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Logistik und Beratung gehören zusammen

BERLIN (ks). Die Gesundheitsreform zeigt im Arzneimittelbereich vielerlei Wirkung und bescherte vielen Apotheken ein wirtschaftlich problematisches Jahr 2004. Dennoch leistet die Apothekerschaft einen unverzichtbaren Beitrag im deutschen Gesundheitswesen, der nicht leichtfertig auf Spiel gesetzt werden sollte. Diese Botschaft übermittelten die Präsidenten des Landesapothekerverbands (LAV) und der Landesapothekerkammer (LAK) Baden-Württemberg den Bundestagsabgeordneten, die am 19. April zu ihrem parlamentarischen Abend in Berlin erschienenen waren.

LAV-Präsident Fritz Becker präsentierte den Gästen Zahlen und Daten zum baden-württembergischen Arzneimitteljahr 2004: Infolge der Gesundheitsreform sanken sowohl die Umsätze mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als auch die Anzahl der abgegebenen Packungen. Gegenüber 2003 gingen die GKV-Ausgaben für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel um 9,6 Prozent zurück. Der eigentliche Zahlbetrag – abzüglich Zuzahlungen, Apotheken- und Herstellerabschlägen – reduzierte sich gegenüber 2003 gar um 11,75 Prozent.

Die Zahl der verordneten Packungen sank um 21 Prozent. Becker verwies auch darauf, dass die Patienten im Land knapp 30 Prozent mehr Zuzahlungen geleistet haben, obwohl gut jede fünfte Verordnung wegfiel – ein Thema, zu dem in den Apotheken viele Gespräche geführt wurden. Insgesamt, so Becker, war 2004 somit "wirtschaftlich kein ganz leichtes Jahr" für die Apotheker.

Probleme mit neuer Importregelung

Kritisch berichtete Becker von den Erfahrungen mit der neuen Importregelung. Er betonte, dass sich die Apotheker um Einsparungen bemühten – es sei aber nahezu unmöglich, die vom Gesetzgeber auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen. Seit Mai 2004 lassen sich nur noch solche Importe auf die Importquote anrechnen, die 15 Euro oder 15 Prozent günstiger sind als das Original. Doch nur wenige Importe auf dem Markt erfüllen dieses Kriterium und so fiel die Quote seitdem deutlich ab. Statt der geforderten fünf Prozent konnten die baden-württembergischen Apotheken nur eine Importquote von 2,72 Prozent realisieren.

"Die nicht zu erzielende Wirtschaftlichkeitsreserve zahlen die Apotheker aus eigener Tasche", unterstrich Becker. Darüber hinaus konnte die Abgabe von Importen lediglich ein monatliches Einsparvolumen von 0,31 Prozent erzielen. Für Becker macht die Regelung daher "nicht viel Sinn". Sie führe lediglich zu einer Verunsicherung der Patienten und mühevoller Arbeit in der Apotheke. Der LAV-Präsident forderte daher die Abschaffung der Import-Regelung.

Veränderungen im OTC-Markt

Becker hob auch die Veränderungen im OTC-Markt hervor: Die Apotheker in Baden-Württemberg mussten im vergangenen Jahr in diesem Segment einen Umsatzrückgang von 12,7 Prozent hinnehmen. Nur noch ein Fünftel des OTC-Gesamtmarktes ging auf ausnahmsweise verordnungsfähige nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel zurück. Gemessen am Umsatz sind dies 26 Prozent. Leichte Schmerzmittel waren im Bereich der Selbstmedikation Spitzenreiter.

Becker verteidigte die weitgehende Preisstabilität in diesem Bereich, obwohl die Preisbindung hier aufgehoben wurde. Zu bedenken sei, dass sinkende Preise zu mehr abgegebenen Packungen führen. Becker warnte in diesem Zusammenhang davor, eine Aufhebung der Apothekenpflicht für OTC-Arzneimittel in Erwägung zu ziehen. Seines Erachtens sollte die Herauslösung bestimmter rezeptfreier Arzneimittel aus dem GKV-Leistungskatalog grundsätzlich noch einmal überdacht werden. Nicht selten würden Ärzte nicht-verschreibungspflichtige Medikamente gegen nebenwirkungsreichere rezeptpflichtige austauschen.

Logistik und Beratung

sind nicht zu trennen Im Anschluss an Beckers Vortrag legte LAK-Präsident Hanke den Gästen aus dem Bundestag dar, warum die Ware Arzneimittel und die Dienstleistung Beratung nicht voneinander trennbar sind. Angesichts des zu beobachtenden Trends, apothekerliche Logistik und heilberufliche Tätigkeit voneinander zu trennen – etwa beim Arzneimittelversandhandel und in der Krankenhausversorgung – sollte den politischen Entscheidern klar sein, was die klassische deutsche Apotheke leistet.

Im sensiblen Gesundheitsbereich sei es wichtig, die Patienten mit allen Sinnen wahrzunehmen, erklärte Hanke. Nur im direkten Kontakt kann der Apotheker beispielsweise feststellen, ob der Käufer eines Arzneimittels gegen Atemwegserkrankungen einen Raucherhusten hat und ihm entsprechende Anwendungshinweise geben. Ebenso kann er möglicherweise einen Alkoholgeruch wahrnehmen und auf Gefahren hinweisen, die sich aus der Kombination von einigen Arzneimitteln mit Alkohol ergeben. Verletzungen, Stiche oder Ausschläge können betrachtet, nebenbei geäußerte Informationen der Patienten aufgenommen und beurteilt werden.

All dies kann eine pharmazeutische Betreuung am Telefon nicht leisten. Hanke betonte, dass es einen Grund habe, warum Arzneimittel der Apothekenpflicht unterliegen: den Verbraucherschutz. So habe etwa die Rückführung von Abführmitteln in die Apothekenpflicht im Jahr 1988 bei diesen Produkten zu einem Umsatzrückgang von rund 60 Prozent geführt.

Hoffnung auf Änderungen

in der EU-Dienstleistungsrichtlinie Nicht zuletzt die derzeit in Straßburg und Brüssel ausgebrütete Dienstleistungsrichtlinie hat den Apothekern – und allen anderen Gesundheitsberufen – neue Sorgen bereitet. Hanke zeigte sich daher erfreut, dass nunmehr Änderungsvorschläge vorliegen, die einen Ausschluss der Gesundheitsberufe aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie vorsehen. Die sozialdemokratische Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt hatte sich hierfür ausgesprochen, um zu verhindern, dass die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation ihres Gesundheitssystems ausgehebelt wird. Für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse – wie es die gesundheitsspezifischen Dienstleistungen sind – könnte eine gesonderte Richtlinie geschaffen werden, erläuterte Hanke. Die Europäische Kommission will bis Ende des Jahres einen Bericht hierzu erstellen.

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