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Größte Schwachstelle Internet
Arzneimittelfälschungen rentieren sich für kriminelle Organisationen sowohl in Entwicklungsländern als auch in Industrienationen. In Entwicklungsländern nutzen die Fälscher den beschränkten Zugang zu Arzneimitteln aus. Fehlende Kontrollen, nicht geregelte Vertriebswege und Korruption begünstigen das Geschäft. Antibiotika, Virustatika, sowie Arzneimittel gegen Malaria und Tuberkulose sind hier die Top-Seller. In Industrieländern ist es zwar etwas schwerer, Fälschungen in die Vertriebskette einzuschleusen – doch gerade das Internet bietet den Fälschern hier Möglichkeiten. Viagra und andere Lifestyle-Medikamente sind ihre Verkaufshits. Dabei kommt es ihnen entgegen, dass die Konsumenten dieser Mittel Anonymität schätzen.
Gefälscht wird alles
Gefälscht wird in allen Varianten. In Industrieländern wird häufig lediglich der Beipackzettel gefälscht. Genauso kommt es jedoch vor, dass die Ware ausgeeinzelt und neu verblistert, in eine gefälschte Packung gesteckt und mit einem gefälschten Beipackzettel versehen wird. Ausgenutzt werden hier die Preisunterschiede, die innerhalb der EU bestehen. Auch wenn das Arzneimittel selbst nicht gefälscht wird, ist eine Gefährdung nicht auszuschließen, betonte Eckert-Lill.
So könne man nicht wissen, unter welchen Bedingungen das Präparat transportiert und gelagert wurde. Daneben kommen auch Totalfälschungen vor, bei denen die Arzneimittel gefälschte, falsche oder gar keine Wirkstoffe enthalten. Dieses Problem ist vor allem in Entwicklungsländern zu beobachten – aber auch in Deutschland wurden seit 1996 zwei Fälle von Totalfälschungen bekannt.
Arzneimittelgesetz bestraft Fälscher
In den Verkehr kommen die Fälschungen entweder über eine illegale oder über eine legale Verteilerkette. Im ersten Fall wird ausschließlich für den Schwarzmarkt produziert – dabei handelt es sich vorrangig um Dopingmittel und Partydrogen. Innerhalb der legalen Verteilerkette nutzten die Fälscher bislang den Umstand, dass sich in Deutschland zunehmend Zwischenhändler, Importeure und Vermittler von Sonderkontingenten zwischen Hersteller und Großhandel geschaltet haben. Rechtliche Regelungen für diese von der üblichen Vertriebskette Hersteller-Großhändler-Apotheke abweichenden Wege existierten nicht.
Der Gesetzgeber hat das Problem erkannt und mit der 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. So ist es nun ausdrücklich verboten, Arzneimittel herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die hinsichtlich ihrer Identität oder Herkunft falsch gekennzeichnet sind. Auch das Strafmaß für Zuwiderhandlungen wurde erhöht. Weiterhin wurde festgelegt, dass pharmazeutische Großhändler eine Betriebserlaubnis benötigen, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist.
Schwachstelle Internet
"Der Gesetzgeber hat sich viel Mühe gegeben, mehr Sicherheit zu schaffen", räumte Eckert-Lill ein. Doch gerade das Internet ist noch immer eine Schwachstelle. Weltweit kann der deutsche Verbraucher hier Bestellungen aufgeben – die Frage ist, ob er dabei an einen seriösen Anbieter gerät oder nicht. Hilfestellung will das Bundesgesundheitsministerium mit seinen gemeinsam mit dem Europarat entwickelten Empfehlungen "Arzneimittel und Internet" geben. Diese sind allerdings nicht verbindlich.
Das Ministerium erarbeitet daher zurzeit eine Arzneimittel-Webseiten-Verordnung. Doch auch eine solche wird nur begrenzt wirken können, da sie keine Durchschlagkraft auf andere Staaten hat, erklärte Eckert-Lill. Verhaltenskodizes und Gütesiegel sollen den Verbrauchern ebenfalls bei der Beurteilung der Anbieter helfen – doch die Informationsbeschaffung scheint manch einem noch zu mühsam zu sein.
Markierungen helfen nur begrenzt
Auch die Markierung von Arzneimitteln und ihren Verpackungen durch die Hersteller schreitet voran. Doch zumeist werden die für jedermann sichtbaren Markierungen schnell von den Fälschern kopiert. Selbst wenn die Kopien schlecht sind – den Kunden fällt dies häufig nicht auf. Sollen solche "offenen" Markierungen einen Sinn haben, müssten die Hersteller ihre Kunden beständig über Änderungen informieren. Verdeckte Markierungen, die nur für Hersteller und Fachkreise ersichtlich sind, werden in der Regel erst nach mehr als einem Jahr kopiert. Ihr Nachteil ist jedoch, dass sie für den Konsumenten nicht zu erkennen sind.
Als verdeckte Markierungen mit hoher Sicherheit gelten so genannte Micro-Taggants, die nur mit speziellen Geräten detektiert werden können oder die Biocodierung. Bei letzterer wird auf das Arzneimittel ein Strang einer wenige Basen umfassenden DNA aufgebracht, erläuterte Eckert-Lill. Nur wenn der entsprechende komplementäre DNA-Strang beigefügt ist, entsteht die DNA-Doppelhelix, die bei einem speziellen Licht erkannt werden kann. Allerdings sind auch diese Verfahren nicht für eine flächendeckende Überprüfung der betreffenden Arzneimittel geeignet.
Eine weitere Möglichkeit ist die Kennzeichnung jeder einzelnen Arzneimittelpackung mit einem Code, der an jeder Stelle der Vertriebskette überprüft werden kann. Diese Track and Trace-Verfahren stellen jedoch hohe Anforderungen an die IT-Infrastruktur und sind zudem kostenaufwändig.
Sensibilisieren, aber nicht demotivieren
"Im Vergleich zu anderen Ländern leben wir in Deutschland sicher", erklärte Eckert-Lill abschließend. Dennoch sollte man wachsam sein. Es gelte den Verbraucher zu sensibilisieren, aber nicht so weit zu demotivieren, dass er nötige Arzneimittel nicht mehr einnimmt, so Eckert-Lill. Einige Verhaltensregeln könne jeder praktizieren: Tabu sind etwa Arzneimittel mit abgelaufenem Verfallsdatum oder fehlendem oder fehlerhaftem Arzneimittel- oder Herstellernamen sowie beschädigte oder verschmutzte Verpackungen. Auch vor dem Bezug über dubiose Internetquellen und fliegende Händler sollte jeder gewarnt sein.
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