien vor. Alle daraus gewonnenen Sicherheitsdaten sprechen dafür, dass kein zusätzliches Risiko bei der Therapie mit topischen Immunmodulatoren in Kauf genommen werden muss. Darüber hinaus wird deutlich, dass die Akzeptanz dieser Therapieoption im Gegensatz zu Corticosteroiden außerordentlich hoch ist. Im Moment spricht außerdem einiges dafür, dass sich das Langzeitmanagement mit topischen Immunmodulatoren günstiger darstellt als bei Corticoiden.
Werfel:
Unsere Klinik hatte die Studienleitung bei einer großen kontrollierten Multicenterstudie, in der Säuglinge ab drei Monaten über einen längeren Zeitraum mit topischen Immunmodulatoren behandelt wurden. Aus den Ergebnissen dieser und anderer publizierter Studien ließ sich kein Sicherheitsrisiko bei Verwendung von topischen Immunmodulatoren ableiten. Man muss jedoch nochmals darauf hinweisen, dass diese Präparate auch in Deutschland derzeit erst ab dem zweiten Lebensjahr zugelassen sind. Es wäre sehr wünschenswert, wenn die pharmazeutischen Unternehmen die Zulassung hier auch für jüngere Kinder vorantrieben, was die Rechtssicherheit bei der Verordnung in dieser Altersgruppe erhöhen würde.
DAZ
Wie sieht es aus mit dem Auftreten anderer unerwünschter Arzneimittelwirkungen bedingt durch eine mögliche Schwächung der Immunabwehr bei der Anwendung von Calcineurin-Inhibitoren?
Werfel:
Aufgrund der bekannten Studienergebnisse gehen wir nicht davon aus, dass topische Immunmodulatoren die Immunabwehr des Körpers in irgendeiner Weise schwächen, Therapieprinzip ist vielmehr eine lokale antientzündliche Behandlung. Diese Aussage wird durch verschiedene klinische Parameter direkt unterstützt sowie indirekt durch die Tatsache, dass bei der topischen Therapie keine Blutspiegel der Calcineurin-Inhibitoren nachweisbar sind, bzw. bei großflächiger Anwendung in so geringer Konzentration, dass es nicht zu einer Immunschwächung kommt.
DAZ
Sollte nach Ihrer Einschätzung die Anwendung der topischen Calcineurin-Inhibitoren eingeschränkt werden und wie beurteilen Sie die Sicherheit dieser Präparate allgemein?
Wahn:
Nach nunmehr siebenjähriger eigener Erfahrung mit diesen Präparaten haben mich die aktuellen Daten nicht dazu gebracht, das Nutzen-Risiko-Verhältnis der topischen Immunmodulatoren neu zu bewerten. Wir sollten uns glücklich schätzen, gerade bei der Behandlung von jungen Menschen eine Alternative zu den topischen Corticosteroiden zu haben. Ich bin unverändert überzeugt davon, dass ein Langzeiteinsatz sich über Jahre als sichere therapeutische Intervention herausstellen wird, obwohl bisher - wie bei jeder Innovation - keine Langzeitdaten vorliegen.
Selbstverständlich muss die Therapie insbesondere bei sehr jungen Patienten mit der gebotenen Sorgfalt überwacht und dokumentiert werden. Wir sollten dies aber in dem Bewusstsein tun, dass wir sehr vielen Kindern die Exposition gegenüber Corticosteroiden in einer sensiblen Altersphase ersparen bzw. auf das notwendige Minimum reduzieren können.
Werfel:
Aus dermatologischer Sicht wäre hier zu ergänzen, dass unter der Langzeitanwendung topischer Corticoide spezielle Steroidnebenwirkungen auftreten können, wie z. B. im Gesicht die Steroid-induzierte Rosazea oder periorale Dermatitis. Besonders problematisch ist auch die Langzeitanwendung von Corticoiden in intertriginösen Bereichen. Die Einführung topischer Immunmodulatoren als Alternative zu Corticoiden bedeutet in der Behandlung von Patienten mit Neurodermitis einen deutlichen Fortschritt.
Wir möchten diese Substanzen in der Praxis nicht mehr missen, da sich damit nun auch die genannten empfindlichen Hautbereiche gut therapieren lassen. Nach der bisherigen Erfahrung, die sich auf einen Zeitraum von sieben Jahren bezieht, sehe ich hinsichtlich des Sicherheitsprofils zu diesem Zeitpunkt keinen Anlass, die Anwendung von Calcineurin-Inhibitoren bei bestimmungsgemäßem Gebrauch einzuschränken.
DAZ
Vielen Dank für dieses Gespräch! Mw
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