Die Seite 3

Das „Millionengeschenk“

Wissen Sie, dass Sie bald viel, viel Geld "geschenkt" bekommen? Wenn nicht, dann hätten Sie am Pfingstsonntag die Bild am Sonntag (BamS) lesen sollen. "Millionen-Geschenk für alle Apotheker" lautete ein Aufmacher auf der ersten Seite. Der Leser erfuhr aber auch sofort, dass dies eigentlich nicht rechtens sei, sondern "die teuerste Panne der Gesundheitsreform". Eine "Gesetzeslücke" sei dafür verantwortlich, dass den Apothekern eine Nachzahlung von 226 Millionen Euro winke.

Immerhin erklärt die BamS den Hintergrund der "Skandal"-Schlagzeilen. Paragraph 130 des Sozialgesetzbuches 5 legte fest, dass den Apothekern eine Ausgleichszahlung zusteht, wenn im Jahr 2004 weniger Packungen abgegeben wurden als im Jahr 2002. Dies war aufgrund einer sparsameren Verordnungsweise der Ärzte und des Ausschlusses von OTC-Arzneimitteln von der Verordnung der Fall. Der Passus war auf Drängen der Krankenkassen ins Gesetz gekommen. Sie gingen davon aus, dass die Zahl der Packungen wie in den Vorjahren weiter ansteigen werde, und sie rechneten nicht mit einem Rückgang. Beim Anstieg aber – und davon gingen die Kassen aus – wären die Apotheker zur Kasse gebeten worden.

Nun ist es anders gekommen. Grund für Kassen- und Versichertenvertreter, sich zu empören und eine Neidkampagne gegen die Apotheker in der BamS loszutreten. So besitzen laut BamS-Artikel Deutschlands Apotheker offenbar "das Rezept zum Geldverdienen", die Rede ist von einer "Gesetzeslücke", von einem Millionen-Geschenk. Und das vor dem Hintergrund, dass Apotheker 2004 vor Steuern 81.000 Euro – 3000 Euro mehr als 2003 – verdient haben, während sich die finanzielle Belastung für die Patienten durch die Gesundheitsreform deutlich erhöht hat. Das Millionen-Geschenk müssen nach BamS-Recherche die Versicherten ausbaden.

Ingo Kailuweit, Chef der KKH, geht davon aus, dass sich mögliche Beitragssenkungen verzögern, weil die Kassen Millionen an die Apotheken abgeben sollen. Versichertenvertreter Heinz Windisch hat noch deutlichere Worte parat: "Die Regelung, nach der die Apotheker jetzt noch zusätzlich Geld bekommen, ist ein Skandal, eine schallende Ohrfeige für alle Patienten. Sie müssen immer mehr selbst zahlen, die Beiträge sinken nicht wie versprochen, und dann werden durch das Kleingedruckte in der Gesundheitsreform zusätzliche Einnahmen für Apotheker geschaffen."

Ministerin Ulla Schmidt legte am Pfingstmontag nach. Sie appellierte an die Pharmazeuten, auf die Ausgleichszahlung zu verzichten. Es gebe keinen Spielraum, den Apothekern, "die nicht zu den Schlechtverdienenden gehören", "zusätzliche" Geldmittel zu gewähren.

Was sagt uns diese Kampagne von Ministerin, Krankenkassen und Medien? Erstaunlich, wie ein Gesetzestext, der sogar auf Betreiben der Kassen aufgenommen wurde, jetzt als "Gesetzeslücke" bezeichnet wird, als "Panne der Gesundheitsreform", nur weil sich Zahlen anders als von den Kassen erhofft entwickelt haben.

Wäre die Entwicklung anders verlaufen, hätten die Kassen sofort eine Erhöhung des Krankenkassenrabatts durchgesetzt – Ministerin und Medien hätten vom Aufschrei der Apotheker über die gestiegenen Belastungen allerdings keine Notiz genommen.

Die Kampagne zeigt auch, dass Apotheker mit einem großen Neidfaktor besetzt sind. Sie verdienen in den Augen von Ministerium und der Massenmedien nicht, dass ihnen für ihre Arbeit ein entsprechendes Entgelt, das sogar gesetzlich festgelegt ist, gezahlt wird. Nein, ein Nachschlag von 11.000 Euro pro Apotheke gefährde sogar die Versuche, "echte Einsparungen" im Arzneibereich zu erzielen, mögliche Beitragssenkungen würden sich deswegen verzögern.

Dass in dem Beitrag über eine dem Apotheker gesetzesmäßig zustehende Nachforderung der Verdienst des Durchschnittsapothekers genannt wird, deutet ebenfalls daraufhin, dass es um Missgunst gegenüber dem Apotheker geht. Sollen sich die Apotheker nun schämen, dass ihnen eine Ausgleichszahlung zusteht? Sollen sie auf die zusätzlichen Geldmittel verzichten, wie es die Ministerin fordert? Ich meine: nein. Es ist richtig, dass der Deutsche Apothekerverband hier eindeutig Position bezieht.

Selbst wenn er sich auf einen Verzicht einigen wollte, er könnte und dürfte es nicht. Er würde sofort mit Schadensersatzforderungen seiner Mitglieder überzogen, die auf Zahlung des ihnen zustehenden Ausgleichs klagen würden. Immerhin ließ er sich auf eine Verhandlungsrunde ein, die aber scheiterte. Jetzt ist es folgerichtig, dass eine Schiedsstelle entscheidet. Wenn wir in einem Rechtsstaat leben, kann sie den Gesetzestext nicht ignorieren.

Peter Ditzel

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